Mobilität und Kommunikation in der Moderne. Roland Wenzlhuemer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roland Wenzlhuemer
Издательство: Bookwire
Серия: Einführungen in die Geschichtswissenschaft. Neuere und Neueste Geschichte
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783846354704
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technikhistorische Fragestellungen eine mal vordergründige und mal hintergründige Rolle. Ein grundlegendes Verständnis technikgeschichtlicher Erkenntnisinteressen ist im Feld der Mobilitätsgeschichte daher auch nach der kulturgeschichtlichen Neuorientierung unabdingbar.

      Was sind nun typische Fragestellungen der Technikgeschichte an den Bereich der Mobilität und Kommunikation? Da ist einmal die Frage danach, wie sich die technischen Spezifika und Notwendigkeiten einer bestimmten Technologie gesellschaftlich niedergeschlagen haben. Nehmen wir als Beispiel den zunehmenden Einsatz der Dampfkraft im Transportwesen, der eingehender im folgenden Kapitel thematisiert wird. Zwar minderte die neue Kraftquelle die Abhängigkeit von menschlicher, tierischer oder anderweitig der Natur gewonnener Energie, gleichzeitig entstand aber eine neue Notwendigkeit der Brennstoffversorgung. Daher waren Dampfmaschinen im großen Stil zunächst nur in der Nähe von Brennstoffvorräten einsetzbar. In späterer Folge wirkte sich diese Abhängigkeit ganz massiv auf die Förderung und logistische Verteilung von fossilen Brennstoffen aus. Man denke beispielsweise an das Anlegen von Kohledepots entlang der wichtigsten Dampfschiffrouten. Solche Fragen nach den Auswirkungen technischer Abläufe in Mobilitätstechnologien interessieren die Technikgeschichte.

      Schon in diesen exemplarischen Fragestellungen aus technikhistorischer Perspektive wird deutlich, dass sich diese nicht trennscharf von anderen Erkenntnisinteressen unterscheiden lassen. Blickt man auf den Brennstoffbedarf der Dampfmaschine, so landet man ebenso schnell in der Wirtschaftsgeschichte wie in der Globalgeschichte. Fragt man nach dem Hochrad, so gibt es kein Vorbeikommen an der Kulturgeschichte. Wie bereits erwähnt, sind die genannten Zugänge daher nicht als jeweils separate Felder zu betrachten, sondern lediglich als unterschiedlich gelegte Gewichtungen.

      [5] Heßler, S. 18.

      [6] Ebd., S. 17.

      [7] Edgerton, From Innovation to Use.

      [8] Ebd., S. 116; ders., Shock of the Old, S. 45‒47.

      [9] Ders., From Innovation to Use, S. 120f.

      [10] Gleitsmann, Kunze u. Oetzel, S. 36.

      [11] Heßler.

      [12] Bijker, S. 19‒100.

      [13] Osterhammel, Verwandlung, S. 1012.

      [14] Hughes, S. 54f.

      3. Wirtschaftsgeschichtliche Perspektiven

      Welche Bedeutung hatte die Telegrafie für die Geschichte internationaler Finanzmärkte seit der Mitte des 19. Jahrhunderts? Welche Rolle spielte der Ausbau von grenzübergreifenden Transportinfrastrukturen für den globalen Handel? In welchem Ausmaß werden Transport- und Kommunikationsmittel wie beispielsweise das Automobil oder das Mobiltelefon selbst zu wichtigen globalen Handelsgütern? Die Geschichte von Mobilität und Kommunikation ist kaum losgelöst von wirtschaftshistorischen Fragestellungen zu denken.

      Menschen haben verschiedenste Bedürfnisse, manche grundlegender als andere, mit deren Befriedigung sie einen Gutteil ihres Lebens beschäftigt sind. Unter dem Begriff Wirtschaft versteht man die Gesamtheit aller Einrichtungen und Aktivitäten, die in einer Gemeinschaft auf die Herstellung und Verteilung von Ressourcen zur Bedürfnisbefriedigung (üblicherweise Waren oder Dienstleistungen) zielen. Diese Begriffsdefinition mag seltsam trocken und etwas artifiziell klingen. Sie hat aber den Vorteil, ganz unmittelbar klarzumachen, dass Wirtschaft nicht nur mit Fabriken und Hochfinanz, mit Banken und globalem Handel zu tun hat, sondern der Mensch als soziales Wesen immer wirtschaftet. Ähnlich wie dies auch im vorherigen Abschnitt zur Technik deutlich wurde, ist menschliches Denken und Handeln ohne ein Grundverständnis für die jeweiligen wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht zu verstehen. Die Wirtschaftsgeschichte ist dementsprechend ein wichtiger, seit langem fest etablierter Bereich der Geschichtswissenschaft (wie im Übrigen auch der Wirtschaftswissenschaft), dessen Ziel es ist, die Geschichte des menschlichen Wirtschaftens zu beleuchten. Sie will in diesem Zusammenhang Entwicklungslinien, Organisationsformen und Handlungslogiken verstehen und erklären und tut dies auf ganz unterschiedlichen Ebenen: zum Beispiel mit einem Fokus auf einzelne Menschen oder kleine Gruppen von Menschen, auf der Ebene von Haushalten bzw. Erwerbsgemeinschaften, auf Unternehmensebene oder auch mit Blick auf ganze Volkswirtschaften oder sogar globale Wirtschaftszusammenhänge.