Zu Beginn des 19. Jahrhunderts verloren die Zünfte ihre Macht und wurden aufgelöst. Es herrschte Gewerbefreiheit, so dass jeder seinen Beruf frei wählen konnte.
VOM BÄCKERHANDWERK ZUR „BACKINDUSTRIE“
Das Bäckerhandwerk war anstrengend und kräfteraubend. Über Jahrhunderte hinweg haben Bäcker auf ihre altbewährte Art und Weise Brot gebacken. Arbeitserleichterungen durch Maschinen gab es in Österreich erst nach dem Zweiten Weltkrieg.
Das meiste Brot, das in Supermärkten oder auch in großen Bäckereiketten erhältlich ist, wird heute industriell hergestellt und enthält eine Reihe von künstlichen Zusatzstoffen. Diese sorgen für resches und doch saftiges Brot. Konservierungsstoffe machen das Brot länger haltbar. Oftmals wird gar kein Sauerteig zum Backen verwendet. Sauerteig würde das Brot bekömmlicher machen, braucht aber viel Zeit zum Reifen, und diese Zeit gibt man dem Brot in der „Massenherstellung“ nicht.
Wenn Sie auf all diese künstlichen Zusatzstoffe, Konservierungsstoffe usw. verzichten wollen, wenn Sie wirklich gutes, bekömmliches und gesundes Brot haben wollen, backen Sie es selbst! Und zwar mit Sauerteig, wie es in diesem Buch beschrieben wird.
DAS WICHTIGSTE ZUERST:
Mehl
UNSER TÄGLICHES BROT IST EINES UNSERER GRUNDNAHRUNGSMITTEL. UND DABEI BESTEHT ES AUS WENIGEN GRUNDZUTATEN: MEHL, WASSER, SALZ UND TRIEBMITTEL, ALSO HEFE BZW. IN UNSEREM FALL SAUERTEIG.
Auf Wasser und Salz müssen wir an dieser Stelle nicht eingehen, aber zum Mehl und vor allem zum Sauerteig gibt es viele Informationen, die ich Ihnen in den nächsten Kapiteln detailliert näherbringen möchte. Zunächst geht es um die Hauptzutat: das Mehl.
Und dann soll hier auch kurz auf den Mahlvorgang eingegangen werden und warum es verschiedene Mehltypen und Feinheitsgrade gibt.
VOM GETREIDEKORN ZUM MEHL
Das Getreidekorn wird mit dem Einsetzen der Totreife am Feld geerntet. Meist bringen die Landwirte ihre Getreideernte zu Händlern, die das Getreide je nach Qualität einstufen (z. B. bei Weizen Premiumweizen, Qualitätsweizen, Mahlweizen, Futterweizen) und in geeigneter Form einlagern.
Das Getreide wird dann von Müllern bei den Händlern nach Bedarf bestellt; je nach Erntejahr kann es einen Überschuss oder einen Mangel an den verschiedenen Getreidequalitäten geben. Das spiegelt sich dann auch im Preis wider.
VOR DEM MAHLEN
Müller bestellen beim Händler oder fallweise auch direkt beim Landwirt Getreide, das vor äußeren Witterungseinflüssen geschützt angeliefert wird. Vor der Annahme werden verschiedene Parameter wie z. B. Qualität, Lagerfähigkeit, eventuelle Fremdbestandteile sowie Insektenbefall geprüft. Nach der Annahme wird das Getreide grob gereinigt, es werden Staub, Stroh, Spelzen usw. entfernt, das gereinigte Getreide wird eingelagert.
WEIZEN IST NACH MAIS UND REIS DAS AM DRITTHÄUFIGSTEN ANGEBAUTE GETREIDE WELTWEIT.
ROGGEN KANN IM GEGENSATZ ZU WEIZEN TROTZ RAUEM KLIMA AUCH IN HÖHEREN LAGEN ANGEBAUT WERDEN.
In genau festgelegten Intervallen werden später weitere Parameter kontrolliert, welche die Backfähigkeit beeinflussen (Fallzahl, Extensogramm, Feuchtklebergehalt etc.), und das Mehl wird auf Rückstände bzw. Kontaminaten (Pestizide, Mykotoxine, Schwermetalle etc.) überprüft.
Wenn die genannten Parameter den festgelegten Anforderungen entsprechen, werden vom lagernden Mühlengetreide passende Mischungen erstellt, die nach peniblen Reinigungsvorgängen (Entfernen von Fremdsämereien, Steinen, schlecht entwickelten Getreidekörnern, Staub etc.) und darauffolgender Netzung zur Vermahlung gelangen. Netzen nennt man das Anfeuchten von Getreide, um die Schalen der Getreidekörner für die Vermahlung in möglichst zähen Zustand zu versetzen, da in weißem Mehl keine Kleieteilchen (Stippen) enthalten sein sollen.
VERMAHLUNG & FEINHEITSGRAD
Nach der Netzung passiert das Getreide den ersten sogenannten Walzenstuhl. Diese Maschine besteht grob beschrieben aus zwei gegeneinander laufenden Stahlwalzen, die eine Perforierung aufweisen und in unterschiedlicher Geschwindigkeit angetrieben werden. Dadurch wird das Getreide zwischen die Walzen gezogen und aufgebrochen. Nach diesem Schritt wird das erzeugte Mahlgut in sogenannten Sichtern erstmals in Schrot-, Grieß- und auch schon Mehlfraktionen aufgeteilt. Sichter kann man sich wie schwingende Kästen vorstellen, in denen sich unterschiedlich grobe oder feine Siebe befinden.
Schrote werden fast ausnahmslos weiter zu Grieß und Mehl vermahlen. Mehle können mit unterschiedlichstem Feinheitsgrad „gezogen“, also aus dem Mahlprozess entnommen werden. Je nach Feinheitsgrad unterscheidet man in Österreich z. B. zwischen glattem und griffigem Mehl. Das glatte ist sehr fein vermahlenen und hat eine geringe Korngröße, das griffige ist etwas gröber vermahlen. Als dritter Feinheitsgrad liegt das Universal-Mehl von der Korngröße zwischen den beiden.
Der Vorgang von Vermahlung und Absiebung wiederholt sich je nach Bauart der Mühle ungefähr zwanzigmal. Was neben den erzeugten Grießen und Mehlen übrig bleibt, ist die Schale, die sogenannte Kleie. Diese findet zumeist als Futtermittel Verwendung.
DAS
Getreidekorn
IM ANSCHNITT MIT ERKLÄRUNG
WEIZENKORN
ROGGENKORN
VORDEPOT EINES SCHROTWALZENSTUHLS (OBEN) BZW. EINES GRIESSWALZENSTUHLS: DAS GETREIDE WIRD SO LANGE GEMAHLEN, BIS DIE SCHALE/KLEIE SAUBER VOM MEHLKÖRPER GETRENNT IST.
DAS GETREIDE WIRD AUF WALZENSTÜHLEN VERMAHLEN, HIER DER GESAMTE „WALZENBODEN“, ALSO ALLE WALZENSTÜHLE, DER FARINA-MÜHLE.
Bei unserem Besuch in der Farina-Mühle in Raaba haben wir Einblick in die interessante Welt der Mehlherstellung gewonnen. Viele unterschiedliche Maschinen und Arbeitsschritte sind nötig, um die verschiedenen Mehltypen zu erhalten!
AUSZUGS- UND TEILAUSZUGSMEHLE