Vor allem in ariden Regionen sind der Aufstieg und der Niedergang von Kulturen oft direkt mit der Produktivität der Landwirtschaft, und damit mit der Bewässerung (→ Kap. 22) verbunden. Typische Beispiele dafür sind Mesopotamien im heutigen Irak und Iran sowie der Jemen. In Mesopotamien wurde Wasser in unterirdischen Kanälen, den sogenannten Qanaten, über viele Kilometer aus den Bergen in die Wüstenregionen transportiert.
Abb. 1-2 | Der Pont du Gard in Südfrankreich, ein von den Römern erbautes Aquädukt (Foto: Wikicommons).
Ein Beispiel der Verknüpfung von Wasserbau und nationalem Wohlstand ist der Ma‘rib-Damm im Jemen, dessen Überreste heute noch zu besichtigen sind. Mit dem Bau des Erddamms wurde ca. 1700 v. Chr. begonnen. Zur Zeit der Königin von Saba wurden mit dem Wasser des 14 m hohen Damms 100 km2 bewässert. Der erste größere Bruch des Damms ca. 145 n. Chr. führte zu einer verheerenden Flut. In der Folge wurde der Damm immer wieder repariert. Der endgültige Zusammenbruch erfolgte um 500 n. Chr. und führte zum Niedergang der Bewässerungslandwirtschaft und damit des ganzen Reichs.
Weiterführende Literatur
Biswas, A. K. (1970): History of Hydrology. Amsterdam/New York.
Deutsche Wasserhistorische Gesellschaft. URL: http://www.dwhg-ev.com/ (Stand: 29.06.2015).
Garbrecht, G. (1996): Geschichte der Hydrologie. In: Baumgartner, A. und H.-J. Liebscher (Hrsg.): Lehrbuch der Hydrologie. 1. Band. Allgemeine Hydrologie. Quantitative Hydrologie. Stuttgart, S. 11–70.
| 2Wasser als Stoff
Martin Jekel, Andreas Grohmann
Inhalt
2.2 Wasser als polares Molekül – Wasserstoffbrückenbindungen
2.3 Physikalische Eigenschaften
Wasser besitzt einzigartige Eigenschaften und ist für alle biologischen und ökologischen Vorgänge unverzichtbar. Sein molekularer Aufbau mit gewinkelten Bindungen zwischen Sauerstoff- und Wasserstoffatomen ist von zentraler Bedeutung für die Ausbildung von Wasserstoffbrückenbindungen. Alle physikalischen und chemischen Prozesse mit Wassermolekülen beruhen darauf und sind ungewöhnlich im Vergleich mit ähnlichen Molekülen.
2.1 | Molekularer Aufbau
Wasser (H2O) ist die bei Weitem wichtigste binäre, aus Atomen zweier Elemente bestehende Verbindung. Sie entsteht aus der Vereinigung der Elemente Wasserstoff mit dem Elementsymbol H (gr.-lat. hydrogenium, «Wasserbildner») und Sauerstoff mit dem Elementsymbol O (gr.-lat. oxygenium, «Säurebildner»). Der Grundzustand der Elemente ist jeweils das zweiatomige Molekül H2 bzw. O2. Namen im Rahmen der wissenschaftlichen Nomenklatur sind Dihydrogenoxid und Oxidan.
Wasser besitzt einzigartige physikalische und chemische Eigenschaften und ist für alle biologischen und ökologischen Vorgänge unverzichtbar. Diese Eigenschaften bedingen seine Rolle als Träger des Lebens und machen Wasser zum Ausgangspunkt einer Vielzahl von Wechselbeziehungen, die unseren blauen Planeten prägen. Die besonderen Eigenschaften des Wassers gründen in der Struktur des Wassermoleküls und in der Art der in ihm zwischen Sauerstoff- und Wasserstoffatomen geknüpften kovalenten Bindungen.
Das Element Wasserstoff findet sich in der 1. Hauptgruppe des Periodensystems bzw. der 1. Gruppe und der 1. Periode mit der Ordnungszahl 1, das Element Sauerstoff in der 6. Hauptgruppe, bzw. der 16. Gruppe und der 2. Periode mit der Ordnungszahl 8. Ein Wasserstoffatom mit dem Symbol H weist ein Elektron in seiner Elektronenhülle auf und ein Sauerstoffatom O acht Elektronen, davon sind sechs an Bindungen beteiligt. Die Elektronenkonfiguration des Wasserstoffatoms im Grundzustand wird als 1s1 notiert, diejenige des Sauerstoffatoms als 1s2 2s2 2p4. Die führenden Ziffern in dieser Notation sind die Hauptquantenzahlen der Elektronenhülle, die Kleinbuchstaben sind aus der Spektroskopie abgeleitete Bezeichnungen der besetzten Atomorbitale, und die Exponenten geben die Elektronenanzahl in den jeweiligen Atomorbitalen an. Die in diesen Orbitalen befindlichen Elektronen werden als Valenzelektronen bezeichnet.
Abb. 2-1 | Zwei Darstellungen der räumlichen Anordnung der Atome und freien Elektronenpaare im H2O- Molekül. Der angegebene Bindungswinkel ist der für die Gasphase bestimmte Wert (nach Grohmann et al. 2011).
Das Wassermolekül hat die Form eines Tetraeders.
Die Verknüpfung von Atomen zu Verbindungen, wie z.B. die Bildung von Wasser (H2O) aus einem Atom Sauerstoff und zwei Atomen Wasserstoff, befriedigt in der Regel das Bestreben der Atome, besonders stabile Elektronenkonfigurationen zu erlangen. Aus diesen Betrachtungen ergibt sich, warum die Summenformel für das Wassermolekül H2O lautet, sich also bei der Bildung von Wasser aus den Elementen genau zwei Wasserstoffatome mit einem Sauerstoffatom unter Ausbildung zweier kovalenter Bindungen verknüpfen. Im Zuge der Reaktion steuern zwei Wasserstoffatome je ein Valenzelektron und das Sauerstoffatom sechs Valenzelektronen bei.
Von zentraler Bedeutung für die Eigenschaften des Wassers ist der gewinkelte Bau des H2O-Moleküls, d.h., die Anordnung der Atome HOH ist nicht linear. Der von den beiden Verbindungslinien O–H eingeschlossene Winkel beträgt 105 ± 0,5°. Dieser Wert variiert leicht, je nachdem, ob das Wassermolekül isoliert oder von anderen Wassermolekülen umgeben betrachtet wird. Projiziert man das Wassermolekül so in einen Tetraeder, dass das Sauerstoffatom im Schwerpunkt liegt, zeigen die beiden O–H-Bindungen in zwei Ecken des Tetraeders, und die beiden freien Elektronenpaare weisen in Richtung der beiden verbleibenden Ecken. In einem regelmäßigen Tetraeder beträgt der von je zwei Verbindungslinien eingeschlossene Winkel 109° 28‘. Im Wassermolekül in der Gasphase ist der Winkel HOH auf 104° 28‘ verkleinert (→ Abb. 2-1).
2.2 | Wasser als polares Molekül – Wasserstoffbrückenbindungen
Im Wassermolekül sind die bindenden Elektronen nicht gleichmäßig zwischen dem O-Atom und den H-Atomen verteilt. Die Fähigkeit von Atomen, in kovalenten Bindungen die Bindungselektronen zu sich zu ziehen, wird als Elektronegativität (EN) bezeichnet. Sauerstoff besitzt eine im Vergleich zu Wasserstoff erheblich größere Elektronegativität. Am Sauerstoffatom befindet sich eine negative Partialladung (2 δ–) und an jedem Wasserstoffatom eine jeweils halb so große positive Partialladung (δ+). Wegen des gewinkelten Baus des Wassermoleküls fallen die Ladungsschwerpunkte nicht zusammen. Das Molekül ist folglich ein elektrischer Dipol (→ Abb. 2-2).
Wegen des stark polaren Charakters der O–H-Bindungen kann aus dem Wassermolekül relativ leicht ein Proton (H+) abgespalten werden, das sich an ein anderes Wassermolekül anlagert, wodurch ein Hydroxid-Anion (OH–) zurückbleibt. Dies ist von grundlegender Bedeutung für Säure-Base-Reaktionen in wässriger Lösung. Diese Eigendissoziation des Wassers ist daher wie folgt zu beschreiben:
Wasser ist ein elektrischer Dipol. Dies beeinflusst maßgeblich seine Eigenschaften.