Die Blöde. Barbara Fer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Barbara Fer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783991076919
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arbeitet und danach die beiden Töchter wieder von der Schule abholt.

      Den Schulhof betreten die beiden Schwestern getrennt, denn Valerie beeilt sich, zu ihren wartenden Freundinnen zu kommen. Sie tauschen noch schnell ihre Neuigkeiten aus, bevor sie in ihr Klassenzimmer gehen. Die Schulstunden verbringen sie eher gelangweilt. Erst in den Pausen wird es für die Mädchenclique wieder lustig und interessant. Mona hingegen geht gemächlich in ihre Klasse. Nach dem Auspacken plaudert sie ein wenig mit ihrer Sitznachbarin. Bestimmte Unterrichtsgegenstände wie Mathematik oder Biologie findet sie so informativ, dass die Stunde recht schnell vergeht. Den anderen Fächern folgt Mona aufmerksam und erledigt die gestellten Aufgaben auch gewissenhaft.

      Mama besucht meistens den großen „Einkaufstempel“, wie sie zu sagen pflegt. Dort findet sie alles. Vom Kosmetikbereich bis zu exklusiven Shoppingboutiquen und Bodystylinginstituten. Hier verbringt sie meistens ihre Vormittage. Gelegentlich trifft sie sich auch mit Bekannten. Meistens fährt sie nach ihren Erledigungen mit dem Taxi heim. Micki serviert ihr dann einen leichten Snack, damit sie ihre vorteilhafte Figur behält.

      Vater wird in der Firma von seiner Sekretärin empfangen und über die anstehenden Termine und Arbeiten informiert. Lisa arbeitet schnell und gewissenhaft. Daher sitzt sie im Vorzimmer ihres Chefs, der im anschließenden riesigen Büro nochmals einen Kaffee trinkt, bevor er sich in den Arbeitsalltag stürzt. Gewöhnlich merkt er erst am frühen Nachmittag, dass er durchgearbeitet hat. Dann lässt er sich von Lisa aus der Firmenkantine ein leichtes Menü holen. Meistens isst er abschließend einen köstlichen Kuchen und trinkt wieder Kaffee dazu. Allerdings muss er aufpassen, dass er dadurch nicht zu viel an Gewicht zunimmt. Seine Frau merkt sofort jede kleine Rundung am Bauch und verordnet ihm dann eine leichte Diät. Er denkt aber, dass er das Süße braucht, damit er sein Arbeitspensum bewältigen kann.

      Am späten Nachmittag fährt Vater müde zur Schule, um seine Töchter abzuholen. Manchmal geht er sogar in den Schulbereich hinein, wenn er zu früh kommt und spricht mit der Direktorin oder dem noch anwesenden Lehrpersonal. Meistens sind es keine ernsthaften Gespräche, sondern nur Small Talk. Valerie und Mona nähern sich Vater in solchen Fällen mit gebührendem Abstand. Wartet er jedoch vor der Schule im Auto, steigt Valerie mit einem koketten „Hallo“ ein, während Mona zu seiner Tür stürzt und ihn mit einem Wangenbusserl stürmisch begrüßt. Er bedankt sich immer mit einem besonders breiten Lächeln.

      Zu Hause brauchen alle ihren Rückzug, um sich vom Alltag zu erholen und sich für das Abendessen frisch zu machen. Vater und Mutter verbringen diese Zeit in ihrem gemeinsamen Wohn- und Schlafbereich mit den Nassräumen. In der gleichen Etage haben auch die Kinder ihre getrennten Räumlichkeiten, die nur über den Flur erreichbar sind.

      Zum gemeinsamen Abendessen treffen sich wieder alle im Esszimmer, das von Micki vorher immer nett dekoriert wird. Der abgelaufene Tag wird nun besprochen und für den morgigen Tag Absprachen getroffen. Danach widmet sich jeder seinen Interessen und Hobbys. Manchmal wird auch noch lange in der Bibliothek oder im Wohnzimmer diskutiert und geplaudert.

      EIN PROBLEM

      Auf in die Ferien! Die Eltern und die drei Kinder freuen sich nach einem arbeitsreichen Jahr auf den gemeinsamen Urlaub. Valerie hat das Schuljahr erfolgreich mit dem Abitur abgeschlossen. Die Noten hätten besser sein können, aber sie lacht und meint: „Wichtig, dass ich durchgekommen bin und nicht mehr in die Schule muss.“ Mona hingegen hat ein sehr gutes Zeugnis bekommen. Sie ist keine Streberin, aber eine interessierte Schülerin. Sie freut sich auf das nächste Schuljahr, denn nun kommt auch sie in die Oberstufe und gehört somit zu den Großen. Michael hat ebenfalls an der Universität wichtige Prüfungen erfolgreich abgelegt. Er darf daher im Herbst mit dem zweiten Studienabschnitt beginnen.

      Vater und Mama freuen sich über die Erfolge der Kinder und über den gemeinsamen Familienurlaub. Zum Entspannen und Erholen fahren sie wie jedes Jahr gemeinsam ans Meer. Tagsüber liegen sie faul am Strand in der Sonne. Abends gönnen sie sich ein landesübliches Essen. Tanzen, Musizieren, Spazieren, Herumschlendern, Veranstaltungen besuchen und angeregtes Plaudern mit anderen Gästen füllen die Abende aus. Erholt und gut gelaunt fahren die Eltern und ihre drei Kinder nach dem Urlaub im Familienauto wieder heim. Ausgeruht, mit viel Elan und Freude bereiten sie sich zu Hause in den letzten Ferientagen auf das beginnende Arbeitsjahr im Herbst vor.

      Mona betritt voll Freude nach den Schulferien die Aula der Schule und wartet gespannt auf die Klasseneinteilung für die Oberstufe. Die Schuldirektorin begrüßt die Schüler und Schülerinnen in gewohnt salopper Art, denn diesmal sind sie erstmals ohne Eltern gekommen. Sie fühlen sich nicht nur erwachsen, sondern sind auch gereifter, selbstbewusster und voller Pläne nach den Sommerferien eingetroffen. Die Direktorin ruft nun die Schüler und Schülerinnen einzeln auf, macht eine nette Bemerkung und weist ihnen eine Klasse nach den gewünschten Schwerpunktfächern zu.

      Allmählich wird es Mona mulmig, denn ihre Freundinnen wurden bereits aufgerufen und gehen beschwingt in den neuen Klassenraum. Schließlich sind nur mehr die Direktorin und Mona in der Aula. Zaghaft fragt sie nach ihrer Klasse. Die Direktorin überfliegt nochmals ihre Listen und kann Monas Namen nicht finden. „Du wurdest nicht angemeldet, daher bekommst du auch keinen Platz“, meint sie arrogant und schnippisch. Mona erinnert die Direktorin daran, dass ihre beiden Geschwister an dieser Schule auch die Oberstufe besucht haben, doch diese dreht sich um und geht ungerührt und achselzuckend in ihre Kanzlei.

      Starr vor Schreck bleibt Mona allein in der leeren Aula zurück. Alle haben ihren Platz bekommen, nur sie nicht. Warum? Ihre Gedanken kreisen, ihr Kopf brummt, die Augen füllen sich mit Tränen. Vorbei die Freude, die sie noch morgens beim Frühstück verspürt hat. Was soll sie nun tun? Der Direktorin nachlaufen, die sie so unfreundlich abblitzen hat lassen? Hier weiter herumstehen, bis die Stunde endet und sie zum Gespött der anderen wird? Langsam dreht sie sich um und verlässt traurig und in sich hinein weinend die Schule.

      Draußen geht sie zur Bushaltestelle, doch sie kennt nur die Fahrtzeiten für den Schulweg in der Früh und am Nachmittag für den Nachhauseweg. Fahrpläne gibt es hier keine. Nervös versucht sie am Handy ihre Mutter anzurufen, doch sie wird immer nur auf die Mailbox weitergeleitet. Vaters Firmensekretärin richtet ihr aus, dass er heute einen auswärtigen Termin hat und erst am Nachmittag zurückkommt. Michael braucht Mona nicht anzurufen, denn der ist bereits an der Universität in der anderen Stadt. Valerie wagt sie nicht anzurufen, denn ihre Schwester zeigt ihr stets unverhohlen ihre Abneigung. Außerdem ist sie mit der Planung ihrer Kunst- und Antiquitätengalerie beschäftigt. Valerie wollte nach dem Abitur kein Studium beginnen. Das Lernen reichte ihr. Verständlich nach den qualvollen Schuljahren und den vielen tollen anderen Interessen, die es gibt!

      Schon gestern beim Abendessen hat Mona etwas unruhig die Nachricht vernommen, dass sie ab dem neuen Schuljahr mit dem Bus in die Schule fahren muss. Sie wäre nun schon groß und käme in die Oberstufe. Es wäre daher kein Bedarf mehr vorhanden, sie allein mit dem Auto zu fahren. Das würde sie sicher verstehen. Valerie und Mama könnten nun ihre Termine abstimmen und mit Mutters Auto fahren. Vater bräuchte keine Umwege mehr machen und Michael kommt sowieso erst wieder zu Vaters Geburtstag heim. Vater erklärte Mona danach in der Bibliothek ruhig und eingehend die beiden Buszeiten und die Ein- und Ausstiegshaltestellen. „Ich vertraue dir und weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann“, meinte er gütig. Mona nickte verständnisvoll mit dem Kopf, versuchte ein Lächeln und wollte Papa nicht enttäuschen. Doch im Zimmer grübelte sie nach und dachte daran, wer sich diese Schikane wohl ausgedacht hatte, und vor allem wann? Schließlich waren die Sommerferien lange genug, sodass man ihr diese Änderung nicht erst am Vorabend hätte mitteilen müssen.

      Nun steht sie da und weiß nicht, wohin. Der Fußweg nach Hause dauert zu lange. Stehen bleiben will sie auch nicht länger, damit niemand ihre Blamage sieht und sie obendrein auslacht. So geht sie einfach weiter. Sie schlendert einfach langsam dahin. Nun betrachtet Mona die Gegend rund um die Schule, sieht die schönen Häuser und die netten Vorgärten. Bei jeder Busstation schaut sie sich um, ob nicht zufällig ein Bus ihrer Linie vorbeikommt. Nach zirka einer Stunde kommt tatsächlich einer und hält an, um sie einsteigen zu lassen. Um diese Zeit sind nur wenige Fahrgäste im Bus. Sie setzt sich auf die Heimfahrtseite des Busses und merkt erst jetzt, wie ihr Herz noch immer klopft und wie ihre Füße schmerzen.