In seiner heutigen Form ist Ayurveda ein Produkt des Zusammenschlusses vieler medizinischer Traditionen, auch europäischer. Die Behandlungsarten wie Aderlass, Einläufe und Ausleitungsverfahren finden im 16. Jahrhundert in den Krankenhäusern der portugiesischen Kolonialherren erstmalig in Indien Erwähnung. Auch das Pulsfühlen als Diagnosemethode wird erst spät von der Unani-Medizin übernommen. Zungenbelag mit der Verdauung in Zusammenhang zu bringen entstammt nachweislich der europäischen Medizin.
Während der Herrschaft der persischen Mogulkaiser ab dem 15. Jahrhundert fand ein ausgesprochen reger Austausch von medizinischem Wissen unter Unani-Ärzten, Vaidyas und buddhistischen Heilertraditionen statt. Die muslimischen Herrscher waren Patrone der Vaidyas, während die Hindukönige die Unani-Ärzte förderten. Von einer Unterdrückung der Ayurveda-Tradition durch Besatzungsmächte kann also nicht die Rede sein. Selbst die Briten unternahmen Anstrengungen, die indischen Heilkünste zu fördern und in diesem Bereich ein eigenes Bildungswesen aufzubauen. Leider war zu diesem Zeitpunkt (frühes 19. Jahrhundert) Indien voll von Heilern, die nur magisch-mystisch oder religiös in der Praxis orientiert waren, jede Menge Scharlatane inklusive.
Erste Bestrebungen der indischen Provinzregierungen entwickeln im 19. Jahrhundert ein medizinisches Bildungssystem. Es entstanden die ersten klassischen ayurvedischen Schulen, die, angelehnt an europäische Medizin, Anatomie, Chirurgie und Anwendungen der klassischen Ayurveda-Medizin lehrten. Auch hier spielte der Austausch zwischen Europäern und Indern eine wichtige Rolle. Die heute existierenden Schulen sind erst im letzten Jahrhundert (also nach der Unabhängigkeit Indiens 1947) eröffnet oder reaktiviert worden. Das einheitliche Bildungswesen für Ayurveda wird vom CCIM (Central Council for Indian Medicine) reguliert. Der indische Studiengang fängt beim Bachelor-Studiengang über fünf Jahre an und geht über insgesamt neun Jahre weiter bis zum Doktor der Medizin (M.D.).
Die vedische Kochkunst und ihre Ursprünge
Die Entwicklung der vedischen Kochkunst lässt sich nicht mehr datieren, da viele der heute noch bekannten Rezepte auch bereits in Jahrtausende alten Schriften Erwähnung finden, z. B in der Bhagavata Purana, der Caraka Samhita und anderen. Einige der orthodoxen spirituellen Schulen besitzen Klöster, die Jahrtausende alte Rezeptsammlungen auf ayurvedischer Grundlage archivieren. Heilkundige und Hüter des Wissens waren und sind bis heute Eingeweihte der spirituellen Schulen. Strengere ayurvedische Diäten und Kochrituale finden sich in ganz Indien und Asien nur noch in Klöstern oder Tempeln von Hindus und Buddhisten. Speziell in brahmanischen Kreisen wird die vedische Kochkunst seit Jahrtausenden entwickelt und kultiviert. Die speziellen Diäten (Sattvika bis Tamasika) werden von dort an die Menschen außerhalb weitergegeben. Auf deren Empfehlungen und Vorbildfunktion hin hat sich speziell in Indien auch die bürgerliche Kochkultur entwickelt.
Da sich im Laufe der Jahrhunderte die Lebensgewohnheiten in Bezug auf Landwirtschaft und Konsumgüter auch durch klimatische Änderungen immer wieder verändert haben, finden wir auch eine stetige Weiterentwicklung der Forschung im Ernährungsbereich.
„Der, der täglich Heilnahrung zu sich nimmt,
genießt ein harmonisches Leben.
Er bleibt unberührt von den Sinnesobjekten, gibt und vergibt, liebt die Wahrheit, dient den Mitmenschen und bleibt frei von Krankheit.“
(Vagbhata Sutrasthana)
Im Laufe der letzten 100 Jahre wurden im Westen moderne Ernährungstheorien entwickelt. Sie sind meist widerlegt worden oder stellten sich als ineffektiv oder teilweise sogar gefährlich heraus, und verschwanden deshalb wieder. Im Gegensatz dazu ist die ayurvedische Ernährungslehre die älteste zeitlose Erfahrungswissenschaft der Menschheit. Grund dafür ist, dass sie die Individualität jedes Körpers berücksichtigt. Demzufolge liefert sie zuverlässige Ergebnisse im Bereich der Prävention und Ernährungstherapie.
Zwischen moderner wissenschaftlicher Forschung und Ayurveda stellt sich die Vertrauensfrage. Der Unterschied beider Schulen liegt in der Methodik: Die Rishis und die vedischen Ärzte der Antike betrachteten ihren eigenen Körper als Experimentierfeld. Durch exakte sinnliche Wahrnehmung und Beobachtung kamen sie zu Ergebnissen, die auch heute jeder Mensch reproduzieren kann – un-abhängig von Rasse, Kultur, Glauben, Gewohnheit und Klima. In der modernen wissenschaftlichen Forschung wurde das Experimentierfeld in die Tierwelt der kleinen Säugetiere verlagert. Dabei ist statistisch jedes Ergebnis mittels Laboruntersuchungen und technischen Messdaten am toten Säugetier reproduzierbar. Interessant ist aber, dass die sogenannten „modernen“ ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse sich größtenteils mit den ayurvedischen Angaben aus grauer Vorzeit decken.
Die historischen Einflüsse Indiens schlagen sich auch in der ayurvedischen Küche nieder. Die heute bekannte indische bürgerliche Küche geht natürlich maßgeblich auf das alte Wissen zurück. Man muss aber beachten, dass der Norden des Landes über Jahrhunderte hinweg immer wieder von Belagerern und Eroberern besetzt war, die erheblich Einfluss auf die kulturellen Gepflogenheiten genommen haben. So führten die persische Küche der Moguln und die Vorlieben der englischen Kolonialherren zu einer überraschend fleischlastigen Küche Nordindiens. Die Portugiesen brachten beispielsweise die bis dahin unbekannte Chilischote nach Indien, die einen festen Platz in der indischen Küche gefunden hat. Die toxischen Nahrungsmittelkombinationen hingegen, nach ayurvedischen Maßstäben bemessen, finden wir eher noch in der bürgerlichen Küche Südindiens berücksichtigt.
Definition von Ayurveda als Methode
Im Juli 2010 wurde eine ZDF-Kochsendung mit dem bekannten bayerischen Sternekoch Lanz ausgestrahlt.
Überraschenderweise sprach er dort über die uralte ayurvedische Küchentradition, natürlich ohne sie namentlich zu erwähnen.
Er bereitete eine Gewürzmischung zu, in der die antikarzinogene Wirkung der Kurkumawurzel durch die Beigabe von schwarzem Pfeffer 100-fach verstärkt wird.
War das ein wegweisendes Signal für die bahnbrechende Heilküche des indischen Subkontinents?
Ayurveda die zeitlose Mutter aller Heilkünste
Was bedeutet Ayurveda wortwörtlich?
Ayurveda ist das älteste überlieferte Medizinsystem der Menschheit. Ayus ist das lebendige Gefüge aus Körper, Sinnesorganen, Geist und Bewusstsein. Veda bedeutet das erfahrbare praktische Wissen. Ayurveda, die „Wissenschaft vom langen, gesunden Leben“, ist eine umfassende Humanwissenschaft und Erfahrungsmedizin. Sie wirkt ordnend und ausgleichend auf das menschliche Leben in all seinen Bereichen.
Gesundheit im ayurvedischen Sinn
Ein Mensch wird gesund genannt, wenn
• seine Bioenergien (Vata, Pitta und Kapha) in Harmonie sind (Sama doshah),
• er über eine ausgewogene Verdauung/einen ausgewogenen Stoffwechsel verfügt (Samagnish),
• seine Gewebe richtig aufgebaut und die Abfallstoffe adäquat ausgeschieden werden (Sama dhatu, mala kriyah),
• seine Sinnes- und Tastorgane richtig arbeiten (Prasannatmendriya),
• seine Seele und sein Geist sich in einem Zustand dauerhaften Glücks befinden (Manah svastha ityabhidhiyate).
Sushruta Samhita, 15.38, 1. Jahrhundert v. Chr.
Gesundheit im abendländischen Sinn
„Gesundheit