Tschefuren raus!. Goran Vojnović. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Goran Vojnović
Издательство: Bookwire
Серия: Transfer Bibliothek
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783990371169
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keinen Computer haben, sitzen sie vor dem Block. Die Tschefuren sind nicht für Computer zu haben. Playstation, das geht noch irgendwie, aber Programmieren und Hacken, das ist nichts für uns Tschefuren. Und dann hat die Mehrzahl der Tschefureneltern irgendwo mal von wem gehört, dass Computer für Kinder gefährlich sind, und wollen dir deshalb natürlich keinen guten Rechner kaufen. Da sitzt du dann eben vor dem Block und drehst die Bässe auf. Du starrst Löcher in die Luft, mit anderen Worten. Drei Tage debattierst du darüber, ob der MerĐo besser ist, der von deutschen Maschinen gemacht wird, oder der Ferrari, der von Hand gemacht wird. Maschine gegen Mensch. Ein großes Thema. Dann bringst du den Terminator ins Spiel, und RoboCop, und Schumacher, und Adis Onkel Emir, der in Deutschland MerĐos schraubt, und den Kollegen von Dejan, der in Italien Ferraris testet, und Juventus, und Bayern, und den Pullover von Acos Oma Stojadinka, und den Pullover aus dem Emporium, und so drei Tage und drei Nächte lang. Und zwischendurch siehst du die abgelutschten Väter, die von der Arbeit kommen, brave kleine Nachbarn, die aus der Schule kommen, die Moderatorin aus dem achten Stock mit den hohen Absätzen, deren Arschbacken so tanzen, dass mir immer der Hals wehtut, wenn ich sie sehe, Božos sexy Mama, von der wir immer noch nicht wissen, ob sie vierzig oder fünfzig ist, den Alki Šuškić aus dem elften Stock, der einmal so abgefüllt war, dass er den Block verwechselt hat und beinahe beim Achter-Block eingebrochen wäre, weil er die Tür nicht aufkriegte, und Hausmeister Vlado, der ständig am Rumstinken ist, der Arsch. Und am Ende weißt du immer noch nicht, ob der MerĐo besser ist oder der Ferrari, weil der MerĐo ist ein Švabo und schon deshalb super und ihn fahren alle Gastarbeiter und Mafiosi, und Ferrari ist eben Ferrari, und das ist es dann.

      Du sitzt vor dem Block und setzt Schimmel an. Aber das ist wenigstens cool. Besser als Radovan und Ranka hören zu müssen.

      Und jedes Mal ist es dasselbe. Dejan behauptet etwas, und Adi zieht ihn auf und beweist ihm, dass das, was er behauptet, Blödsinn ist.

      „Wirst schon sehen, dass wir in Črnuče waren.“

      „Einen Scheiß waren wir in Črnuče. Was für ein Črnuče! Črnuče ist da, wo der Sechser hinfährt. Du bist echt ein Spacko.“

      „Kauf doch ’ne Zeitung und sieh nach, wo diese Jagdhütte ist. Sicher schreiben sie im Lokalteil, dass wir sie verwüstet haben.“

      Das sind so diese genialen Ideen von vor dem Block. Dass du, wenn du mal Rambazamba machst, gleich in die Zeitung kommst.

      Aco fällt natürlich auf diesen blöden Schmäh rein und geht zur Trafik. Und kommt zurück mit dem Dnevnik. Ich hab nicht mal gewusst, dass dieses Käseblatt überhaupt existiert.

      „Sieh dir den Debilen an, was der gekauft hat. Willst du was über Kultur lesen? Ich hab dir doch gesagt, du sollst die Novice kaufen.“

      „Hier ist doch auch ein Lokalteil drin!“

      „Jetzt wirst du sehen, wo wir waren. Črnuče. Wirst sehen, dass wir in Vič waren.“

      Sowieso.

      „Das sind wir! Wir sind drin!“

      „Gib her! Lass mich, du kannst sowieso nicht lesen.“

      „Einen Scheiß kann ich nicht!“

      Es ist nicht zu glauben! Diese Jagdhütte ist ein total angesagter Partyschuppen, und jetzt schreiben sie über uns in der Zeitung. Gut, das ist nicht wer weiß was, aber irgendwo muss man ja anfangen.

      „Van…da…len … Was ist das denn?“

      „Das sind Blödmänner. Lies weiter.“

      „Vandalen haben gestern Abend eine Hütte in Dolgi Most verwüstet … Siehst du, Dolgi Most.“

      „Aber das ist doch da, wo Črnuče ist. Der Sechser fährt doch nach Dolgi Most.“

      „Einen Scheiß ist das da, wo Črnuče ist. Weißt du, wo Dolgi Most ist?“

      „Na wo?“

      „Das ist … wenn du nach Vič fährst und dann …“

      „Das ist nicht Vič, wenn es Dolgi Most ist. Wenn es Vič wäre, hätten sie Vič geschrieben.“

      „Hör doch auf, wenn du keine Ahnung hast. Erinnerst du dich, wo er nicht gewusst hat, wo Tromostovje ist.“

      „Das hab ich gewusst, ich hab nur nicht gewusst, dass das der Prešeren-Platz ist.“

      Wer weiß, ob diese Debatte im Leben einmal zu Ende gegangen wäre, wenn es nicht Samira gegeben hätte, Adis Mutter.

      „Adi, da kommt deine Mutter.“

      „Oh, verdammt!“

      Jetzt kommt Samira auf uns losgestiefelt, sie ist nicht aufzuhalten. Adis Vater, Mirsad, arbeitet in Österreich. Adi sagt, dass er Chauffeur ist, und wir, dass er Müllfahrer ist. Und dann schleicht Samira ständig hinter Adi her und will ihn nach Hause holen. Aber Adi hat keinen Bock drauf und verdünnisiert sich, und dann sagt sie das Mirsad, und Adi kriegt eins auf die Nuss. Und dann fährt Mirsad zurück nach Klagenfurt, und Adi entwischt Samira wieder und sie läuft wieder durch Fužine und sucht ihn.

      „Adi, komm, wir gehen nach Hause.“

      „Aber ich geh nicht nach Hause. Ich bleib hier.“

      „Heute kommt Papa.“

      Der Schmäh ist, dass Mirsad nie dann einfliegt, wenn er einfliegen müsste, und Samira wartet ständig auf ihn mit dem fertigen Mittagessen und sammelt die Kinder in Fužine ein, damit sie so etwas hätten wie ein gemeinsames Familienessen, wenn Mirsad nach Hause kommt. Adi fängt sie vielleicht noch ein, aber Sanel, Adis älteren Bruder, nie, der ist total abgetaucht.

      „Und was, wenn er kommt? Wenn er wirklich kommt, dann komm ich auch.“

      „Komm nach Hause, es gibt Mittagessen.“

      „Ich komme nicht. Mach ’ne Fliege!“

      Immer dasselbe. Verdammte Kacke, aber wieso ihr das nicht über wird, weiß ich auch nicht.

      „Nun komm schon …“

      „Mach ’ne Fliege! Wo wir doch zusammen essen gehen. Marko lädt ein, weil er gestern gewonnen hat.“

      Scheiße ist das, weil mir Samira am Ende immer leidtut. Noch nie ist Adi mit ihr nach Hause gegangen, aber sie steht immer da und sieht uns an und bettelt, und Adi nimmt sie nicht für voll, und wir stehen daneben wie die Idioten und sehen zu Boden. Manchmal ist mir das so zu blöd, dass ich am liebsten mit ihr zu diesem Mittagessen gehen würde.

      „Geh nach Hause und lass mich. Kommt, wir gehen, wenn sie nicht weggeht.“

      Und dann gehen wir gewöhnlich hinter Adi her und lassen sie stehen wie einen Haufen Unglück. Mirsad baggert inzwischen Österreicherinnen an. Mirsad ist mir überhaupt suspekt, es würde mich überhaupt nicht wundern, wenn er in Kranj arbeitete und er Samira das mit Klagenfurt nur vormachte. Was weiß Mirsad, wo Klagenfurt ist.

      6. Warum man nach einem guten Essen ein bisschen Bewegung braucht

      Keine richtige Tschefurenfamilie geht zum Essen ins Restaurant. Nicht mal zu Jovo. Erstens ist es zu teuer, zweitens müssten sie sich zwei Stunden über irgendwas unterhalten, was für eine Tschefurenfamilie nicht zu packen ist. Zu Hause isst du in zehn Minuten und gehst weiter fernsehen. Oder Geschirr spülen. Je nach Geschlecht. Aber ich kann mir nicht vorstellen, mit Radovan und Ranka zwei Stunden beim Essen zu sitzen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Radovan und Ranka zwei Stunden beim Essen sitzen ohne mich. Too much! Diese Familienunterhaltungen gibt es sowieso nur in amerikanischen Serien. Ich hab mich im Leben nicht mit Radovan unterhalten. Oder mit Ranka. Wir fragen uns nur was und geben Antwort.

      „Hast du deine Hausaufgaben gemacht?“

      „Mhm!“

      „Hast du heute ein Spiel?“

      „Morgen.“

      Radovan hat mit