Tschefuren raus!. Goran Vojnović. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Goran Vojnović
Издательство: Bookwire
Серия: Transfer Bibliothek
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783990371169
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kurz darauf antworte. Ranka hat einen anderen Typ Fragen.

      „Warum hast du nach dem Abendbrot den Tisch nicht abgeräumt? Warum hast du nach dem Training das nasse Zeug nicht aus der Tasche genommen?“

      Das ist noch einfacher. Auf solche Fragen gibt es keine Antwort. Und Ranka erwartet keine. Ich tue immer genügend Sachen nicht, sodass sie immer genügend Fragen hat.

      „Warum hast du dein Zimmer nicht aufgeräumt? Warum hast du das Licht im Klo nicht ausgemacht? Warum hast du den Müll nicht rausgebracht? Warum hast du die schmutzigen Strümpfe nicht in die Schmutzwäsche getan?“

      Wie du dich zwei Stunden mit den Alten unterhalten kannst, wird mir nie klar werden.

      Aber dann ist da noch ein dritter Grund, weshalb die Tschefuren nicht mit der Familie ins Gasthaus gehen. Weil die Frau kocht. Dass sie einen Tag mal nicht kocht, ist keine Option. Immer gibt es Sarma oder Musaka oder Pita oder Sataraš oder Gefüllte Paprika. Wenn die Frau zufällig einen Tag mal nicht kocht, gibt es Gulasch vom Vorabend oder Bohnen von der Vorwoche. Oder es gibt was Tiefgefrorenes aus dem Freezer, das man nur aufzutauen braucht. Deshalb hat ein Tschefur es nie eilig nach Hause zum Essen. Weil sich all dieses Essen löffelwarm aufwärmen lässt. Und Pita ist auch kalt ganz in Ordnung. Nur sonntags, wenn es Huhn gibt und Bratkartoffeln im Schmortopf aus dem Rohr, muss man quasi pünktlich zum Essen sein. Dann essen wir so wie alle zusammen. Aber dann habe ich keine Lust dazu. Weil Radovan und Ranka so was von behämmert sind und ich keine fünf Minuten Lust habe, mit ihnen zusammenzusitzen. Scheiß auf Huhn und Bratkartoffeln im Schmortopf aus dem Rohr.

      Deshalb sind wir zu Babnik gegangen. Das ist ein Dorfgasthaus auf der anderen Seite der Ljubljanica, wo sie ganz annehmbare Preise haben, wenn du schnell bist und verschwindest, wenn die Kellnerin nicht hersieht. Ein einziges Problem gibt es mit diesem Gasthaus, und zwar, dass du da nur einmal hingehen kannst. Ich weiß nicht, ob es auch nur einen Tschefur auf der Welt gibt, der bei denen zwei Mal war. Denn jedes Wochenende rennt jemand aus dem Babnik weg, satt wie ein Schwein. Bin ich etwa dafür verantwortlich, dass Fužine so nah ist und dass die Kellnerin uns nicht durch die Siedlung nachläuft?

      Nur, dass mich die Kellnerin aus dem Babnik total angefuckt hat. Die Scheißfotze, weil sie uns von Anfang an so angesehen hat, als wären wir die größten Verbrecher. Weil wir so aussehen wie Tschefuren, oder was? Du hast richtig ihren Blick sehen können, wie sie uns angesehen und sich gedacht hat, dass wir uns nach dem Essen bestimmt französisch verabschieden. Wir sind dann ja wirklich abgehauen, aber das ist jetzt nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass sie nicht wissen konnte, dass wir abhauen werden, und dass sie uns trotzdem so angesehen und uns ganz mickrige Portionen serviert hat, und all so was. Denn was, wenn Getafe gegen Alaves verliert und Aco beim Wetten richtig liegt und wir Cash hätten und am Schluss zahlen würden? Was wäre dann? Sie hätte uns genauso angesehen. Und da liegt der Hase im Pfeffer! Nutte, verfickte. Dass sie dich ansieht, als wärst du ein Verbrecher, schon bevor du überhaupt einer bist. Und so sehen uns alle andauernd an. Immer schauen alle nur, wann wir abhauen und was wir zerlegen und wen wir anpflaumen werden. Ich wollte am Ende richtig aufstehen und an den Tresen gehen, auf den Tausender spucken und ihr den an die Stirn kleben. Verfickte Zigeunerfotze. Die soll mich noch einmal so ansehen.

      Nur dass ich sowieso keinen Tausender hatte. Ich hatte nicht mal einen Hunderter. Ich hatte fünfzig beschissene Tolar und noch was an Kleingeld. Und wir sind gerannt. Das ist immer komisch, wenn vier Typen wie die Idioten vor einer altersschwachen Kellnerin davonrennen. Du rennst, als wären die Cops hinter dir her. Und nicht, dass du anhältst, wenn du nach Fužine kommst, und dann langsam weiter. Nein, du rennst immer weiter, bis ganz zum Basketplatz. Keiner dreht sich um und sieht zurück. Das hab ich echt nie kapiert. Vier eigentlich starke Typen, die stärksten, und eine dicke Kellnerin. Und dann noch in Fužine, wo alle sportlich leger gehen, als hätten sie es gerade mit Seka Aleksić getrieben, und wenn du dann noch „Aufpassen!“ rufst, zucken alle zusammen und fangen wieder an zu rennen! Mann, wenn das nicht wieder so ein psychologischer Trick ist.

      7. Warum keiner mehr Basket spielt

      In der letzten Zeit sind die Basketplätze in Fužine leer. Das ist so, wenn die Schulen ihre Spielplätze nicht renovieren und wenn die Gemeinde, zu der Fužine gehört, nichts auf die Reihe kriegt. Dann gibt es keine Bretter, keine Netze, nichts. Für mich ist das ein echt trauriger Anblick. Du kommst auf den Platz, und kein Mensch weit und breit. Die Kleinen fixen oder ziehen sich Videospiele rein. In Fužine gibt es sechs Basketplätze plus einen Korb bei den Tennisplätzen und ein Spielfeld vor der Verrücktenanstalt, wo sie auch eine Leitung haben und du Wasser trinken kannst. Von allen diesen Spielplätzen wird nur auf dem Krajevec gespielt, und das ist dazu noch der abgefuckteste Platz der Welt, wo die Mittellinie kein Aus bedeutet. Die Regel hat sich irgend so ein Kretin vor hundert Jahren ausgedacht und die gilt jetzt noch immer. Auf allen Spielfeldern ist beim Basket die Mittellinie das Ende des Spielfelds, wenn du nur auf einen Korb spielst, nur auf dem Krajevec nicht. Und außerdem gibt es heute keinen richtigen Basketball mehr. Früher gab’s an jedem Korb ein paar Dreier, da spielten Rašo Nesterović und voll ein paar super Typen, und da spielten ein paar Greise, bei denen du keinen dunken konntest, egal was du versucht hast. Vor der Gastgewerblichen waren immer ein paar gefährliche Typen aus dem Fünfzehner-Block, die, den Kassettenspieler voll aufgedreht, Public Enemy laufen ließen und einen verdammt unangenehmen Basketball spielten. Auch wenn der Typ nicht dribbeln konnte, war er stark und hat mit dir den Boden gewischt. Wer weiß, wo diese Legenden jetzt sind, all diese verschiedenen Jordans. Nur, vor der Kochakademie hängt schon mindestens zehn Jahre kein Brett mehr. Bei uns, am Rusjan, wurde nur so easy Basket gespielt, aber das war trotzdem immer eine coole Angelegenheit, da haben sich voll die Leute versammelt, und jetzt kommen wir hin, und da ist ein Zwerg ein bisschen am Schießen, der Ball größer als er. Hast keinen, mit dem du zu dritt spielen könntest. Ein wahres Trauerspiel. Und dann hörst du in der Glotze, wie irgendwelche bemühten Warmduscher klugscheißen, dass es immer mehr Junkies gibt und so. Sollen sie doch mal von Platz zu Platz spazieren und sehen, wo die Kids sind. Klaro wird da gefixt, wenn du zum Basket kommst oder zum Fußball, aber da siehst du keinen von denen. Meiner Schätzung nach gibt es mehr Fixer als Basketballer auf diesen Spielplätzen.

      „Gibst du mir mal den Ball, dass ich einen Dreier werfe?“

      Aco muss die Kleinen immer erst mal anblaffen. Angeblich weil sie uns auch angeblafft und vom Platz geworfen haben, als wir die Kleinen waren, und jetzt bringt er quasi den Kleinen Ordnung bei. Damit klar ist, wer hier das Sagen hat. Aber die Kleinen von heute scheißen dir was. Wir haben uns damals angeschissen und uns nicht getraut zurückzublaffen und sind schön runtergegangen vom Spielfeld, aber heute blasen sich die Kleinen auf und blaffen zurück.

      „Gib schon her, ich fress ihn dir schon nicht auf. Ich werf nur mal einen Dreier.“

      Da hast du diese Pimpfe. Die reißen das Maul auf, und die Alten nehmen nie den Gürtel, wie es sich gehört. Von wegen moderne Erziehung. Und dann muss ihm Aco den Ball mit Gewalt wegnehmen, um seinen fucking Dreier zu werfen, und der Kleine ist beleidigt und will zu seiner Mami laufen und ihr was vorplärren und Aco kriegt die Wut und haut ihm den Ball irgendwohin Richtung Ljubljanica.

      „Da hast du deinen Ball, du Nervensäge!“

      Und der Kleine läuft weinend nach Hause. Und wir sitzen schön auf der Tribüne vorm leeren Platz und sind gut drauf.

      „Willst du ’n bisschen Gras? Von Hasch-Jovo?“

      Gras will ich keines. Ich meine, wo ich doch Sportler bin. Ein Tschick geht manchmal bei mir. Nur so zum Angeben, denn wenn Radovan wüsste, dass ich qualme, würde er mich in meine Einzelteile zerlegen. Die Eier würde er mir um den Hals binden. Da versteht er keinen Spaß. Drogen oder Basket. Zigaretten, eine, zwei, das ist es nicht, Radovan hat ja auch geraucht, als er jung war, aber wenn ich einen Joint rauchen würde, würde ich kopfüber aus dem dreizehnten Stock fliegen. Nicht, dass unser Block dreizehn Stock hätte, aber für die Gelegenheit würde Radovan den dreizehnten dazuerfinden. Dann wär der Kopf ab. Deshalb sehe ich Dejan und Adi zu, wie sie rauchen, und ich stecke mir eine auf easy an und inhaliere nicht. Mehr zum Angeben.

      „Keiner spielt mehr Basket?“