Gravitation und Sonnenstrahlung treiben den Wasserkreislauf an.
Grundzüge des globalen Wasserkreislaufs
Die kleinen prozentualen Anteile des nutzbaren Süßwassers machen deutlich, dass diese sehr schnell erschöpft wären, wenn sie sich nicht ständig durch den Wasserkreislauf der Erde erneuern würden. Die wichtigsten Prozesse des globalen Wasserkreislaufs sind die Verdunstung, der atmosphärische Wassertransport, der Niederschlag sowie der oberirdische und unterirdische Abfluss (Abb. 3-1). Die treibenden Kräfte für dieses Transportsystem sind einerseits die Sonnenstrahlung für die Verdunstung und die Gravitation für den Niederschlag und Abfluss. Bei der Verdunstung von Meerwasser bleiben die gelösten Inhaltsstoffe im Meer zurück. Das verdunstende Wasser wird dadurch salzfrei. Der resultierenden Erhöhung der Salzkonzentration in den Weltmeeren wirkt der Zustrom von Süßwasser über die Flüsse entgegen.
In Abb. 3-1 sind die wichtigsten Prozesse und die mittleren jährlichen Flüsse des globalen Wasserkreislaufs dargestellt und in Millimetern pro Jahr angegeben. Global betrachtet ist die Verdunstung gleich dem Niederschlag.
Die Verdunstung über dem Meer ist größer als der Niederschlag, während diese Verhältnisse auf dem Festland genau umgekehrt sind. Dies ist darauf zurückzuführen, dass ein entsprechender atmosphärischer Wasserdampftransport vom Meer zum Land stattfindet, wobei bei den Zahlenangaben zu beachten ist, dass die Meeresoberfläche ca. das 2,46-fache der Landoberfläche beträgt. Der Wasserüberschuss des Festlands wird durch den ober- und unterirdischen Abfluss wieder ausgeglichen.
Abb. 3-1 | Der Wasserkreislauf der Erde schematisch; alle Angaben der Flüsse in mm/Jahr (nach Korzun 1978 und Oki et al. 2005).
Der Unterschied der Verdunstung über Meer und Festland ist damit zu erklären, dass über dem Meer permanent Wasser verfügbar ist, während die Verdunstung über dem Festland v.a. von einem zeitlich und räumlich stark schwankenden Bodenwasservorrat abhängt (→ Kap. 7). Die Verdunstung von den Wasseroberflächen des Festlands beträgt wegen des geringen Anteils der Wasserflächen nur etwa 1 % der Gesamtverdunstung. Für das Festland maßgeblicher ist die Verdunstung über belebten und unbelebten Oberflächen, wobei drei verschiedene Komponenten unterschieden werden (Abb. 3-1):
▶Die Transpiration der Pflanzen entspricht global betrachtet mit ca. 40 % in etwa der Evaporation unbelebter Oberflächen, zu denen an erster Stelle unbewachsene Boden- und Schneeoberflächen sowie bebaute Oberflächen gehören.
▶Die Interzeption ist die Verdunstung von Niederschlagswasser, das durch Benetzung bzw. Ablagerung von Schnee an Pflanzenoberflächen zurückgehalten worden ist. Die Aufteilung der Verdunstung in diese verschiedenen Prozesse ist räumlich und zeitlich sehr variabel und wird stark durch die Wasserverfügbarkeit, die Vegetation, die Bodeneigenschaften und das Klima bestimmt (→ Kap. 7).
Die Verweilzeit charakterisiert die Aufenthaltsdauer von Wasser in einem Speicher.
Charakteristische Verweilzeiten des Wassers
Das Wasser ist prinzipiell zwei Grundvorgängen unterworfen, in die sich alle hydrologischen Prozesse einteilen lassen, nämlich dem Transport und der Speicherung. Langfristig gesehen ist alles Wasser, das am Wasserkreislauf beteiligt ist, in Bewegung. Zwischenzeitlich wird ein Teil davon über eine mehr oder weniger lange Zeit in den einzelnen Speichersystemen festgehalten. So ist z.B. Bodenwasser kurzfristig gespeichertes Wasser, das über kurz oder lang durch Verdunstung, lateralen Abstrom oder Tiefenversickerung wieder am Wasserkreislauf teilnimmt. Auch Grundwasser, das über Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte im tiefen Untergrund verweilt, wird irgendwann wieder in den aktiven Wasserkreislauf einbezogen. Die Dauer des Aufenthalts in einem Speichersystem, die als Verweilzeit bezeichnet wird, ist ein wichtiges Charakteristikum von Speichervorgängen.
Sind das Wasservolumen in einem hydrologischen Speicher und seine Zuflüsse oder Ausflüsse, d.h. der Wasserdurchsatz durch den Speicher bekannt, so kann die mittlere Verweilzeit berechnet werden:
In der letzten Spalte von Tab. 3-1 sind die mittleren Verweilzeiten der hydrologischen Speicher der Erde angegeben. Ist der Durchfluss groß im Vergleich zum Speichervolumen, wie es z.B. bei Fließgewässern der Fall ist, ist die Verweilzeit gering. In diesen Systemen wird sich eine Verschmutzung oder eine Änderung im Zufluss sehr schnell bemerkbar machen. Deshalb besitzen diese Systeme eine hohe Vulnerabilität. Andererseits regenerieren sich solche Systeme auch rasch wieder, was z.B. nach den starken Verschmutzungen der Flüsse in den Industrienationen zu beobachten war, die sich durch den Bau von Kläranlagen und andere Maßnahmen in den letzten Jahrzehnten relativ schnell wieder erholt haben. Hat ein System jedoch eine hohe Verweilzeit, wie z.B. das Grundwasser, reagiert es sehr träge. Wird Grundwasser über längere Zeit übernutzt und somit nicht nachhaltig bewirtschaftet, weil die Entnahme größer ist als der Zufluss und dadurch die Speicherung spürbar zurückgeht, wird es längere Zeit dauern, bis sich die alten Füllstände wieder einstellen. Ähnliches gilt für Verschmutzungen, da die jährliche Grundwasserneubildung meist klein im Vergleich zum Grundwasservorrat ist. Aus diesem Grund macht sich kontaminiertes Sickerwasser nur langsam durch eine Konzentrationserhöhung im Grundwasserleiter bemerkbar.
Merksatz: Die Verweilzeiten der hydrologischen Speicher beeinflussen direkt die Vulnerabilität der Systeme.
Die angegebenen Verweilzeiten sind Mittelwerte, die je nach Region und Charakteristik des lokalen Systems sehr stark variieren. So wird die mittlere Verweilzeit des Wassers in Alpengletschern auf etwa 200 Jahre geschätzt, während sie im zentralen Teil des antarktischen Inlandeises bis zu 200 000 Jahre beträgt. Bei der Interpretation einer mittleren Verweilzeit muss beachtet werden, dass ein Teil des Wassers den Speicher sehr schnell passieren kann und ein anderer Teil sehr viel länger im System verbleibt, was durch die Verweilzeitenverteilung beschrieben wird (→ Kap. 16).
3.2 | Strahlung als Hauptantrieb des Wasserkreislaufs
Um die regionalen Unterschiede des globalen Wasserkreislaufs verstehen zu können, ist ein Blick auf die meteorologischen Ursachen und die räumlich differenzierte Ausprägung des Klimas unverzichtbar. Dabei ist die vom Breitengrad abhängige Verfügbarkeit an Energie ebenso maßgeblich wie die Verteilung von Land und Meer, der Einfluss warmer und kalter Meeresströmungen, die Verteilung von Tiefländern und Gebirgen sowie der großräumige Transport von Lufteigenschaften im Zirkulationssystem der Atmosphäre.
Strahlungskomponenten an der Erdoberfläche
Die Sonnenstrahlung liefert die Energie für den Wasserkreislauf auf der Erde, wobei die mittlere solare Einstrahlung am oberen Rand der Atmosphäre 342 W/m2 beträgt. Etwas mehr als 40 % davon werden in der Atmosphäre reflektiert oder adsorbiert, sodass knapp 60 % als Globalstrahlung die Erdoberfläche erreichen. Diese Schwächung beim Durchgang durch ein durchlässiges Medium, die auch als Extinktion bezeichnet wird, wird durch das Bouguer-Lambert-Beer-Gesetz beschrieben. Die Globalstrahlung setzt sich aus der direkten Sonnenstrahlung, die unbeeinflusst bis zur Erdoberfläche gelangt, und der diffusen Himmelsstrahlung zusammen, die an den Luftmolekülen in Richtung Erdoberfläche gestreut wird. Ca. 50 % der Globalstrahlung wird an der Landoberfläche absorbiert und 10 % wird reflektiert. Der adsorbierte Teil wird in Wärme umgewandelt.
Die Globalstrahlung ist eine von mehreren Komponenten des Strahlungshaushalts der Erdoberfläche. Für das Verständnis weiterer