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Der bedeutendste wirtschaftliche Steuerungsmechanismus ist das sog. Ergiebigkeitsprinzip – auch als das ökonomische Prinzip, das Rationalprinzip oder das Wirtschaftlichkeitsprinzip bezeichnet[154] –, da es die Basiseigenschaften des homo oeconomicus aufnimmt und diesen Eigenschaften korrespondierende Handlungsmaximen formuliert. Danach soll stets so gehandelt werden, dass mit den vorhandenen knappen Mitteln die gesetzten Ziele möglichst optimal erreicht werden. Es wird also implizit davon ausgegangen, dass Wirtschaften stets in Knappheitssituationen stattfindet und es deshalb ein optimales Maßverhältnis der eingesetzten Mittel zum angestrebten Zweck geben muss.
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Auf empirisch-personaler Ebene werden mit dem Postulat des Gewinnstrebens das Bild des homo oeconomicus und dessen Fähigkeit zu strategischem, rationalem und opportunistischem Handeln aufgegriffen. Insoweit bleibt das Prinzip aber formal und teilweise wird sogar bezweifelt, dass ihm losgelöst von der konkreten Zielsetzung eines Wirtschaftsteilnehmers ein weiterer Gehalt innewohnt[155]. Als empirisch durch Knappheitsprobleme und bestehendes Wirtschaftssystem begründeter Sachzwang steht die Gewinnorientierung auch nicht in der Dispositionsbefugnis des Einzelnen, sondern bildet den Rahmen individuellen Wirtschaftens überhaupt. Indem auf diese Weise die Handlungsspielräume definiert werden, ergibt sich bereits eine erhebliche faktische Steuerungswirkung. Eine Verhaltensdetermination ist damit allerdings nur insoweit verbunden, als dem im Einzelfall Handelnden die Möglichkeit genommen ist, die seinem Handeln zugrunde gelegte Gewinnorientierung zu ändern und damit auch die Breite des bestehenden Handlungsspielraums im Einzelfall zu modifizieren[156].
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Dessen ungeachtet entfaltet das Prinzip für die Betriebswirtschaftslehre eine theoriekonstitutive Bedeutung[157]. Es bildet die Grundlage einer Betriebswirtschaft, die „rein“ funktional und in diesem Sinne wertfrei die Produktivitätsbeziehungen zwischen den verschiedenen Produktionsfaktoren analysiert[158].
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Als normatives Postulat formuliert das Ergiebigkeitsprinzip auf personaler, individueller Ebene ein kapitalistisches Unternehmerethos[159]. So verstanden kann es mit der Einhaltung anderer moralischer Pflichten nicht konfligieren, da es als eine „erste sittliche Pflicht“ betrachtet wird[160]. Begreift man das Ergiebigkeitsprinzip zumindest als einen normativ gewünschten oder akzeptierten Funktionsmechanismus, bleibt die Schwierigkeit der gesellschaftstheoretischen Rechtfertigung.
b) Grundsätzliche Legitimation des Ergiebigkeitsprinzips – das Ergiebigkeitsprinzip als offenes Prinzip, theoretische Basis eines entsprechenden Verständnisses, Legitimation durch implizite Bezugsgrößen des Ergiebigkeitsprinzips und die Rezeption externer Bezugsgrößen
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Gesellschaftstheoretisch kann eine Orientierung am Ergiebigkeitsprinzip nur legitimiert werden, wenn dieses Prinzip so verstanden wird, dass es auch auf den ersten Blick außerökonomische Zielvorstellungen aufnehmen kann[161]. Das Ergiebigkeitsprinzip kann also nur dann als hinreichender Steuerungsmechanismus akzeptiert werden, wenn es außer den Fähigkeiten des Menschen zu strategischem, rationalem und opportunistischem Handeln Parameter wie etwa technische, ökologische und vor allem soziale Zielvorstellungen aufnehmen kann[162]. Mit anderen Worten: Das Ergiebigkeitsprinzip muss offen dafür sein, verschiedene Verhaltenserwartungen in die mit seiner Hilfe formulierten Vorgaben einzubeziehen. Es muss daher in der Lage sein, neben den zentralen wirtschaftlichen Zielvorstellungen – wie Gewinnerzielung, Umsatzsteigerung, Kostensenkung usw. – technische Zielvorstellungen – wie Produktivität, Qualität, Geschwindigkeit – oder soziale und ökologische Zielvorstellungen aufzunehmen.
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Wissenschaftshistorisch hat sich in Deutschland in jüngerer Zeit Heinen dieser Frage angenommen und versucht, das neoklassische Betriebswirtschaftsprogramm Gutenbergs mit einer ethisch-normativen Betriebswirtschaftslehre[163] zu verbinden[164]. Dazu hat er zwei Wege vorgeschlagen: Ein Weg soll die Einbeziehung sämtlicher Ziele in das Gewinnmaximierungsmodell sein[165]. Dieser Weg erfordert jedoch die Umrechnung aller Zielgrößen in die Geldform, sodass das Modell einen großen Teil seines Erklärungswerts verliert. Der zweite Weg soll darin bestehen, die reine Gewinnmaximierung durch eine Nutzenmaximierung zu ersetzen[166]. Der Nachteil einer solchen Nutzenfunktion liegt allerdings in ihrer Ungenauigkeit[167]. Genau genommen geht es dabei um eine doppelte Ungenauigkeit: Zum einen stellt sich die Frage, welche monetären und nicht-monetären Güter in die Nutzenfunktion eingestellt werden sollen; zum anderen bleiben Schwierigkeiten bei der Messbarkeit der verschiedenen Nutzen. Die Idee der Umrechenbarkeit verschiedener Nutzen in eine gemeinsame Währung, an der sich das Ergiebigkeitsprinzip auszurichten hat, bleibt von dieser Kritik aber unberührt, da diese Einwände im Grunde nur die Möglichkeit der praktischen Umsetzung betreffen. Der Ansatz bildet damit durchaus eine Basis, auf der das Ergiebigkeitsprinzip als Steuerungsprinzip legitimiert werden kann:
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Eine schwache Legitimation des Ergiebigkeitsprinzips als Steuerungsfaktor folgt bereits daraus, dass sich aus dem Ergiebigkeitsprinzip selbst in einem ersten Zugriff bestimmte ökonomische und technische Ziele ableiten lassen. Das Ergiebigkeitsprinzip als Selbstzweck wird sich die ökonomischen Ziele der Gewinnmaximierung, Umsatzsteigerung, Kostendeckung oder zumindest der Verlustreduktion definieren. Als konkrete Handlungsanweisung dienen dazu auch technische Ziele – wie das der Produktivitätssteigerung durch eine Verbesserung der Maschinen, Anlagen und Verfahren usw.
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Ungleich schwerer zu begründen, ist dagegen die Rezeption prima facie außerökonomischer Zielvorstellungen, also insbesondere sozialer und ökologischer Zielvorstellungen. Soziale und ökologische Zielvorstellungen sind beispielsweise die Fortführung von Traditionen, die Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit oder die Minderung von Umweltbelastungen[168] . Auch solche Zielvorstellungen können jedoch zumindest mittelbar Ausfluss des ökonomischen Ergiebigkeitsprinzips im engeren Sinn sein: So können Traditionen Mitarbeitern und Kunden des Unternehmens Sicherheit vermitteln und damit Transaktionskosten mindern oder die subjektive Zufriedenheit steigern, was sich unmittelbar im ökonomischen Erfolg niederschlagen kann. Das ökonomische Ergiebigkeitsprinzip im engeren Sinn rezipiert soziale, technische und ökologische Momente also in dem Maß, wie sie dazu beitragen, rein ökonomische Ziele zu erreichen und für die Zukunft zu sichern.
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Verallgemeinernd kann festgestellt werden, dass das Ergiebigkeitsprinzip selbst in dem Maß außerökonomische Zielsetzungen aufgreift, wie sich diese durch Marktfaktoren (also etwa den Absatzmarkt, Arbeitsmarkt, Kapitalmarkt etc.) im Wirtschaftsprozess niederschlagen.
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Die schwierigste Frage ist aber, wie Vorgaben, die sich weder direkt noch indirekt selbst aus dem ökonomischen Prinzip ableiten lassen, im Rahmen von ökonomischen Verhalten wirksam werden können. Beispiele für solche Vorgaben sind etwa soziale oder ökologische Normen, die sich nicht unmittelbar in Marktfaktoren niederschlagen und damit als äußere Vorgaben angesehen werden können. Es stellte sich also das Problem, dass derartige Normen prozedural als äußere Vorgaben in den Wirtschaftsprozess insgesamt internalisiert werden müssen.
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Der Ausgangspunkt für die Lösung dieses Problems kann wieder bei der Handlung des einzelnen wirtschaftenden Individuums genommen werden. Dabei stellen sich keine zur sonst üblichen Diskussion um Möglichkeiten der Norminternalisierung kategorial unterschiedlichen Probleme. So werden sozial nachteilige Handlungen insbesondere dann vermieden, wenn sie von der Gemeinschaft mit Kosten versehen und dadurch als negativer Nutzen gekennzeichnet werden. Bei Handlungen in einem Unternehmen wird die Rechtsordnung freilich nur vermittelt über die Ordnung im Unternehmen rezipiert. Ansatzpunkte für die Internalisierung marktfremder Faktoren bei Handlungen in einem Unternehmen sind