Miriam ging zwei Schritte zur Seite, damit er sie nicht schubsen konnte.
Die Mutter sagte: »Wollen wir zu einer guten Frucht der Gerechtigkeit werden, so müssen wir in früher Jugend anfangen, uns dem Dienste GOttes zu weihen und uns IHm mit unserem ganzen Leben hinzugeben. Wir müssen nicht uns, sondern GOtt leben. Wir müssen zu einer neuen Frucht wachsen. Sonst wird es uns einmal gereuen, wenn wir auch im neuen Leben noch so viel von dem alten Menschen in uns haben, was uns ewig hindern wird, als vollkommen neue Frucht einst in SEin Reich einzugehen. Manche Menschen kommen auf die Erde und sind von einer Art, die sie nicht ablegen können. Das sieht man ihnen ewig an, weil sie als ganz alte Menschen auferstehen, gar nichts Neues angenommen haben und auf ewig als unbrauchbar verworfen werden, wie eine alte Kartoffel, die man zu nichts gebrauchen kann. Denn nur, was man durch das Wort GOttes lernt, taugt einst in jener Welt.«
Die Mutter sagte all das mit einer Stimme des hohen Ernstes. Sie wollte ihren Kindern etwas mitteilen, das diese nie vergessen würden. Die Mutter als Pfarrerin. »Lass mich doch in Ruh«, wollte Johannes sie anschreien. Er sagte: »Danke. Das werde ich mir merken.« Dabei spürte er den Teufel in sich. Er spürte die Hörner, die ihn in den Magen stachen und die ihm den Schlund heraufkriechen wollten. Er wollte in Ruhe gelassen werden. Von der Mutter. Vom Dorf. Er wollte in Ruhe gelassen werden von den Kartoffeln. Vor allem von den Kartoffeln. Er wollte nicht zu einer neuen Frucht werden. Wie seltsam die Mutter sprach. Als hätte sie etwas auswendig gelernt, damit sie es ihnen mitteilen konnte, wenn der Vater nicht in der Nähe war. Wahrscheinlich hatte sie schon Wochen darüber nachgedacht, was sie zu ihren Kindern sagen könnte. Immer wieder nahm sie Kartoffeln aus dem weißen Plastikeimer und steckte sie in die Erde. Ein paar in die rechte Furche. Ein paar in die linke Furche. Hinter ihr durften Johannes und Miriam mit der Hacke von rechts und links Erde in die Furchen hineinziehen und zu einem Haufen über den Kartoffeln formen. Miriam links, Johannes rechts. Aufhäufeln, nannte die Mutter das. Die Erde roch. Sie lud ein. Johannes ließ sich fallen. Zur Seite. Und riss Miriam mit sich zu Boden. Auf Kartoffeln und Würmer. Er lachte. Das Fallen in den Dreck gefiel ihm. Und Miriam sollte mit ihm fallen. Er konnte nicht mehr aufhören zu lachen. Er wusste, dass es nicht lustig war. Aber solange er lachte, gab es keine anderen Worte. Er lachte sich weg von der Mutter und weg von den Kartoffeln.
»Du Idiot.«
»Jetzt seid ihr aber gleich still, sonst sag ich’s nachher dem Vater.«
35
Sie waren still. Das Leben war Stille. Das Leben war ein Warten. Ein Warten auf Nähe, die aus der Ferne kam, weil sie aus der Nähe nicht kommen konnte. Aus der Nähe konnte keine Nähe kommen. Nur aus dem, was anders war, konnte Nähe kommen. Eine Erlösung. Ein Hiersein. Zwischen Wolken und Wasser. Zwischen Decke und Fenster. Zwischen Er und Sie. So spielte der Frühjahrswind. Er richtete sich ein in ihnen.
Führe mich, o HErr, und leite meinen Gang nach DEinem Wort.
Der Zwanzigmarkschein, den er aus dem Geldbeutel des Vaters nahm, verursachte Schläge. Der Zwanzigmarkschein war die Strafe, die der Vater bezahlen musste.
Johannes sah die verwirrten Augen. Er sah den Schmerz und die Ferne. Miriam war zwei Personen geworden. Sie war bei ihm, und sie war die geworden, die dem Vater beichtete und die dem Vater vergab. »VAter, vergib ihm, denn er weiß nicht, was er tut.« Er sah das Gesicht des Vaters. Er sah die Zähne im Vatergesicht. Der Vater sprach sich selbst Mut zu: »Du hättest ganz andere verdient.«
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