Gol. Friedrich Schmidt-Roscher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Friedrich Schmidt-Roscher
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783939434245
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das Tor abgeschlossen. Manchmal trinken wir noch ein Bier nach dem Training.“

      Die Kommissarin drückte auf Stopp und steckte das Gerät in den Rucksack. „Geben Sie bitte Ihren Namen und Ihre Adresse Hauptkommissar Duarte, der dort hinten steht. Wir brauchen natürlich auch Namen und Telefonnummern des Vereinspräsidenten sowie der verantwortlichen Trainer. Und die Namen der Spieler.“

      „Sie meinen alle Spieler?“

      „Geben Sie uns die Liste der Spieler! Wie viele Personen sind das?“

      Rossi zuckte mit den Schultern. Dann musste das Duarte mit dem Präsidenten des Vereins klären. Inzwischen stand neben dem grünen Rasen ein grauer Plastiksarg. Die Spurensicherung hatte ihre Arbeit noch nicht beendet. Die beiden Männer, die die Leiche in die Pathologie transportieren sollten, standen hinter dem Tor und rauchten eine Zigarette.

      Warum lag die blonde Frau mitten auf den Fußballplatz? Spielte sie Futbol oder war sie mit einem Fußballer liiert? War das eine Botschaft für die Fußballweltmeisterschaft, die in zwei Wochen begann?

      João Russo stellte sich neben Gil und schob die weiße Kapuze zurück. „So eine Leiche habe ich noch nie gesehen. Sie wurde richtig auf den Rasen drapiert.“

      „Habt ihr Spuren gefunden?“

      Russo schüttelte den Kopf. „Nichts. Es gibt keine Schleifspuren. Der Rasen wurde erst vorgestern gemäht und ist ziemlich kurz. Ich konnte nirgends Fußabdrücke identifizieren. Zu trockenes Wetter und zu kurzer Rasen. In der Hose der Toten waren nur ein altes Taschentuch und etwas Kleingeld. Keine Papiere.“

      „Was macht dein Kollege am Zaun?“

      „Der prüft nach, an welcher Stelle die Täter auf das Gelände gekommen sind. Hoffentlich findet er Spuren, die uns weiterhelfen.“ João Russo rieb sich seinen Fünftagebart. „Was machst du eigentlich hier? Bist du nicht zu dieser Spezialeinheit versetzt worden?“

      Gil nickte. „Heute ist mein letzter Arbeitstag. Zum Abschied eine Frauenleiche. Ab Montag bin ich bei Gol, um im Dienste der brasilianischen Regierung zu helfen, dass wir in der Weltöffentlichkeit ein gutes Bild abgeben. Gol São Paulo – klingt doch gut oder?“

      Russo lachte. „Du machst Karriere und ich muss hier versauern.“ Leise sagte er: „Ich werde dich vermissen. Wie soll ich das ohne dich mit Sabão aushalten?“

      „Seid ihr bald fertig hier?“ Die Stimme des Chefs war nicht zu überhören. „Vielleicht lädt die schöne Kommissarin uns alle zum Abschied zu einem Aperitif in einer Bar ein?“

      Gil hätte gerne gesagt, da kannst du lange darauf warten. Aber sie schwieg. Das war sicher das Beste an ihrem Stellenwechsel, dass ihr dieser Chef erspart blieb. Nun roch sie das aufdringliche Parfüm von Sabão, der Seife, wie Duarte von allen heimlich genannt wurde. Sabão stand dicht hinter ihr und legte seine Hand auf ihre Schulter. Sie schüttelte ihn ab wie eine lästige Fliege und lief über den Rasen zur toten blonden Frau. Sie brauchte frische Luft. João hatte Recht. Das Opfer war auf dem Rasen drapiert worden.

      So leicht ließ sich Duarte nicht abschütteln. Sie konnte sein Parfüm schon wieder riechen. Er betrachtete den Körper der Toten. „Schade, dass sie tot ist. Die Kleidung sieht billig aus. Hoffentlich meldet sich jemand, der das Mädchen kennt.“

      Mit langsamen Schritten betrat Emilio Lappa das Spielfeld. Wie immer trug er einen dunklen Anzug mit einer Fliege. Ein weiteres Markenzeichen dieses wortkargen Staatsanwaltes war seine runde Brille und die streng nach hinten gekämmten graue Haare. Der Staatsanwalt begrüßte mit einem Nicken die beiden Ermittler. Lappa blickte kurz auf das Opfer. Von Duarte ließ er sich über den Stand der Ermittlungen informieren. In ihrer blauen Jeans und dem schwarzen Kapuzenpulli kam sich Gil etwas underdressed vor. Ungefragt berichtete sie von der Vernehmung des Platzwartes.

      „Noch heute ordne ich die Leichenöffnung in der Pathologie an. Ich werde beim Ermittlungsrichter die Beschlagnahmung des Mitgliederverzeichnisses des Fußballvereins Juventus beantragen. Möglicherweise rückt der Verein die Unterlagen auch so heraus. Aber sicher ist sicher. Informieren Sie mich über den Fortgang der Untersuchung so wie immer.“ Er warf noch einen Blick auf die tote Frau. Dann ging er gemächlich zurück. Die Kommissarin sah, dass er sein linkes Bein leicht nachzog.

      Als der Staatsanwalt verschwunden war, meinte Duarte: “Immer korrekt gekleidet unser Herr Staatsanwalt. Aber auch alt geworden. Ich dachte, er ist schon in Pension.“

      Die Kommissarin schwieg und stieg über das gelb-schwarze Band. Die Tote trug ein blaues Shirt und verwaschene Jeans. Ihre Füße steckten in billigen Turnschuhen. Am Rücken war das Shirt etwas hochgerutscht und man konnte einen blauen Fleck entdecken. Sie zog dünne weiße Gummihandschuhe an und schob den Hosenbund etwas nach unten. Nun sah sie, dass es sich um ein etwa fünf Zentimeter großes Tattoo handelte. Zwei Hände gingen wie Schalen nach oben, darüber war ein Herz mit einem Kreuz.

      Kapitel 2

      Dienstag, 3. Juni 2014, 11 Uhr über dem Atlantik

      Als Christian Forte die Augen öffnete, blickte er in das bleiche Gesicht eines Mannes. Erschrocken fasste Forte an den Hals des Mannes. Gott sei Dank, war der Puls regelmäßig zu spüren. Der bärtige Mann schnappte nach Luft und döste weiter.

      Forte sah durch das kleine Fenster auf die weißen Wattestreifen. Mit der deutschen Fußballnationalmannschaft flog er zur Weltmeisterschaft nach Brasilien, die in zehn Tagen begann. Mindestens drei Wochen würde er die Fußballer und Funktionäre bei dem Turnier begleiten. Falls Deutschland ins Finale kam, konnten daraus leicht sechs Wochen werden.

      Es war ein Tag nach Sabines Geburtstag, als der Anruf kam. Die Aprilsonne schien in sein Arbeitszimmer und er korrigierte einen Relitest über die Säulen des Islam. Das Telefonat kam aus Hannover, der Zentrale der Evangelischen Kirche in Deutschland. Die Worte des Oberkirchenrates klangen noch in seinem Ohr: „Können Sie sich für die Fußballweltmeisterschaft ein paar Wochen frei machen?“ Für einen Augenblick glaubte Forte an einen Scherz. Doch er sprach tatsächlich mit Oberkirchenrat Rust, der für den Bereich Kirche und Sport zuständig war. „Pastor Heinz Adler hatte die letzte Märzwoche leider einen schweren Skiunfall. Der Arme ist noch einige Wochen im Krankenhaus. Wir suchen dringend einen Ersatz für ihn.“ Forte konnte sich an Heinz erinnern. Der Franke besaß einen strammen rechten Schuss und war ein echter „Clubberer“. Das Pech von Heinz war nun sein Glück.

      Christian Forte hatte nicht lange überlegen müssen. Das war eine einmalige Chance, die nie wieder in seinem Leben kommen würde. Er sagte dem Oberkirchenrat spontan zu. Schwieriger war es, Sabine von dieser Auslandsreise zu überzeugen. Seine Frau verachtete Fußball. Sie wetterte gegen die hohen Gehälter der Spieler und die Gewalt in den Stadien. Nach 20 Jahren kannte er seine Frau so gut, dass er wusste, wie er sie umstimmen konnte. Seine Taktik war aufgegangen. Er machte seine Tochter Deborah und seinen Sohn Samuel zu seinen Verbündeten. Der zwölfjährige Sam war mächtig stolz auf seinen Vater. Forte versprach ihm hoch und heilig einen Weltmeisterschaftsball mit den Unterschriften aller deutschen Nationalspieler mitzubringen. Die Vertretung in der Schule übernahm ein Pfarrer im Ruhestand.

      Ein Kopf kullerte auf seine Schulter. Monsignore Michael Braun schlief immer noch. Vorsichtig schob er dessen barocken Körper in die Sitzmitte. Mit dem musste er es jetzt ein paar Wochen aushalten. Er stand auf und kramte in seinem Rucksack nach dem Portugiesisch-Kurs, den ihm Sabine zum Abschied geschenkt hatte. Die Sprache fiel ihm nicht so schwer, da er als Kind häufig mit seinen Eltern bei den Verwandten in Kalabrien war.

      „Wollen Sie einen Kaffee oder Wasser oder ein Glas Wein?“ Die junge Stewardess zeigte ihre weißen Zähne.

      „Haben Sie einen guten trockenen Rotwein?“ Der Monsignore weilte wieder unter den Lebenden. „Und eine Tasse Kaffee.“

      „Kaffee, Espresso oder Capucchino?“

      „Einen normalen deutschen Kaffee bitte!“ Braun reckte sich. „Trinken Sie auch ein Glas Wein?“

      Forte schüttelte den Kopf: „Nicht so früh am Morgen.“ Er