Der Plan würde ihn einige Tausender kosten aber er war es wert, wie ihm die leuchtenden Augen bestätigten. Einer fand trotzdem einen Einwand.
»Was sagt deine Heike zu einem Puffbesuch?«
»Gar nichts, wir sind ja im Kloster, schon vergessen?«
»Wie könnte ich.«
»Eben – und zudem ist die Heike zwar ein rattenscharfes Luder aber nur meine Anwältin.«
»Ja klar«, war das einstimmige Echo aller Drei.
Auf dem Weg zu den Zellen hielt ihn der Mönch zurück, der ihren Aufenthalt im Kloster organisierte. Bruder Anselm nannte er sich. Er war so etwas wie der CFO des Klosters, der Chief Financial Officer, soweit er verstanden hatte.
»Herr Kaiser, darf ich Sie kurz sprechen?«
Oha, war die Kunde von der geplanten Massenflucht schon bis zu ihm gedrungen? Sie setzten sich auf eine steinerne Bank am Ende des Kreuzgangs.
»Es ist mir etwas peinlich, Sie mit diesem Anliegen zu belästigen, begann der Bruder, schließlich sind Sie ja hergekommen, um Einkehr zu halten und etwas Ruhe und Abstand vom hektischen Alltag zu finden.«
»Das hat bisher ganz gut geklappt«, log er. »Was haben Sie auf dem Herzen, Bruder Anselm?«
Das Problem musste den Mönch sehr aufgewühlt haben, nach seinem Gesicht zu urteilen. Er war es nicht gewohnt, Emotionen hinter einem Pokerface zu verbergen. Es war eine andere Welt hinter diesen Klostermauern.
»Sie sind doch ein Finanzexperte«, sagte Anselm.
Er nickte überrascht.
»Und Sie haben sich auf Aktien im Energiesektor spezialisiert.«
»Sie sind erstaunlich gut über mich informiert. Muss ich mir Sorgen machen?«, fragte er schmunzelnd. »Ich muss allerdings ergänzen, dass diese Aktien nur ein Standbein meiner Firma darstellen. Ich bin ebenso aktiv im Bereich Risikofinanzierung für junge Unternehmen. Das ist sozusagen meine karitative Seite.«
Der Bruder antwortete mit einem ironischen Lächeln. Er konnte sich ausmalen, dass auch sein »karitativer« Hedgefonds satte Gewinne abwarf.
»Es liegt mir fern, Ihre Geschäftstätigkeit zu kommentieren«, versicherte Anselm. »Der Grund, weshalb ich Sie darauf anspreche, ist ein anderer. Ich gehe davon aus, dass Sie sich umfassend informieren, bevor Sie in eine Firma investieren.«
»Stimmt, der Aktienkurs und ein paar Kennzahlen allein sagen nichts aus über die Perspektiven einer Unternehmung.«
»Das dachte ich mir. Damit komme ich zu meinem Punkt. Der Konzern, der die Probebohrung bei Überlingen durchführt, möchte Land vom Klostergut kaufen.«
»Die NAPHTAG?«
Bruder Anselm nickte bedächtig. »Ich muss Sie bitten, diese Information vertraulich zu behandeln. Noch ist nichts entschieden. Sie werden verstehen, dass wir als exponierte Institution der Kirche genau darauf achten, mit wem wir Geschäfte machen.«
Allmählich begriff er, was Anselm von ihm wollte.
»Nun möchten Sie wissen, was ich von der NAPHTAG halte?«, fragte er grinsend.
»Ja.«
Ein Seufzer der Erleichterung entfuhr dem Mönch.
»Mit der NAPHTAG darf auch eine Institution der Kirche bedenkenlos Geschäfte tätigen«, beruhigte er. »Der Konzern ist ein absolut seriöses Unternehmen, das im Übrigen auf soliden finanziellen Füßen steht. Eine uneingeschränkte Kaufempfehlung würde der Fach-mann sagen.«
»Aber der Sprengstoffanschlag, die Verunsicherung über die Auswirkungen der Bohrungen …«
Luc lachte. »Da machen Sie sich mal keine Sorgen. Nach dem Anschlag aufs Fracking Testgelände ist zwar der Aktienkurs etwas eingebrochen, aber soll ich Ihnen verraten, was das bedeutet?«
Bruder Anselm blickte ihn verwirrt an.
»Das bedeutet, dass der Titel jetzt deutlich unterbewertet ist. Wer jetzt kauft, wird bald einen schönen Gewinn einfahren.« Sibyllinisch fügte er hinzu: »Daran sind natürlich nur wir weltlichen Sünder interessiert.«
Zu seiner Überraschung widersprach der Mönch. Er schüttelte den Kopf und sagte:
»Auch ein Kloster braucht Geld, um zu überleben – leider. Sie würden uns also nicht abraten von einem Landverkauf an die NAPHTAG?«
»Ich wüsste nicht, aus welchem Grund.«
Anselm wirkte dennoch unsicher. »Wie schätzen Sie die Auswirkungen der Bohrungen ein, wenn das Versuchsgelände auf unser Land ausgedehnt wird? Man hat uns gewarnt.«
»Ach die linken Angstmacher«, entgegnete er lachend. »Da wird meiner Meinung nach maßlos übertrieben. Wissen Sie, meine Schwester Emma befindet sich auch auf diesem Trip. Beweise für erhöhte Erdbebengefahr oder Verschmutzung des Grundwassers durch die hierzulande angewandte Technik hat sie bisher nicht geliefert.«
Bruder Anselm atmete erleichtert auf. Lucs geschultes Auge erkannte auf den ersten Blick: Der Finanzminister des Klosters Mariafeld wollte oder musste unbedingt verkaufen. Ein Plan reifte in Windeseile in ihm, eine Möglichkeit, sein zweifelhaftes Image als profitgieriger Finanzhai aufzupolieren.
»Wenn Sie möchten, kann sich unsere Juristin den Verkaufsvertrag ansehen, bevor Sie etwas unterschreiben. Sie hat große Erfahrung im Umgang mit solchen Konzernen. Das würde Sie natürlich nichts kosten.«
Das unerwartete Angebot erschreckte den braven Mönch. Sein Mund klappte auf und zu. Ihm fehlten die Worte. Luc stand auf.
»Überlegen Sie sich‘s. Ich bin ja noch bis morgen Nachmittag da.«
Damit zog er sich in die Zelle zurück, um den nächtlichen Ausbruch vorzubereiten.
Am nächsten Morgen schritt Pater Raphael unruhig in seinem Arbeitszimmer auf und ab. Fünf Schritte hin, fünf Schritte her, mehr waren nicht möglich. Jeden Augenblick würde sein Cellerar anklopfen, und er wusste noch immer nicht, wie er entscheiden sollte. Gab es überhaupt eine Alternative? Umschuldung, den teuren Kredit umwandeln – vielleicht war das eine Möglichkeit, die Zeit bis zum Verkauf der Ernte zu überbrücken. Der Gutsverwalter rechnete nach der Missernte im letzten Jahr heuer mit gutem Ertrag. Er dankte dem Herrn für diesen Hoffnungsschimmer.
Bruder Anselm klopfte an und trat ein, leichten Fußes, mit entspanntem Lächeln im Gesicht, wie er es bei ihm seit Langem vermisst hatte.
»Gestern Abend habe ich ein interessantes Gespräch geführt«, platzte er heraus.
»Ich höre.«
»Ich habe mich mit einem unserer Gäste unterhalten, Luc Kaiser. Er ist Finanzspezialist, und es stellte sich heraus, dass er die NAPHTAG sehr gut kennt.«
Der Prior horchte auf. »Rein zufällig nehme ich an.«
»Na ja – ich habe den Konzern wohl erwähnt wegen der Bohrung.«
»Und weiter?«
»Herr Kaiser hat mir bestätigt, dass die NAPHTAG einen makellosen Ruf genießt. Ich schließe daraus, dass wir uns auf die Aussagen und Zusicherungen des Konzerns voll und ganz verlassen können.«
»Können wir uns denn auch auf diesen Herrn Kaiser verlassen?«
Bruder Anselm nickte zuversichtlich. »Er ist ein ausgewiesener Fachmann.« Nach kurzer Pause fügte er an: »Und er macht einen durchaus ehrlichen Eindruck.«
»Hoffen wir, dass du dich nicht täuschst, Bruder Anselm. Du möchtest also verkaufen?«
»Wir würden das Richtige tun.«
Er