Ein hartes Klopfen an der Haustür. Der Klang traf mich direkt auf der Brust. Mit den Nerven am Ende hielt ich einen Augenblick inne. Ich blinzelte ins Nichts und fuhr mir mit der Hand über die Stirn, bevor ich die Tür öffnete. Dort stand Nanna im Nachthemd. Jim stand in einem braunen Bademantel hinter ihr und lächelte mich schief aber traurig an.
„Na, suchst du jemanden?“
Meine Augen weiteten sich zunächst, dann schloss ich sie und atmete aus.
„Nanna.“ Vorsichtig führte ich sie ins Haus. Jim folgte uns. „Wo bist du gewesen? Ich habe mir Sorgen gemacht.“
In diesem Moment fühlte sie sich zerbrechlicher denn je an. Sie war ganz kalt und ihre Hände zitterten.
„Ich wollte Bert besuchen.“
Ich nahm ihre Hände zwischen meine und rieb sie etwas, damit sie wieder warm wurden. Währenddessen hatte ich nur einen Gedanken. Die Sache geriet außer Kontrolle. Eindeutig. Aber was sollte ich dagegen tun?
Jim betrat die Küche und sah sich den Schaden an. Als er die Hände auf die Hüften stemmte und schwer ausatmete, wusste ich, dass es schlimm war. Und was noch schlimmer war, ich wusste nicht, ob ich mir die Reparaturen leisten konnte. Nanna und ich lebten sparsam. Ich konnte nicht arbeiten, denn auf Nanna aufzupassen war eine Vollzeitbeschäftigung. Ich erhielt Pflegegeld und zusammen mit Nannas magerer Rente, hatten wir gerade so viel, wie wir brauchten. Aber wir hatten keine Möglichkeit etwas für schlechte Zeiten anzusparen und so wie es aussah, mehrten sich die schlechten Zeiten. Ich fühlte mich hilflos und nutzlos. Während Jim anfing in der Küche aufzuräumen, setzte ich Nanna vor den Fernseher und deckte sie mit einer Decke zu. Als ich zurück in die Küche kam, unterbrach Jim die Aufräumarbeiten und sah mich an. Er sprach liebevoll, aber bestimmt.
„Wie lange geht das schon so, Liebes?“
Ich wusste, dass Jim nur unser Bestes im Sinn hatte, also war mir nicht ganz klar, warum es mich so aufregte. Ich war einfach so verdammt müde.
„Du kennst unsere Situation.“ Was gab es da noch mehr zu sagen? Ich beließ es dabei.
„Richtig“, sagte er sanft und versuchte, das geschmolzene Plastik von der Herdoberfläche zu bekommen. „Ich kenne deine Nanna auch und sehe, dass sie nicht mehr dieselbe ist.“ Er hielt inne, bevor er ein großes Stück Plastik abriss und in die Spüle warf. Es landete dort mit einem Klimpern. „Sie hat beinahe das ganze Haus abgefackelt. Mit dir drin.“ Er betrachtete den Herd mit einem Stirnrunzeln. „Sie hat einen Plastikwasserkocher draufgestellt und ist abmarschiert. Sie ist nicht mehr Herr über ihre Sinne.“ Er stellte sich aufrecht hin und sah mich an. „Sag mir jetzt nicht, dass das nicht wieder vorkommen wird. Wir beide wissen es besser.“ Sein Blick wurde sanfter, als er wisperte: „Es wird immer schlimmer, Em.“
Das stimmte. Schlimmer als ich zugeben wollte. Jim war für mich der Großvater, den ich nie hatte. Seine Hingabe für unsere kleine Familie war mehr, als ich verdiente. Er war ein guter Mensch. Ein großartiger Mensch. Mit einem Mal war ich so überwältigt, dass meine Unterlippe zu zittern anfing.
„Was soll ich nur tun?“ Ich zog einen Stuhl unter dem kleinen Küchentisch hervor und setzte mich. Dann stützte ich die Hände auf den Oberschenkeln auf und sagte leise: „Ich kann mir nicht leisten, sie in ein Heim zu tun.“ Als Jim den Mund öffnete, berichtigte ich mich. „In ein gutes Heim. Kein staatlich geführtes. Himmel, hast du die schon mal gesehen?“ Das kam überhaupt nicht infrage. Die waren fürchterlich. Das würde ich meiner Nanna nie antun. Nicht nach dem, was sie alles für mich getan hatte.
Jim betrachtete mich aufmerksam und spürte meinen Kummer. Er kam zu mir, zog einen Stuhl herbei und setzte sich neben mich.
„Liebes, ich liebe Faye, aber sie ist dement.“ Er lehnte sich vor und suchte mit seinem Blick in meinem. „Es wird nicht besser. Es kann nur noch schlimmer werden. Und …“ Er schien das, was er jetzt sagen würde zu bedauern. „Die meiste Zeit weiß sie sowieso nicht mehr, wer du bist.“
Meine Brust schnürte sich zusammen. Das wusste ich. Nur zu gut. Es brach einem derartig das Herz. Ich war müde und diese Unterhaltung machte es nicht besser, also sagte ich das Einzige, was ich sagen konnte, um das Gespräch zu beenden. „Ich werde darüber nachdenken.“
2018
„Danke nochmal, Jim“, sagte ich und lächelte strahlend mit der Glühbirne in der Hand. Normalerweise war es keine große Sache, keine Ersatzbirnen parat zu haben, aber wenn man mit einer Demenzkranken zusammenlebte und Tag und Nacht das Licht brennen musste, schon. Wie immer rettete Jim den Tag.
„Kein Problem, Em.“
Er sah mir zu, wie ich wieder auf unser Grundstück zurückging, so wie er es immer tat. Ich winkte ihm von der Haustür noch einmal zu und ging hinein. Nanna fegte den Flur und ich lächelte. Sie mochte das Haus gern sauber.
„Das hätte ich doch machen können.“
Nanna wirbelte herum und stieß einen erschrockenen Laut aus. Bevor ich mich versah, zog sie mir fest mit dem Besenstiel eins über den Kopf. Der Schlag kam so unerwartet, dass ich mir auf die Zunge biss und Blut schmeckte. Mit weit aufgerissenen Augen und Furcht im Gesicht stand sie vor mir, hob erneut den Besen an, doch dieses Mal hob ich die Hände und trat zurück.
„Ich bin’s“, rief ich eindringlich. „Ich bin es!“
Schockiert kamen mir die Tränen. Jim musste mich gehört haben, denn er kam angerannt. Er hatte das Handy schon am Ohr und tippte den Notruf, während er mir mit dem anderen Arm half.
„Ja, einen Krankenwagen bitte zu 8634 Cedar.“
Meine Seele fühlte sich taub an, als ich durch den Flur sah. Ich hörte Paul Anka im Hintergrund singen. Meine Großmutter stand wie erstarrt da und sah mich an, als wäre ich ein Ungeheuer. Und mit diesem Blick änderte sich meine komplette Welt.
Mir war gar nicht klar gewesen, dass ich nicht genäht werden musste, bis die Sanitäter einen Blick auf mich warfen. Es sah wirklich schlimmer aus, als es war. Nur eine winzig kleine Platzwunde direkt auf dem Scheitel. Unglücklicherweise, so erklärte es mir die Sanitäterin, bluteten Kopfwunden sehr, besonders wenn jemand panisch war und das Herz schnell schlug.
„Wir bringen Ihre Großmutter ins Glendale Memorial“, erklärte die Sanitäterin. „Die Geriatrie dort ist exzellent.“
War das so? Schön. Ich blieb sitzen. „Danke.“ Meine Stimme klang heiser.
Jim legte einen Arm um meine Schultern und ich lehnte mich an ihn, brauchte seinen Trost. Die Frau ging vor mir in die Knie und sah zu mir hoch.
„Bis jetzt haben Sie sich wirklich vorbildlich um sie gekümmert.“ Ihr Blick war sanft. „Aber sie braucht mehr, als Sie ihr geben können.“
Ja. Langsam sah ich es ein.
Der andere Sanitäter stellte sich in den Türrahmen und wie in Zeitlupe sah ich zu ihm, als er sagte: „Sie ist im Wagen. Sie können ihr jetzt auf Wiedersehen sagen gehen.“
Nein, das konnte ich nicht. Immer wieder sah ich den Blick auf ihrem Gesicht vor mir, als sie sich angstvoll von mir zurückzog. Immer und immer wieder. Er verfolgte mich regelrecht. So schnell wollte ich ihm nicht mehr begegnen. Es verging ein Moment und die Sanitäter tauschten einen Blick aus.
„Oder Sie können