Entsprechend der Planck-Funktion steigt mit zunehmender Temperatur die Strahlung bei allen Wellenlängen, die Kurven in Abbildung 2.10 schneiden sich nicht. Die solare Strahlung ist in ihrem Maximum bei rund 0,5 μm mehr als drei Millionen mal so stark wie die von der Erde emittierte Strahlung in ihrem Maximum bei rund 10 μm. Wie kommt es also, dass in der Meteorologie – und damit auch in der Satellitenmeteorologie – der solare und der terrestrische Spektralbereich getrennt behandelt werden können, dass die Strahlungsflussdichten in beiden Bereichen ähnliche Größen aufweisen?
Aufgrund der großen Entfernung der Sonne hat deren Strahlung an der Erde einen Raumwinkel von nur 6,8 • 10–5 sr. Erst durch die Streu- und Reflexionsprozesse in der Atmosphäre und am Boden wird sie auf den ganzen Halbraum verteilt. Dagegen wird die terrestrische Strahlung von den Bestandteilen der Erde gleich in den ganzen Halbraum emittiert. Durch diese Unterschiede der Raumwinkel werden die nach dem Planckschen Gesetz gegebenen Unterschiede der Strahldichten für die Wellenlängen entsprechend stark reduziert, wenn die Strahlungsfelder an der Erde betrachtet werden. Für die Satellitenmeteorologie ist weiter zu berücksichtigen, dass die solare Strahlung, die von der Erde kommend einen Satelliten erreicht, durch die Reflexion am Boden und die Streuung in der Atmosphäre gegenüber der einfallenden Strahlung reduziert wurde.
Abb. 2.12
Am Oberrand der Erdatmosphäre nach oben gerichtete Strahlungsflussdichten. Die linken Kurven zeigen die solare Strahlung bei 10 % und 25 % Reflexion im System Boden-Atmosphäre, und die rechten Kurven zeigen die terrestrische Strahlung, emittiert von einem Schwarzkörper bei verschiedenen Temperaturen im Variationsbereich der Erde.
Abbildung 2.12 zeigt am Oberrand der Atmosphäre nach oben gerichtete spektrale Werte von solaren und terrestrischen Strahlungsflussdichten. Die Werte bei den kleinen Wellenlängen gelten für Strahlung, die von einer senkrecht stehenden Sonne stammt, berechnet als Schwarzkörper mit einer Temperatur von 5800 K, und die durch die Prozesse am Boden und in der Atmosphäre auf 10 % (untere Kurve) beziehungsweise auf 25 % (obere Kurve) reduziert wurde, also in Größenordnungen, wie sie sich aus den Prozessen in der Atmosphäre ergeben. Die Werte bei den größeren Wellenlängen gelten für die Erde, als Schwarzkörper mit Emissionsvermögen 1, und drei Temperaturen, rund –23 °C (250 K, blau), –3 °C (270 K, grün) und +27 °C (300 K, rot). Es zeigt sich, dass die Bereiche der Strahlung von Sonne und Erde in der Erdatmosphäre deutlich getrennt sind. So ist es möglich, von einem solaren und einem terrestrischen Spektralbereich zu sprechen. Überlappung gibt es nur in einem schmalen Spektralbereich bei rund 4 μm. In diesem Bereich, der seit einiger Zeit auch für die Satellitenmeteorologie genutzt wird, müssen bei der Invertierung Photonen von beiden Quellen berücksichtigt werden.
Trotz des starken Anstiegs der Strahlung mit der Temperatur ist bei Messungen vom Satelliten aus nach unten die Strahlung, die von der heißen Sonne stammt, und die, die von der vergleichsweise kalten Erde emittiert wird, in der gleichen Größenordnung – weil die Sonne so weit weg ist. Damit können solarer und terrestrischer Spektralbereich getrennt gemessen und modelliert werden.
In Abbildung 2.12 ist nicht nur zu erkennen, dass ein solarer und ein terrestrischer Spektralbereich getrennt werden können, sondern weiter, dass die Werte der Strahlung im solaren Bereich durchaus in der Nähe der Werte der Strahlung im terrestrischen Bereich liegen, aber etwas höher sind. Das führt in der Praxis dazu, dass von einem Radiometer mit gleicher Empfangsoptik für beide Spektralbereiche die beobachteten Pixel im terrestrischen Bereich üblicherweise größer gewählt werden als die im solaren Bereich (z. B. Meteosat im Subsatellitenpunkt: VIS 1,0 km, IR 2,5 km), um die spektralen Strahlungsunterschiede auszugleichen und ähnliche Werte der an den Detektoren verfügbaren Energie zu erhalten (Kap. 4.3.2).
2.3.1 Strahlung von der Sonne
Die im solaren Spektralbereich zu messende Strahlung stammt von der Sonne; die von der Erde emittierte Strahlung ist demgegenüber zu vernachlässigen. Diese solare Strahlung wird von den Prozessen in der Atmosphäre und am Boden der Erde modifiziert. Das bedeutet, dass zur Interpretation von Fernerkundungsmessungen im solaren Spektralbereich die Werte der am Oberrand der Atmosphäre eintreffenden Strahlung, die „extraterrestrische solare Strahlung“, Berücksichtigung finden müssen. Dies gilt sowohl für den spektralen Aspekt als auch für die absolute Intensität. Die absolute über die Wellenlängen integrierte Intensität der solaren Strahlung am Oberrand der Erdatmosphäre – die „Solarkonstante“ (Total Solar Irradiance, TSI) – beträgt im Mittel rund 1365 W/m2 (Abb. 2.13).
Abb. 2.13
Variation der Solarkonstanten im Laufe der Jahre, bestimmt mittels Satellitenmessungen (nach Kopp, 18.10. 2011).
Im Laufe eines Jahres variiert die solare Bestrahlung der Erde etwas, da die Bahn der Erde um die Sonne kein exakter Kreis ist. Der mittlere Wert, wie er als Solarkonstante angegeben wird, gilt für den 4. April und 5. Oktober. Im Nordsommer vergrößert sich der Abstand zwischen Erde und Sonne, mit der Konsequenz, dass die Bestrahlung der Erde durch die Sonne Anfang Juli 3,3 % kleiner ist als im Mittel. Umgekehrt ist im Nordwinter die solare Strahlung gegenüber dem Mittelwert erhöht, und zwar bis zu +3,3 % Anfang Januar.
Die spektrale Zusammensetzung der Strahlung der Sonne wird durch deren Abstand natürlich nicht modifiziert. Sie entspricht im Mittel der eines Schwarzkörpers von rund 5800 K, mit einem Maximum bei rund 500 nm. Bei genauerer Betrachtung des Spektrums (Abb. 2.11) ist eine feine Struktur zu erkennen, mit stark unterschiedlicher Strahlung in eng benachbarten Wellenlängen. Da sich diese Strukturen in einer Abbildung wie Linien darstellen, werden sie als solche bezeichnet und nach ihrem Entdecker „Fraunhofer-Linien“ genannt. Sie entstehen durch Absorptionsprozesse in der Photosphäre der Sonne. Bei der Modellierung bzw. Interpretation von spektral hoch aufgelösten Messungen müssen diese Linien berücksichtigt werden. Da die Wellenlängen der einzelnen Linien sehr genau bekannt sind, können sie andererseits genutzt werden, um ein gemessenes Spektrum bezüglich der Wellenlänge zu kalibrieren.
Bei genauer Betrachtung der extraterrestrischen solaren Strahlungsflussdichte über einen längeren Zeitraum wird deutlich, dass diese – obwohl sie als Solar-„konstante“ bezeichnet wird – nicht wirklich konstant ist. Abbildung 2.13 zeigt ihre Variation während der letzten 30 Jahre, die aus hochwertigen Messungen mittels Satelliten, und damit ohne störende Einflüsse der Erdatmosphäre, bestimmt wurde. Dabei sind Messungen von verschiedenen Instrumenten zusammengeführt worden, die in der Abbildung durch die Farbe unterschieden werden. Weiter ist die Zahl der Sonnenflecken mit Monatsmittelwerten angegeben. Es ergibt sich der genannte mittlere Wert der Solarkonstanten von rund 1365 W/m2, dem jedoch eine Variation im 11-jährigen Sonnenfleckenzyklus überlagert ist. Weiter sind stärkere, kurzzeitige Schwankungen zu erkennen, die von Tag zu Tag mehr als 2 W/m2 ausmachen können.
Neuere Untersuchungen, mit Radiometern bei denen das Streulicht im Messgerät noch weiter reduziert wurde, ergeben – wie in Abbildung 2.13 für ACRIM III, TIM und PREMOS ab dem Jahr 2000 zu sehen – einen kleineren Wert der Solarkonstanten von rund 1361 W/m2 (Kopp and Lean, 2011). Diese Reduzierung um rund 4 W/m2 gegenüber dem derzeit gebräuchlichen Wert der Solarkonstanten – der nach der seit 1977 geltenden Referenz-Skala für Sonnenstrahlung (WRR) immer noch gültig ist – hätte gewisse Konsequenzen für die absoluten Werte der Energiebilanz der Erde. Der absolute Wert der Solarkonstanten ist aber weniger relevant für Klimaänderungsuntersuchungen, bei denen es auf die relative zeitliche Variation ankommt. Weiter zeigt sich bei Umrechnung in eine %uale Abweichung, dass die in Abbildung 2.13 gezeigten Unterschiede zwischen der seit 2000 gemessenen solaren Strahlungsflussdichte und dem vorherigen Wert weniger als 0,3 % ausmachen und dass die kurzzeitlichen Schwankungen sogar nur rund 0,1 % der Solarkonstante betragen. Damit können diese Unsicherheiten bei satellitenmeteorologischen Untersuchungen generell vernachlässigt werden.