Schritt 3: Das Ziel
Als Nächstes definieren Sie das Ziel Ihrer Rede und die dafür erforderlichen Kernbotschaften. Hier zählt das nüchterne Abschätzen: Was will ich wirklich und wie sollen die Hörer sich das merken. Einiges dazu lässt sich schon aus der vorgehenden Analyse von Publikum und Erwartungshaltung gewinnen. Wirkliche rhetorische „Wirkungstreffer“ werden aber erst dann gesetzt, wenn die Erwartungshaltung des Publikums schlichtweg übertroffen werden kann. Oder wenn es gelingt, darüber hinaus in Inhalt und Zielsetzung die Überraschungsmomente zu setzen oder die Botschaften zu formulieren, die das Publikum fesseln bzw. für die Rede positiv einnehmen. Hier ist auch Platz dafür, das gesamte inhaltliche Repertoire an Argumentation, Metaphern und rhetorischen Hilfsmitteln zu durchforsten mit dem Ziel: Was kann die Wirkung meiner Kernbotschaften verstärken? Und das ist eine gezielte Vorbereitung doch allemal wert!
Ein Beispiel dafür, wie es schlecht funktioniert, ist – einmal wieder – den Wahlkämpfen für die US-Präsidentschaftswahl entnommen: Im ersten Wahlkampf von Barack Obama im Jahr 2008 war die Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin, die Kandidatin des republikanischen Widersachers John McCain für das Amt des Vizepräsidenten. Als junge, 44-jährige Frau schien sie mit einer stramm konservativen Ausrichtung eine geradezu ideale Ergänzung des politischen Teams der Republikaner für den Wahlkampf. Ihr unkonventioneller Stil (viele Kommentatoren benutzten dazu vornehm den Begriff „loses Mundwerk“) und ihr telegenes Auftreten waren dabei wichtige Pluspunkte. Seriösen Quellen zufolge betrug das Budget für Kleidung, Schminke und Frisur im Wahlkampf unglaubliche 150000 US-Dollar (vgl. Meier, „Palins neue Kleider“, Stern vom 23.8.2008; SZ vom 16./17.4.2016). So weit, so rhetorisch gut!
In TV-Interviews und im TV-Duell mit Obamas Vizekandidaten Joe Biden unterliefen Sarah Palin jedoch wiederholt falsche Aussagen zu Kernbotschaften des Wahlkampfes. So hielt sie Afrika für ein Land – keinen Kontinent; sie konnte nicht die (drei!) Mitgliedsländer der nordamerikanischen Freihandelszone (NAFTA) nennen und antwortete ernsthaft auf die Frage, was sie über Russland wisse, dass man das Land an klaren Tagen von Alaska aus sehen könne. Ihre rhetorischen und inhaltlichen Fehltritte häuften sich. In kürzester Zeit geriet sie aufgrund mangelnder inhaltlicher Vorbereitung zu einem Wahlkampfrisiko für John McCain – der die Wahl gegen Barack Obama dann auch deutlich verlor. Zu guter oder vielmehr schlechter Letzt war sie gern genutzte Zielscheibe von Comedians und Satirikern in den amerikanischen Medien.
Dieses Beispiel spektakulären Scheiterns zeigt eindrucksvoll: Auch wer rhetorisch und persönlich seine Kernbotschaften geradezu ideal verkörpert, kann dies in kürzester Zeit dann ruinieren, wenn die inhaltlichen und argumentativen Äußerungen dazu mangels Vorbereitung und Kenntnis dilettantisch sind und so auch beim Publikum ankommen.
Schritt 4: Inhaltliche Präzision und Prägnanz
Um Ihre Redezeit optimal zu nutzen und Ihre Zielgruppe ohne Umwege zu erreichen, präzisieren Sie bereits vorab die Inhalte Ihrer Rede und verleihen ihnen gezielt Prägnanz mithilfe der geeigneten rhetorischen Mittel. Durch das Wissen um Redezeit, die inhaltliche und argumentative Organisation und die Auswahl der rhetorischen Instrumente gelingen Ihnen wichtige Schritte schon in der Vorbereitung, um die Ziele zu erreichen:
1 Sie vergeuden keine Zeit, weder in der Vorbereitung noch während der Rede.
2 Sie setzen die Eckpunkte für die wichtigsten drei Phasen der Rede: Anfang, Schluss und das, was Sie selbstverständlich an Wichtigem dazwischen unbedingt bringen wollen.
3 Sie erarbeiten gezielt Bilder, Anker und Priming-Begriffe für das assoziative (unbewusste) System 1 und damit für den neurolingualen Kontext der Zuhörer wichtige Überzeugungsschritte, so dass mindestens die Mehrheit dies kollektiv positiv aufnimmt und so auch kollektiv bestärkt.
4 Sie fokussieren sich auf die individualisierten sprachlichen Mittel und Instrumente, die Ihre Zuhörer verstehen und als für sich angemessen empfinden.
Die geglückte Rede eines Gruppenführers der Feuerwehr zum 40-jährigen Dienstjubiläum des Feuerwehrkommandanten sollte
keinerlei Fremdwörter enthalten (die Feuerwehrleute untereinander wohl kaum verwenden), wohl aber Begriffe aus der „Gruppenfachsprache“ einsetzen („Wasser marsch“, „C-Rohr“ o.ä.)
einfache Satzstrukturen verwenden
an gemeinsame Erlebnisse und unvergessliche Feuerwehreinsätze erinnern
zwei populäre Zitate verwenden
mit neurolingualer Intervention die Kernbotschaften ansprechen, die bei jedem Zuhörer zu diesem Anlass unbewusst assoziativ aktiviert sind: sei treu, sei ein Kamerad, sei hilfsbereit, sei ehrlich, sei uneigennützig
im Appell „so ist er“ auch den Zuhörer in der unbewussten Selbstreflexion „so will und so kann ich auch sein“ ansprechen
Klarheit über die Zielgruppe, Erarbeitung der Kernbotschaften, inhaltliche Prägnanz – es ist offensichtlich, dass solche Pluspunkte im wahrsten Sinn „erdacht“ werden müssen. Wer glaubt, er könne intuitiv und aus dem Stegreif so weit kommen, ist erfahrungsgemäß auf dem Holzweg. Am selben Beispiel lassen sich leicht die Folgen einer ungenügenden Vorbereitung demonstrieren.
Die gescheiterte Rede eines Gruppenführers der Feuerwehr zum 40-jährigen Jubiläum des Feuerwehrkommandanten sollte
Fremdwörter enthalten – der Redner will ja seine Bildung heraushängen lassen und den Kameraden zeigen, wie unterbelichtet sie sind
komplizierte, lange Satzstrukturen verwenden, denen kein Zuhörer folgen kann
an zufällig memorierte Erlebnisse erinnern, mangels Vorbereitung aber wichtige und unvergessliche Feuerwehreinsätze nicht erwähnen
keine Zitate verwenden
ohne neurolinguale Intervention zu wenige Kernbotschaften ansprechen und damit die unbewussten Assoziationen der Zuhörer ungenutzt lassen – vielleicht allenfalls: „Hans – du altes Haus, du bist eine ehrliche Haut und dafür mögen wir dich alle!“
im Appell „so ist er“ verharren und die Zuhörer nicht weiter in der unbewussten Selbstreflexion ansprechen
Was läuft hier falsch? Der Redner vernachlässigt, was die Hörer erfahren wollen; die Kernbotschaften entfallen oder werden auf unverbindliche Belanglosigkeiten reduziert. Genauso ist es mit der inhaltlichen Prägnanz, die der routinierten Plattitüde weichen muss. Dies ist auch für den Zuhörer erfahrungsgemäß erkennbar – der Hörer „spürt“ geradezu, ob ein Redner vorbereitet ist oder ob er das Risiko der Improvisation eingegangen