Kompetenzorientierter Unterricht auf der Sekundarstufe I. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783035504743
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Definitionen von «Kompetenz» geschuldet. Auch vor der Entstehung dieses Buches stand die Frage nach einer Definition von «Kompetenz» bzw. «Kompetenzorientierung» und demzufolge von «kompetenzorientiertem Unterricht» zur Diskussion. Wovon gehen wir aus? Beziehen sich alle Beiträge auf den gleichen Kompetenzbegriff? Gibt es einen Konsens in der Definition? – Und die Antwort ist so einfach und pragmatisch wie auch auf den ersten Blick enttäuschend: Nein.

      Als Herausgeber des Buches gehe ich mit Walter Herzog einig, dass es «keine allgemeine Kompetenz (im Singular), sondern immer nur spezifische Kompetenzen (im Plural) [gibt], die die Bewältigung von spezifischen Anforderungen in spezifischen Situationen ermöglichen.»[1] Unter dieser Prämisse ist auch Kompetenzorientierung in jedem Fach etwas anders zu definieren und umzusetzen. Eine Anbindung an einen zu starren Begriff oder ein Modell schien deshalb für das vorliegende Buch nicht zielführend, was zur Folge hat, dass bezüglich der Auslegung des Kompetenzbegriffs Vielfalt statt Einfalt (im Sinne von Homogenität oder Uniformität) herrscht.

      Im ersten Teil, «Erziehungswissenschaftliche Perspektiven», wird in fünf Beiträgen ein je historischer, lehr- und lerntheoretischer, soziologischer, sonderpädagogischer und allgemeindidaktischer Blick auf die Thematik geworfen. Im zweiten Teil folgen fachdidaktische Perspektiven, die in acht Beiträgen (und zwei weiteren überfachlichen Kapiteln online) aufzeigen, was Kompetenzorientierung in den einzelnen Fächern (Mathematik, Deutsch, Fremdsprachen, Geschichte, Bildnerisches Gestalten, Bewegung und Sport, Textiles Gestalten, Natur und Technik, Medienbildung, Sexualpädagogik und Lebenskunde) bedeutet und wie ein kompetenzorientierter Unterricht gestaltet sein könnte. Hierfür werden auch exemplarisch konkrete Unterrichtsreihen und -beispiele beschrieben, um der allenfalls zu Beginn der Lektüre noch leeren Hülle «Kompetenz­orientierter Unterricht» Inhalt und Kontur zu verleihen. Jeder Beitrag wird durch ein Abstract eingeleitet und enthält neben weiterführenden Fragen und einer ausführlichen Literaturliste zentrale Begriffe, die in der Marginalienspalte aufgelistet sind und in der zum Buch gehörenden App[2] erklärt werden.

      App zum Buch

      Da die Beiträge zeitgleich entstanden sind, beziehen sich die einzelnen Texte meistens nicht aufeinander; es ist deshalb auch keine bestimmte Reihenfolge beim Lesen vorausgesetzt. Redundanzen (z.B. die Forderung nach guten Lernaufgaben) sind bewusst nicht entfernt worden, weil eine wiederholte Nennung die Wichtigkeit einer Forderung zeigt und das Buch auch bewusst so angelegt ist, dass je nach Interesse (z.B. bezüglich der Fächer, die man selbst unterrichtet) auch nur einzelne Beiträge gelesen werden können. Dies wiederum will nicht heissen, dass kein roter Faden zu finden wäre – im Gegenteil. Die einzelnen erziehungswissenschaftlichen Perspektiven sind beispielsweise bewusst so gewählt worden, dass sie sich ergänzen und gemeinsam zu einer umfassenden Sicht auf die Thematik beitragen. Gerade die Erziehungswissenschaften haben sich – im Gegensatz zu den Fachdidaktiken, die aufgrund anstehender Reformen unter Zug- und Publikationszwang stehen – bisher eher zurückhaltend mit dem Thema befasst. Dies zu ändern, ist ein Ziel des Buches. Erziehungswissenschaft und Fachdidaktik in einem Buch zu vereinen, ein zweites. Und schliesslich sollen – als ein drittes Ziel – die oft als zu theoretisch zurückgewiesenen Forderungen der Fachdidaktiken mittels guter Beispiele aus dem konkreten Schulunterricht der Sekundarstufe I illustriert werden, um so der Theorie-Praxis-Kluft entgegenzuwirken.

      Geplant war ein Studienbuch für angehende Sekundarlehrpersonen, das als Teil eines Projekts der Abteilung Sekundarstufe I an der Pädagogischen Hochschule Zürich die Absicht verfolgte, das Thema «Kompetenz­orientierter Unterricht» in Modulen der Ausbildung zur Lehrperson zu verankern. Entstanden ist – auch dank der ausgezeichneten Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule Luzern – ein Werk von Autorinnen und Autoren beider Hochschulen, das in dieser Form aber auch weitere an Bildung beteiligte Kreise erreichen kann und soll. Das Buch richtet sich somit an Studierende in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung, Lehrpersonen, Schulleitende, aber auch an Interessierte aus Bildungspolitik, Erziehungswissenschaft und Fachdidaktik und ist – trotz Orientierung am schweizerischen Bildungssystem – sicher auch in anderen deutschsprachigen Ländern gewinnbringend zu lesen.

       Dank

      Eine solche Publikation wäre nicht möglich ohne finanzielle und zeit­liche Ressourcen, wofür ich mich bei den Verantwortlichen der Pädagogischen Hochschulen Zürich und Luzern – namentlich bei Esther Kamm und Werner Hürlimann, die sich massgebend für das Projekt eingesetzt haben – herzlich bedanke. Für die inhaltliche Qualität gilt es dann aber in erster Linie den beteiligten Autorinnen und Autoren zu danken, die ihr grosses fachliches Wissen – auf Kompetenzorientierung fokussiert – zu Papier gebracht haben und ein Reviewing durch ausgewiesene Expertinnen und Experten (auch diesen sei an dieser Stelle herzlich gedankt!) nicht scheuten. Für die Illustrationen (auf dem Titelblatt und den Kapitelöffnerseiten) danke ich Donat Bräm, der in den Schulhäusern der Oberstufen Stadel und Pfäffikon ZH fotografieren durfte, weshalb deren Schulleitenden ebenfalls ein herzlicher Dank gebührt. Robert Fuchs bin ich für das Begleiten der vertraglichen Verhandlungen ebenso zu Dank verpflichtet wie den Mitarbeitenden des hep-Verlags für die ausgezeichnete Zusammenarbeit.

      Nun wünsche ich dem Werk viel Erfolg und hoffe, es möge den Lesenden kompetenzorientierten Unterricht näherbringen und zur fundierten Diskussion darüber anregen, aber auch – und darum muss es schliesslich gehen – guten Unterricht bewirken und so die Schülerinnen und Schüler erreichen!

       Zürich, im Frühling 2016

       Marcel Naas (Herausgeber)

      Teil 1

      Erziehungswissenschaftliche Perspektiven

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      Historische Perspektive

      Der Beitrag beschäftigt sich in einer historischen Perspektive mit dem Begriff der Kompetenz und widmet sich zuerst den verschiedenen Verwendungen von Kompetenz in der aktuellen Diskussion. Damit verbunden wird die Frage, ob Kompetenz ein pädagogischer Slogan sei. Anschliessend werden drei Wegmarken der pädagogischen oder psychologischen Verwendung des Kompetenzbegriffs in ihrem Kontext dargestellt: die Debatte um die amerikanische Curriculumreform der 1960er-Jahre, die erziehungswissenschaftliche Unterscheidung von Selbstkompetenz, Sachkompetenz und Sozialkompetenz in den 1970er-Jahren sowie die Diskussion um die Frage, ob der Begriff der Kompetenz den oft kritisierten Bildungsbegriff ablösen könne. Das abschliessende Kapitel diskutiert die in den verschiedenen Debatten sichtbar gewordene Unterscheidung von Kompetenz und «totem Wissen» und fragt nach deren Bedeutung für die bildungspolitische und wissenschaftliche Diskussion.

       Rebekka Horlacher

      Es ist eine bemerkenswerte Eigenheit pädagogischer Diskussionen, dass darin immer wieder neue Begriffe auftauchen, die breite Aufmerksamkeit auf sich ziehen und zu eigentlichen Modebegriffen werden. Diese Begriffe versprechen in der Regel, etwas Neues und noch nie Dagewesenes, aber dennoch Wichtiges und Essenzielles zu bezeichnen und die pädagogische Theorie oder Praxis (besser noch beide) entweder zu revolutionieren oder doch zumindest entscheidend neu zu gestalten und zu verbessern.

      Die hier beschriebene Funktion eines Modebegriffs hat seit einiger Zeit der Begriff der «Kompetenz» übernommen, der nicht nur in der Bildungspolitik und in der Lehrerbildung in aller Munde ist, sondern auch in allen möglichen Verbindungen gebraucht wird, von der Sozialkompetenz in Stellenausschreibungen über das Schweizer Kompetenz Centrum für Gesundheit und Prävention (SKC) mit dem Ex-Fussballer Alain