Querschnitt vs. Längsschnitt
Während bei einem Querschnittdesign Personen verschiedenen Alters zu einem Zeitpunkt untersucht werden, besteht das Längsschnittdesign darin, gleichaltrige Personen zu mehreren Zeitpunkten zu untersuchen.
Querschnitte sind deutlich weniger aufwändig als Längsschnitte, können aber zu Fehlschlüssen führen, weil die Zeiteffekte (Altersunterschiede) sowohl auf Kohortenunterschiede (also z.B. Unterschiede zwischen den 1980 und den 1990 geborenen Personen) als auch auf (echte) Altersunterschiede zurückgeführt werden können.
Querschnitte geben auch keine Auskunft über die Veränderungsprozesse. Die Interpretation von Längsschnitten ist allerdings auch nicht eindeutig, weil hier als mögliche Ursachen der Veränderungen neben dem Alterseffekt auch ein Zeitepocheneffekt in Frage kommt (vor allem bei Studien über größere Zeiträume hinweg). Empfehlenswert ist deshalb eine Kombination eines Querschnitt- und Längsschnittdesigns, bei der jeweils unterschiedliche Altersgruppen längsschnittlich untersucht werden.
Methoden der Datenerhebung
Die Entwicklungspsychologie bedient sich je nach Fragestellung ganz unterschiedlicher Untersuchungsmethoden. Im Rahmen experimenteller Studien mit Säuglingen und Kleinkindern werden häufig Verfahren eingesetzt, die Beobachtungsdaten generieren.
Aufmerksamkeit als Indikator
Das häufig eingesetzte Habituations-Dishabituations-Paradigma nutzt die Gewöhnung des Säuglings an bestimmte mehrfach präsentierte Reize (z.B. einen Klingelton). Nachdem sich der Säugling an den Reiz gewöhnt hat, was aus seiner abnehmenden Aufmerksamkeitszuwendung gegenüber dem Reiz erkennbar ist, wird der Klingelton variiert (z.B. höhere Frequenz). Reagiert der Säugling wieder mit mehr Aufmerksamkeit, geht man davon aus, dass er den Unterschied bemerkt hat.
Der erneute Anstieg der Aufmerksamkeit des Säuglings wird also innerhalb einer Experimentalreihe als Indikator dafür genommen, dass der Säugling bei einem bestimmten Reiz einen Unterschied zum vorangehenden festgestellt hat (vgl. kritisch dazu Haith 1998). Genau dieser Mechanismus wird in vielen Experimenten ausgenutzt.
weitere Methoden
Neben der Verhaltensbeobachtung im Labor und im natürlichen Setting werden diverse weitere Methoden eingesetzt, darunter Tagebücher (z.B. geführt durch die Eltern), Interviews und ab dem Schulalter auch Fragebögen, Analyse von Zeichnungen etc.
Literatur
Flammer, A. (2008). Entwicklungstheorien. Psychologische Theorien der menschlichen Entwicklung (4. Aufl.). Bern: Huber.
Übungsaufgaben
1 Die Entwicklungspsychologie ist im Vergleich zu anderen Disziplinen mit besonderen Problemstellungen konfrontiert. Worin bestehen diese und wie geht die moderne Entwicklungspsychologie damit um?
2 Worin besteht der Unterschied zwischen Meso- und Exosystem nach Bronfenbrenner?
3 Bedeutet die Skepsis der Systemtheorie gegenüber monokausalen Erklärungen, dass nach diesem Ansatz keine Experimente möglich sind? Begründen Sie Ihre Antwort.
4 Wann ist es sinnvoll, auf eine Längsschnittstudie zu verzichten und stattdessen eine Querschnittstudie durchzuführen?
3 | Frühe Kindheit
Inhalt
Die menschliche Entwicklung, verstanden als Ontogenese, beginnt mit der Befruchtung der Eizelle und endet mit dem Tod des Individuums. Während der vorgeburtlichen Entwicklung unterscheidet man die embryonale (1.–8. Woche nach der Befruchtung) von der fötalen Phase (ab 9. Woche bis zur Geburt).
Im deutschen Sprachraum bezeichnet man die Zeitspanne vom 1.–3. Lebensjahr als „frühe Kindheit“, sie ist – einschließlich der vorgeburtlichen Entwicklung – Thema dieses Kapitels.
3.1.2 Frühe Kategorisierungsprozesse
3.1.4 Objektkonstanz und Objektpermanenz
3.2 Sprachentwicklung in der frühen Kindheit
3.2.1 Vorsprachliche Kommunikation
3.2.2 Erste „Schritte“ in die Muttersprache
3.3.1 Grobmotorische Entwicklung
3.4 Emotion, Motivation, Temperament und Bindung
3.1 | Wahrnehmung und Denken
Die Aufnahme von Information über die Sinne beginnt nicht erst bei der Geburt, sondern schon pränatal (Hopper 2007). Nach der Geburt nimmt das Neugeborene die neuen Informationen aus der sozialen und physikalischen Umgebung mit allen ihm verfügbaren Mitteln auf, denn die Informationsaufnahme ist eine wesentliche Voraussetzung für Entwicklung und Lernen.
3.1.1 | Wahrnehmungsentwicklung
Die einzelnen Sinnesmodalitäten entwickeln sich vor und nach der Geburt in unterschiedlichem Tempo. Das führt dazu, dass die Wahrnehmungskompetenzen des Fötus und danach des Neugeborenen je nach Beobachtungszeitpunkt modalitätsspezifisch unterschiedlich gut ausgebildet sind (Slater et al. 2007).
modalitätsspezifische Entwicklungstempi
Während der Geschmackssinn (olfaktorische Wahrnehmung) und der Tastsinn (taktile Wahrnehmung) bereits in der Plazenta gut stimuliert werden, was die Entwicklung vorantreibt, ist insbesondere der Sehsinn (visuelle Wahrnehmung) zum Zeitpunkt der Geburt noch wenig ausgebildet, was aufgrund der vorgeburtlich geringen Stimulation der Rezeptoren im Auge auch nicht weiter erstaunlich ist. Die durchschnittlichen Wahrnehmungskompetenzen