Dann war da noch diese ungeheure Werbewirkung. Ohne Dennis und seine Stiftung hätte es diesen Einfluss auf die internationale Meinung nie gegeben. Von überall her kamen Menschen, um sich diese Ausgrabung persönlich anzusehen. Sie spülten wiederum neues Geld in die Staatskassen. Auf Auktionen bei Christies und anderen Häusern erzielten die Funde immense Preise, und wenn Sammlungen aus der Ausgrabung auf Weltreise gingen, um in verschienenen Städten ausgestellt zu werden, dann bildeten sich dort lange Schlangen von Interessenten.
Es war einfach notwendig, diesen Dennis und diese Stiftung zu schützen, und der Ministerpräsident hatte alle wichtigen Generäle überzeugen können, diesen Schutz, wenn notwendig, auch mit militärischen und polizeilichen Mitteln zu sichern.
Kapitel 3. Im Schutz der Haremsfrauen
1.
Mitte Januar nahmen sich Théra und Clara in der Schule frei und sie flogen mit ihrem großen Bruder Para nach Dubai.
Wieder erfuhr Théra, wie weise dieser Emir war.
Bei der Begrüßung umschloß der Emir Théras kleine Hände mit seinen großen kräftigen Männerhänden und er seufzte, „ich glaube, dieses Mal brauchst du meine Hilfe.“
Seine Söhne hatten im Umgang mit den Pferden durch Théras Unterricht einen ganz neuen Stil entwickelt. Sie waren lockerer und souveräner. Sie achteten die Tiere mehr als vorher, und sie konnten auch den Menschen viel besser zuhören. Ihr Urteil war klarer und gereifter. All das waren Eigenschaften, die einen arabischen Herrscher auszeichnen. Der Emir war ein Mann von Ehre. Er würde Théra seine Hilfe gerne gewähren.
Dann hatte er nach seiner Lieblingsfrau geschickt und sie gebeten, sich um Théra zu kümmern. Sollten Clara und Para dieses Mal die Pferde und die Jungens übernehmen. Théra hatte sich seine Fürsorge verdient. Seine Frauen sollten einmal ganz für Théra da sein.
2.
Théra wurde im Harem des Emirs stürmisch und begeistert aufgenommen. Die gleichaltrigen Mädchen hatten sich durch Théras Vermittlung auf verbotenes Terrain vorwagen dürfen. Sie waren in die Männerdomaine eingebrochen, und sie hatten begonnen, die ausgemusterten Pferde zu pflegen und zu reiten, die aus irgendwelchen Gründen nicht in das ästhetische Zuchtprogramm passten. Mal gab es eine Blässe, die da nicht hingehörte, mal waren die Beine zu kurz oder das Fell ungleichmäßig. Sie wären unter normalen Umständen zum Schlachter geschickt worden, aber es waren gute Pferde. Théra hatte damals dafür gesorgt, dass diese Tiere unter dem Schutz der Mädchen leben durften.
Die Mädchen hatten dabei nie ihre traditionellen Pflichten vernachlässigt, oder gar vergessen, und die Mädchen waren durch diese neue Aufgabe innerlich „gewachsen“. Sie hatten Verantwortung übernommen, und sie waren selbstbewusst und stolz geworden, ohne die Demut und die Dankbarkeit zu verlieren, die Teil ihrer Erziehung war.
Die Rolle der Frau im Clan des Herrschers war die einer unsichtbaren Fee. Viele dieser Frauen hatten angesehene Berufe. Sie waren diplomierte Übersetzerinnen, studierte Ökonome und Anwältinnen. Sie waren in dem Clan des Herrschers dennoch unsichtbar. Sie lenkten viele Geschicke des Landes, aber sie hielten sich an die Traditionen.
Einige der Mädchen hatten also jetzt die Männerdomaine des Reitens für sich entdeckt. Sie fühlten sich glücklich und das war allein Théras Verdienst.
Es war kein Wunder, dass Théra aufgenommen wurde, wie in eine grosse Familie.
Théra und die Mädchen pflegten die aus der Zucht ausgemusterten Pferde. Sie wagten auch, in den frühen Morgenstunden weit hinaus in die Wüste zu reiten, und sich nach dem Sternenhimmel zu orientieren. Sie waren völlig allein. Nun ja, so gut wie. In einiger Entfernung folgten ihnen stets einige besonders ausgesuchte Beduinen, alles geschickte Reiter und unsichtbar wie Schatten, um über die Mädchen zu wachen. Der Emir liebte seine Mädchen viel zu sehr, um sie einer Gefahr auszusetzen, und er ließ sie keinen Moment aus den Augen.
Dennoch war für Théra in diesem Monat alles anders als früher. Théra hatte ihre Rolle als Lehrerin der Mädchen abgelegt. Es war eher so, dass sie jetzt von den Mädchen gestützt und umsorgt wurde, und sie war froh, dass sie nur von den Mädchen und den Frauen umgeben war, ganz ohne Männer.
In den heissen Tagesstunden wurde gebadet. Sie pflegten sich gegenseitig. Sie kämmten und flochten sich die Haare. Die Mädchen berührten Théras Körper, anfangs eher wie zufällig, später wurden die Berührungen gezielter. Sie streichelten und stimulierten Théra, die nach anfänglicher Scheu langsam anfing, diese Berührungen zu genießen.
Zwischen den verschiedenen Badegängen wurde immer wieder gelernt, getanzt und gesungen. Théra lernte sich zu bewegen. Sie lernte den Klang der fremden Instrumente kennen, und sie genoß es, sich im Takt zu drehen und die langen Gewänder und Seidenschals schwingen zu lassen. Das war ganz anders, als alles, was sie bisher an Musik und Tanz gesehen und gehört hatte.
Kein Mann hatte Zutritt zu diesem Harem. Es gab keine neugierigen Blicke. Die Frauen blieben unter sich. Es war traditionell, rhytmisch und melodisch. Die Frauen sangen über Themen, die sie nie einem Mann genannt hätten, sie lachten viel, und sie sangen auch über Themen, die für die Stimulation des Mannes gedacht waren. Es gab viele Facetten dieses Gesanges und des Tanzes. Théra war fasziniert.
Sie begriff schnell, dass die Mädchen Unterricht in Liebe erhielten. Sie lernten, was Männer mögen.
Darüber wurde im Harem ganz offen gesprochen. Jede der Frauen beherrschte ein breites Instrumentarium der Liebe, aber es war nicht jeder Frau vergönnt, die erste Frau des Herrschers zu sein. Darüber entschieden seltame Mechanismen und Launen. Manchmal wechselte das. Jede der Frauen wollte dieses Privileg verständlicherweise für sich beanspruchen, doch darüber entschieden der Emir und die anderen Ehemänner und auch das Geschick der Frauen. Manchmal entschied nur die Geburt eines männlichen Erben über die Rolle der Frau.
Obwohl die Frauen alle gebildet waren, so lebten sie alle in diesem System und erzogen auch ihre Mädchen in diesen Gedanken.
Die Sache mit dem Reiten änderte bei den Mädchen nichts an diesem System. Ein Bruch der Tradition wäre nicht hingenommen worden. Die Frauen achteten genauso streng auf die Respektierung ihrer Welt, wie die Männer.
3.
Théras Freundin Leyla war gerade 16 geworden. Sie würde im Sommer den Sohn des Emirs von Masquat heiraten, am Golf von Oman. Die Heirat war schon lange geplant. Schon mit sechs Jahren war Leyla versprochen worden. Es war ein großes und freudiges Ereignis, aber es war auch ein politisches Arrangement. Gesehen hatte Leyla ihren Bräutigam bisher nur aus der Ferne, bei Pferderennen oder bei anderen festlichen Anlässen. Der Bräutigam kannte sie nur verschleiert und hatte noch nicht mal ein Bild von ihr.
Als Théra das hörte, war sie ziemlich schockiert. Hier gehörte es zur Kultur des Landes. Als sie Leyla darauf ansprach, hatte Leyla gelacht und genickt. Es war ihre Pflicht, ihren Mann zu lieben und ihn die Liebe zu ihr zu lehren. Es war ihre Aufgabe, zu ihrem Mann zu stehen. Es spielte keine Rolle, ob sie sich körperlich gefielen. Wenn sie das richtig machte, dann konnte sie von ihrem Mann alles erbitten. Dann konnte sie die erste Frau des zukünftigen Herrschers sein, und hinter ihrem Mann die Geschicke des Landes lenken. Dazu gehörten Diplomatie, Aufopferung und Geschick. Liebe würde dann von selbst kommen - oder auch nicht. Das lag an ihr.
Leyla,