Kapitel 1
Taking Care Of Business
Emily
Es war schon das dritte Mal, dass ich innerhalb weniger Tage in der Arbeitsagentur auftauchte. Als Leah, die Sachbearbeiterin, mich sah, machte sie ein langes Gesicht und mein Stolz bekam einen Dämpfer. Bevor sie etwas sagen konnte, lächelte ich strahlend.
„Ich weiß, ich weiß. Sie haben gesagt, Sie rufen mich an, aber …“ Ich hasste es, mir die Wahrheit einzugestehen. „Ich bin verzweifelt.“ So verzweifelt. Unheimlich verzweifelt. Sie sollte mir einfach nur einen verdammten Job geben. Irgendeinen. Ich hätte Toiletten geputzt. Fische ausgenommen. Ställe ausgemistet. Ich hätte wirklich alles getan. Leah sah mich einen langen Moment an und ich konnte erkennen, dass sie genervt war.
„Sie kommen fast jeden Tag und ich kann Ihnen immer nur dasselbe sagen.“ Sie blinzelte langsam. „Sparen Sie sich das Benzin, Kleines. Ich habe im Moment nichts für Sie.“
Verdammt.
Ich machte mir nicht die Mühe darauf hinzuweisen, dass ich gar kein Auto hatte. Denn das könnte meine Chancen auf einen Job schmälern. Die Wahrheit war, dass ich mir kein Auto leisten konnte, oder eine Versicherung, also nahm ich den Bus, denn das war besser, als stundenlang in die Stadt zu laufen. Mein Seufzen war nur innerlich. Ich wollte mit den Fäusten auf den Tisch schlagen, mit den Füßen aufstampfen und meinen Frust herausschreien. Ich verstand es nicht. Man hatte mir immer gesagt, dass sich eine Tür öffnete, wenn sich eine verschloss. Aber aus irgendeinem unbekannten Grund machte das Leben es mir schwer. Für mich gab es keine offenen Türen. Sogar die Fenster waren zu und die Jalousien heruntergelassen.
Mein Lächeln versiegte und es wurde eng in meiner Brust. Sie verstand es nicht. Ich wollte nicht aufdringlich sein, aber …
„Ich mache wirklich alles“, flehte ich. „Alles.“
„Verstehen Sie doch.“ Für einen Augenblick sah sie wirklich aus, als hätte sie Mitleid, und es fühlte sich an wie ein Stein in der Magengrube. „Es tut mir sehr leid, meine Liebe, aber im Moment haben Sie leider kein Glück.“
Ich seufzte den weltgrößten innerlichen Seufzer. „Okay.“ Ich atmete aus und lächelte knapp, entschlossen, positiv zu bleiben, auch wenn es regelrecht schmerzte. „Trotzdem vielen Dank.“ Ich zog mir den Rucksack enger über die Schultern. „Bis morgen dann.“ Als sie daraufhin mit den Augen rollte, lachte ich leise und ging rückwärts. Ich hob die Hände. „War nur ein Scherz.“
War es nicht. Ich würde morgen wieder hier stehen.
Draußen auf dem Gehweg atmete ich tief ein und betete im Stillen um einen Silberstreif am Horizont, von dem ich wusste, dass er nicht auftauchen würde. Nein. Das Glück war noch nie auf meiner Seite gewesen. Schade. Ich hätte es wirklich gerade gebrauchen können.
Seit zehn Tagen war Nanna im Glendale Memorial und Gott sei Dank wollten sie sie dort behalten, bis ich einen Platz in einem Pflegeheim für sie gefunden hatte. Es gab einige, die ich mir angesehen hatte, die lediglich in Ordnung waren, aber ich wollte sie in einem ganz bestimmten Haus haben. Dem St. Judes. Dort war es wunderschön. Es war geräumig, hell und behaglich. Es roch nach zarten weißen Blüten und die Mitarbeiter waren lieb und führten ihren Beruf mit Hingabe aus. Es war genau der Ort, an dem ich Nanna haben wollte. Ein Zuhause, fern von Daheim. Allerdings war ich nicht in der Lage, ihr das zu ermöglichen, ohne einen vernünftigen Job zu haben. Daher meine täglichen Besuche in der Arbeitsagentur. Mir war einfach klar, dass ich Leah so lange auf die Nerven gehen würde, bis sie mir irgendetwas gab. Das sagte schon viel aus, denn normalerweise war ich kein Mensch, der andere zu etwas drängte.
Ich hielt mich an meinen Rucksackgurten fest und machte mich auf den Weg zur Bushaltestelle. Auf halber Strecke rumorte es in meinem Magen und ich holte mir einen Müsliriegel aus dem Rucksack. Ich biss ab und lief dabei etwas langsamer, da ich den Busplan in der anderen Hand studierte. So wie es aussah, hatte ich noch etwas Zeit und es war nicht mehr weit. Außerdem kamen die Busse in dieser Stadt nie zu früh. Als ich an der Bushaltestelle ankam, stellte ich allerdings mit Erstaunen fest, dass gerade ein Bus wegfuhr. War das meiner? Nein, das konnte nicht sein. Ich sah auf die Busnummer. Mit dem Müsliriegel vergessen in meiner Hand, fiel mir die Kinnlade herunter. Innerlich musste ich lachen. Klar, natürlich. Großartig. Warum auch nicht? Einfach großartig.
Ich beobachtete, wie mein Bus in der Ferne verschwand und schloss frustriert die Augen. So wie es aussah, war das Pech wirklich auf meiner Seite. Schnaubend setzte ich mich auf die Bank der Bushaltestelle, fasste in mein langes dunkles Haar und band es zu einem hoch sitzenden Pferdeschwanz zusammen. Dann schob ich mir die Brille wieder hoch und blinzelte im hellen Sonnenlicht. Die Morgensonne fühlte sich wie Balsam auf meiner Seele an und ich schloss die Augen. Ich holte tief Luft und stieß sie langsam wieder aus.
Was könnte jetzt noch alles schiefgehen?
Ich hatte eine Stunde Zeit, bis der nächste Bus kam, und ließ meine kurzen Beine von der Bank baumeln. Stirnrunzelnd stellte ich fest, dass die Sache mit der Jobsuche schwieriger war, als gedacht. Nicht falsch verstehen, ich hatte ja keine Wunder erwartet, aber irgendetwas schon. Und bis jetzt hatte ich einfach nur nichts.
Mein Blick fiel auf das Gebäude auf der anderen Straßenseite und ich konnte irgendwie nicht glauben, was dort geschrieben stand.
MAX Talent- und Personalbeschaffung.
Na, Hallo aber auch.
Einen irren Moment lang spielte ich mit dem Gedanken, dort hinzugehen. Aber war es schlimm, sich bei einer Personalbeschaffungsagentur einzutragen, während man auf eine Stelle von einer anderen Arbeitsagentur wartete? Vielleicht machte man so etwas nicht, aber ich hatte keine bessere Idee. Ich meine, ernsthaft, was könnte es schaden? Und sollte Leah mich anrufen, würde ich sofort bei ihr aufschlagen. Sie müsste es ja nie erfahren.
Bevor ich es mir anders überlegen konnte, stand ich auf, überquerte im Laufschritt die Straße, sodass mein Jeansrucksack mir bei jedem Schritt auf den Rücken klatschte. Mir wurde etwas warm und ich spürte das Blut in meinen Wangen, also hielt ich einen Moment inne. Dann leckte ich mir über die Lippen und legte die Hand an die Glastür, um sie aufzuschieben. Ich trat ein und die hübsche Frau hinter dem Schreibtisch sah mich von oben bis unten an.
„Sind Sie wegen des Bewerbungsgesprächs hier?“
Ich horchte auf. Ein helles, blendendes Licht leuchtete um die Frau, als wäre sie ein himmlisches Wesen und Engelschöre sangen im Hintergrund. Sollte ich es wagen? Es war ein Wunder. Eine höhere Macht gab mir ein Zeichen, eine Chance. Ich spürte es bis ins Mark. Außerdem war es unehrlich. Aber ich wäre eine Idiotin, wenn ich die Gelegenheit nicht beim Schopf packen würde, obwohl ich nicht einmal wusste, um was für einen Job es sich überhaupt handelte. Aber wen interessierte das schon? Es war ein Job. Und Nanna sagte immer, dass man einem geschenkten Gaul nicht ins Maul schauen sollte.
Mit offenem Mund nickte ich und sie murmelte etwas, das gelangweilt klang wie: „Name?“
Ich schluckte hart und sagte quietschend: „Emily Aldrich.“
Die Frau betrachtete sich eine Liste und sah mich unfreundlich an. „Haben Sie Bewerbungsunterlagen? Welche Agentur hat Sie geschickt.“
Oh nein. Erwischt. Lügnerin.
Ja. Ich war ein fürchterlicher Mensch. Aber ich dachte darüber nach und fragte mich, was es mir bisher gebracht hatte, ein guter Mensch zu sein. Die Antwort kam schnell. Nichts. Einen riesigen, qualmenden Haufen Nichts. Das hatte es mir gebracht. Fürchterlicher Mensch oder nicht, ich entschied mich, es zu wagen. Mein Herz begann zu pochen, aber irgendwie schaffte ich es, zu reden. „Leah von der Arbeitsagentur The Edge unten an der Straße schickt mich.“ Ich holte