2.5 Die Entwicklung in der SBZ. Gründung der DDR
3.Gründung der Bundesrepublik Deutschland
3.1 Voraussetzungen für einen neuen Gesellschaftsvertrag
3.2 Die neue Wirtschaftsordnung: Soziale Marktwirtschaft
3.3 Das Grundgesetz als neuer Gesellschaftsvertrag. Hauptstadtfrage
3.4 Die Bundesrepublik als »demokratischer Verfassungsstaat«
3.5 Restauration und Neubeginn
4.Kultur und Werte als Rückhalt
4.1 Die Situation in Westdeutschland
4.2 Kulturentwicklung in der SBZ/DDR
5.Religion und Kirchen in Westdeutschland und der SBZ/DDR
1. Ausgangsbedingungen
1.1 Bedingungslose Kapitulation
Die deutsche Staats- und Gesellschaftsgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg lässt sich in folgende Etappen einteilen:
Verlust der staatlichen Eigenständigkeit mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Streitkräfte (unconditional surrender) am 7. und 8. Mai 1945 in Reims und Berlin-Karlshorst.
Herausbildung demokratischer Strukturen auf Gemeinde- und Länderebene in den drei westlichen Besatzungszonen ab Ende 1945; Beginn einer von der Sowjetunion gelenkten Entwicklung zum sozialistischen Staatsaufbau in der sowjetischen Zone.
Gründung der Bundesrepublik Deutschland mit der Verabschiedung des Grundgesetzes am 23. Mai1949 und der Deutschen Demokratischen Republik am 6. Oktober 1949.
Vereinigung der beiden deutschen Staaten am 3. Oktober 1990 durch Beitritt der neuen Bundesländer und Ost-Berlins zum Staatsgebiet der BRD.
In der »Berliner Deklaration« vom 5. Juni 1945 der Oberbefehlshaber der Alliierten Streitkräfte wurde auch formell die Regierungsgewalt in Deutschland durch die USA, die UdSSR, Großbritannien und Frankreich im Alliierten Kontrollrat übernommen und die Einteilung des Deutschen Reiches in vier Besatzungszonen und vier Berliner Sektoren endgültig festgelegt. Die Verwaltung wurde auf allen Ebenen von den Besatzungsmächten übernommen; wo Deutsche mit ihrer Wahrnehmung betraut wurden, geschah dies im Auftrag und unter Kontrolle der jeweiligen Besatzungsmacht. Deutsche Gerichte durften erst 1946 ihre Tätigkeit wiederaufnehmen (vgl. »Akten …«; Eschenburg 1983).
Die bedingungslose Kapitulation war das Ende einer zwölfjährigen totalitären Gewaltherrschaft, die die Deutschen aus eigener Kraft nicht hatten beseitigen können. Nur wenige Länder in Europa – Schweden und die Schweiz, Spanien und Portugal – waren durch die deutsche Kriegsmaschinerie und die nachrückenden Sondereinheiten, der SS, die mit der Vernichtung von Juden, Kommunisten, Zigeunern (Sinti und Roma) et al. beauftragt waren, nicht heimgesucht worden.
In mehreren sozialwissenschaftlichen Untersuchungen zur Sozial- und Bewusstseinslage in der unmittelbaren Nachkriegszeit, an denen auch bekannte Soziologen aus den USA teilnahmen, wurden die dominanten Lebensgefühle wie folgt beschrieben: introvertiert, apathisch, gebrochener Lebenswille, das Gefühl, »nun endgültig erledigt zu sein« (Articus/Braun 1984 : 716). Nicht alle Deutschen empfanden die Niederlage als Akt der Befreiung von einer menschenverachtenden Diktatur, verbunden mit der Hoffnung auf einen demokratischen Neubeginn.
Im Alliierten Kontrollrat, der Entscheidungen, die ganz Deutschland betrafen, einstimmig zu treffen hatte, wurde die Konsensbasis zwischen den Alliierten immer schmaler. Daran konnte auch die Potsdamer Konferenz, die vom 17. Juli bis zum 2. August 1945 abgehalten wurde, nicht viel ändern. Die Konferenz hatte zwar den Neuaufbau des demokratischen Lebens zugestanden, aber die Auffassungen von Demokratie differierten zwischen den zwei Westmächten (Frankreich war in Potsdam nicht vertreten) und der Sowjetunion erheblich. In der sowjetisch besetzten Zone (SBZ) zeichnete sich ein Sonderweg ab.
Auch in den osteuropäischen Ländern Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn wurden unter dem Diktat der Sowjetunion kommunistische Regimes errichtet, die nicht aus freien Wahlen hervorgingen. Der Kalte Krieg hatte begonnen. Die Besatzungspolitik wurde mehr und mehr zum Anlass, die aus den unterschiedlichen Gesellschaftssystemen resultierenden Differenzen zu Vehikeln auf eigenen Wegen zu nutzen. Am 20. März 1948 zerbrach der Alliierte Kontrollrat endgültig und damit die gemeinsame Basis der vier Besatzungsmächte im Hinblick auf die Neuordnung Deutschlands.
1.2 Die territoriale und demographische Situation
Grundvoraussetzung für einen Staat ist die Souveränität über ein klar abgegrenztes Territorium mit zugehöriger Bevölkerung. Nach dem 8. Mai 1945 war dies für Deutschland nicht mehr gegeben. Neben der Machtausübung durch den Alliierten Kontrollrat in den Besatzungszonen und Berliner Sektoren gab es Gebietsverluste in erheblichem Umfang. Die bisherigen deutschen Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie wurden formell unter sowjetische und polnische Verwaltung gestellt, faktisch aber diesen Staaten einverleibt. Die deutschen Ostgebiete umfassten 1939 insgesamt 114 296 qkm und hatten 9,6 Mio. Einwohner; der geringere Teil mit 13 205 qkm und 1,16 Mio. Einwohnern (1939) fiel unter die sowjetische, der Rest unter polnische Verwaltung (u. a. Ostpommern, Ostbrandenburg und Schlesien). Auch vor dem Zweiten Weltkrieg waren diese Grenzen nicht unstrittig; der »Korridor« in die Freie Stadt Danzig und nach Ostpreußen war ein Dauerproblem.
Von den 11,73 Mio. Vertriebenen und nationalen Flüchtlingen der Jahre 1945– 1947 in den vier Besatzungszonen kamen 6,94 Mio. aus den deutschen Ostgebieten (Ostpreußen, Ostpommern, Ostbrandenburg und Schlesien) und 4,79 Mio. aus deutschen Siedlungsgebieten im Ausland, die Mehrzahl aus der Tschechoslowakei (2,92 Mio. Sudetendeutsche; vgl. Brockhaus-Enzyklopädie in 20 Bänden, Bd. 19).
Im Westen des ehemaligen Deutschen Reiches fielen Elsass und Lothringen nach kurzem deutschem »Zwischenspiel«, das von 1940 bis 1945 dauerte, an Frankreich zurück. Das Saarland blieb bis zum 1. Januar 1957 unter französischer Verwaltung und Teil des französischen Wirtschaftsraums. In einer Volksabstimmung wurde die Rückgliederung an Deutschland entschieden.
Eine besonders gravierende Einschränkung der gesellschaftlichen und staatlichen Erneuerung lag in der Zerstörung der Städte. Auf insgesamt 131 deutsche Städte waren Großangriffe aus der Luft geflogen worden, in Berlin allein 29 Mal. Die Zentren großer Städte waren zu etwa vier Fünfteln zerstört, unter ihnen Berlin, Dresden, Hamburg, Hannover, Kassel, Köln, Mainz, Münster und Würzburg. Für einige Städte, z. B. Hannover und Dresden, wurde erwogen, sie an der bisherigen Stelle nicht wieder aufzubauen (vgl. die Dokumentationen zum Bombenkrieg und dem Zerstörungsgrad der Städte bei von Beyme 1987, Groehler 1990, Friedrich 2002). Eine vergleichbar chaotische territoriale und demographische Situation gab es