Zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts. Marco Mansdörfer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marco Mansdörfer
Издательство: Bookwire
Серия: Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783811457072
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besteht, die einzelnen Subsysteme im Wege der Kommunikation für die Interessen und Notwendigkeit der Gesamtorganisation zu sensibilisieren. Als maßgebendes Kommunikationsmittel wurde bislang vor allem die Unternehmenskultur entwickelt, die das Denken, Handeln und Entscheiden innerhalb einer Unternehmung nach innen prägen soll[248]. Indem diese Werte verinnerlicht werden, sollen sie „formale Koordinationsmechanismen zumindest teilweise“ ersetzen[249].

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      Die praktische Betriebswirtschaft greift hier also wieder auf Instrumente zurück, wie sie in der Lehre vom normativen Management im Vordergrund stehen. Informale Organisationsstrukturen sollen vor allem durch „weiche“ Managementmethoden beeinflusst werden. Im eigenen Nahbereich bedeutet dies, dass die im Rahmen des normativen Managements aufgestellten allgemeinen Forderungen selbst eingehalten werden müssen. Verstöße gegen diese Organisation können im Einzelfall auch eine strafrechtliche Verantwortlichkeit – etwa in der Form von psychischer Beihilfe zu Straftaten Dritter – begründen. Ganz konkret müssen etwa faktische Änderungen der Aufteilung der Organisationsbereiche auf der Führungsebene unmittelbare Entsprechungen in Änderungen der formalen Struktur der Unternehmung finden. Idealtypisch stimmen damit formale und informale Organisationsstruktur umso stärker überein, je größer die zentralen Leitungsrechte der betroffenen Personen sind.

      Teil 1 Grundlagen zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts › C › II. Strafrechtliche Steuerungsmechanismen

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      Im Unterschied zum ökonomischen Ergiebigkeitsprinzip wirken rechtliche Steuerungsmechanismen nicht aus sich heraus, sondern über je nach Fall mehr oder weniger konkrete, von außen gesetzte Verhaltenserwartungen[250]. Der Normadressat soll Gesetze bereits deshalb einhalten, weil sie Gesetz sind, und unabhängig von dem Umstand, ob sie ihm persönlich unmittelbar oder auch nur mittelbar von Nutzen sind.

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      Dies bedeutet freilich nicht, dass damit jede beliebige Verhaltenserwartung strafrechtlich durchgesetzt werden dürfte. Die Diskussion über das Maß der zulässigen strafrechtlichen Steuerung reicht zurück bis zu den Wurzeln des modernen Strafrechts[251] und in jüngerer Zeit betonte etwa Stratenwerth auf der Basler Strafrechtslehrertagung 1993, eine „Zukunftssicherung mit den Mitteln des Strafrechts“ habe die herkömmlichen rechtsstaatlichen Sicherungen einzuhalten, und Strafe bleibe an „differenzierte Regeln der Zurechnung gebunden“[252].

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      Erst recht gilt dieses Monitum für ein Wirtschaftsstrafrecht, das seine Grundlage im frei wirtschaftenden Individuum, dessen Wohlergehen von eben diesen frei wirtschaftenden Individuen abhängt, findet[253]. Unabhängig von einem Verweis auf den Geist der Aufklärungszeit und der französischen Revolution, in dem diese scharfen Begrenzungen der staatlichen Strafgewalt entwickelt wurden[254], sind solche Schranken einem derartigen Wirtschaftsstrafrecht a priori immanent. Dies bedeutet jedoch nicht, dass damit jede strafrechtliche Steuerung abzulehnen wäre. Konsequenzen hat die Kriminalpolitik vielmehr insoweit zu ziehen, als sanktionenrechtliche Normen nur den äußersten Rahmen des individuellen Wirtschaftens eingrenzen dürfen[255]. Andererseits muss dieser Rahmen aber auch sanktionenrechtlich gesichert werden, soweit sich zivil- und sonstige öffentlich-rechtliche Steuerungsmechanismen als nicht hinreichend oder gegenüber einer strafrechtlichen Regelung nachteilig erweisen[256].

1. Die Strafe als elementarer strafrechtlicher Steuerungsmechanismus

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      Konnte für die Ökonomik das Ergiebigkeitsprinzip als elementarer Steuerungsmechanismus ausgemacht werden, so ist grundlegend für das Strafrecht die Sanktion[257]. Die Sanktion ist formal der letzte Bezugspunkt jeder strafrechtlichen Vorschrift, Diskussion und Normanwendung, durch die die Sanktion entweder im ersten Schritt abstrakt begründet oder in einem zweiten Schritt konkret einem Rechtssubjekt zugeordnet werden soll[258]. Rein rechtstechnisch formen die allgemeinen und besonderen Sanktionsnormen zusammen allein die Voraussetzungen, um ein Fehlverhalten mit Strafe ahnden zu können[259]. Die Sanktionsnorm fordert also nicht bestimmtes Verhalten und macht nicht einmal konkrete Vorgaben, wie sich eine Person zu verhalten hat. Sie ahndet zunächst nur einzelne unerwünschte Verhaltensweisen mit einem empfindlichen Übel und sorgt so für die handlungswirksame Anerkennung aufgestellter Verbote[260].

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      Diese Zurückhaltung, grundsätzlich gerade kein bestimmtes Verhalten zu fordern, entspricht einer freiheitlichen Gesellschaft[261]. Für die Bundesrepublik ist diese allgemeine Handlungsfreiheit ausdrücklich festgeschrieben in Art. 2 Abs. 1 GG: „Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“ Auch der Schrankentrias der allgemeinen Handlungsfreiheit liegt lediglich die Überlegung zugrunde, dass die Handlungsfreiheit eine Begrenzung verlangt, die dem Einzelnen ein Mindestmaß an sozialem Verhalten abverlangt. Lediglich dieses absolute Minimum ergibt sich aus der von Binding beschriebenen gedanklichen Umwandlung der Strafgesetze in einen Befehl, in eine sog. Verhaltensnorm oder genauer: in eine Mindestverhaltenserwartung[262].

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      Über die formale Bestimmung des Begriffs der Strafe hinaus finden sich in der Literatur vielfältige Versuche, die Strafe auch material näher zu bestimmen. Obwohl es sich bei dem Begriff der Strafe um den zentralen Begriff des Strafrechts schlechthin handelt[263], herrscht über seine materiale Bestimmung eine weitreichende Unsicherheit[264].

      Diese Unsicherheit kommt zunächst in der Kontroverse der verschiedenen Straftheorien zum Ausdruck. Zwischen absoluten und relativen Theorien vermittelnd soll eine Vereinigungslehre die Grundlage des gesamten Systems bilden[265]. Die mit der Strafe verfolgten Zwecke bestimmen aber in jedem Fall ganz wesentlich den Gehalt der Strafe, soweit er über das bloße Zufügen eines empfindlichen Übels hinausgehen soll. Der Strafzweck als materialer Legitimationsgrund der Strafe beeinflusst maßgeblich deren kommunikativen Gehalt sowie ihre tatsächliche Ausgestaltung und damit das Sanktionensystem überhaupt[266]. Die entscheidende Weichenstellung folgt aus der Entscheidung, ob Strafe (auch) einen personalen Tadel oder (nur) ein rechts- oder sozialethisches Unwerturteil zum Ausdruck bringen soll[267], ob Strafe (auch) zur symbolischen Wiederherstellung eines Rechtsverhältnisses oder (nur) der Normbestätigung dienen soll[268] und ob Strafe weitere Nebenzwecke verfolgen darf[269].

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      Zwar werden in der Strafrechtswissenschaft der Verbrechensbegriff und das Strafziel nicht selten getrennt voneinander behandelt, und auch die Kategorien der Straftat werden in der Regel eigenständig ohne ausdrücklichen Bezug auf die Strafzumessung entfaltet[270]. Dies ändert indessen nichts daran, dass jede nähere Deutung des Verbrechensbegriffs zumindest implizit die Vorstellung von einem konkreten Strafziel voraussetzt[271]. Dabei wird im vertikalen wie horizontalen Rechtsvergleich in jeder entwickelten Rechtsordnung zwischen verschiedenen Arten von Delikten unterschieden:

      In fast jeder europäischen Rechtsordnung wie auch in der Rechtsordnung des anglo-amerikanischen common law findet sich die Unterscheidung zwischen Kriminalstrafen und Verwaltungssanktionen[272]. Für das deutsche Strafrecht kann auf die Unterscheidung zwischen Privatverbrechen, bürgerlichem Unrecht und Kriminalunrecht bei Kant und Hegel und das aus dem Kriminalstrafrecht ausgegrenzte Polizeistrafrecht bei Feuerbach verwiesen werden[273]. Noch heute wird de lege lata grundlegend zwischen dem Kriminalstrafrecht und dem Recht der Ordnungswidrigkeiten unterschieden. In jüngerer Zeit unterteilt – zum Teil als wegweisend charakterisiert[274] – Naucke das Strafrecht im weitesten Sinn in ein „echtes“ Strafrecht unter dem Postulat der Vergeltungsstrafe,