Luzern wirkte denn auch bahnbrechend. Schon zwanzig Jahre später schlossen sich mit Zürich, Zug und Bern weitere Städte diesem Bündnis an, das zum Kern eines neuen Staatsgebildes wurde – der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Für Luzern selbst aber bestand eine schicksalshafte Folge dieses Bündnisses darin, dass es nun gleichsam mit dem Rücken zum Mittelland stand, von wo im 18. und 19. Jahrhundert die modernen wirtschaftlichen und politischen Strömungen kamen.
Die Häuser im Süesswinkel gehören zur ältesten Befestigungszeile gegen den Löwengraben. Beim Göldlinhaus im Hintergrund wurde später ein Säulenhof eingebaut.
Überblick
Um 750: | Entstehung des Benediktinerklosters St. Leodegar im Hof (Nr. 50), das um 1135 unter die Herrschaft der elsässischen Abtei Murbach gelangt. |
1168: | Erwähnung der Reussbrücke (Nr. 27). |
1178: | Mit der Stelle eines Leutpriesters an der St. Peterskapelle (Nr. 1) verlagert sich die Seelsorge vom Kloster in die Stadt. |
1210: | Erste Erwähnung der luzernischen Bevölkerung als Bürger. |
1240: | Die Franziskaner errichten ihr Kloster (Nr. 15) am Südrand der Kleinstadt; es wird Gegenpol zum stadtherrlichen Kloster im Hof. |
1230–80: | Gross- und Kleinstadt erhalten ihren ersten Befestigungsring aus geschlossenen Häuserzeilen. |
1252: | Im «Geschworenen Brief» sind als Organe der Stadt die Bürgerschaft, die Schultheissen, der Rat der 36 und der Grosse Rat erkennbar. Seit 1241 führt die Stadt ihr eigenes Siegel. |
1291: | Das Kloster Murbach verkauft alle seine Rechte über Kloster und Stadt Luzern an König Rudolf von Habsburg. |
Um 1300: | Erstes Rathaus am Fischmarkt. |
1332: | Luzern schliesst ein ewiges Bündnis mit den drei Länderorten Uri, Schwyz und Unterwalden. |
1333: | Gescheiterter Aufstandsversuch der habsburgisch Gesinnten, so genannte Mordnacht. |
Von der Stadt zum Stadtstaat (1386 – um 1520)
Mit dem Sieg 1386 in der Schlacht bei Sempach über das Reiterheer Herzog Leopolds von Österreich beginnt – wenn man so will – die heroische Phase Luzerns. Dieser Sieg bedeutet das Ende der habsburgischen Staatsbemühungen im Raum der Schweiz; gleichzeitig zeigt die Niederlage des Reiterheers gegen die leicht bewaffnete Bürger- und Bauerninfanterie, dass die Zeit des Rittertums vorüber ist. Für Luzern aber beginnt eine Zeitspanne unglaublich rascher Expansion. In nur etwa drei Jahrzehnten wird durch Eroberung, Kauf oder Burgrecht das Herrschaftsgebiet erworben, das im Grossen und Ganzen dem heutigen Kanton entspricht. Diese Expansion kann allerdings nur auf relativ schmaler Front nach Norden erfolgen; im Süden verhindern sie die verbündeten Waldstätte, und im Westen wie auch im Norden grenzt das aufstrebende Bern Luzerns Wachstum ein. Dennoch ist der Wandel erstaunlieh: Wo noch 1350 ein habsburgisches Fürstentum zu entstehen schien, breitet sich nun die Stadtrepublik Luzern aus, die 1415 von Kaiser Sigismund die Reichsfreiheit erhält, und ein kräftiges Glied des seit 1353 acht Stadt- und Länderorte umfassenden eidgenössischen Bundes bildet. Mit diesen nimmt Luzern an manchen Eroberungszügen teil und erwirbt sich die Mitsprache und Nutzniessung an den eidgenössischen Vogteien im Aargau und Thurgau, im Rheintal und im Tessin. Gleichzeitig baut die Stadt ihre eigene Landeshoheit aus, unterwirft ländliche Gebiete (die so genannte «Landschaft») ihrem Recht, erhebt Steuern und setzt beamtete Vögte ein. Dass diese ihre Ämter von der Hauptstadt aus und nicht vor Ort verwalten, gibt der Luzerner Herrschaft von Anfang an einen zentralistischen Zug. Hier liegt der Keim für manchen späteren Konflikt, da es der Landschaft – namentlich dem Entlebuch – nicht an Selbstbewusstsein mangelt.
Ausschnitt aus der Luzerner Stadtansicht von Martinus Martini (1565–1610). Der Ausschnitt zeigt in der Bildmitte die Reussbrücke (Nr. 27), im Vordergrund die Kleinstadt zwischen Pfistergasse links und Freienhof rechts und in der oberen Bildhälfte die südwestliche Altstadt und die Museggmauer (Nr. 38) mit Nölli- und Männliturm, Luegisland, Heuturm und Zytturm.
Die Expansion ist umso erstaunlicher, als sie in eine Zeit schwerer demografischer und wirtschaftlicher Krisen fällt. Die Pest um 1350 und später die zahlreichen Kriege bewirken, dass die Stadtbevölkerung um rund 40% zurückgeht. Auch die Landschaft ist von schweren Krisen betroffen, erholt sich davon aber schneller. Erst um 1570 dürfte es in Stadt und Land wieder etwa gleich viele Luzernerinnen und Luzerner gegeben haben wie um 1300, nämlich rund 30 000 Einwohner.
Überblick
1386: | Sieg Luzerns über Habsburg in der Schlacht bei Sempach. |
1380–1415: | Erwerb des Herrschaftsgebiets, u.a. der «Ämter» Entlebuch, Willisau, Wolhusen und Rothenburg, der Landstädte Sempach und Sursee, des Stifts Beromünster und des Michelsamtes. |
1392: | Erste Einsetzung von Luzerner Vögten im neu erworbenen Herrschaftsgebiet. |
1415: | Luzern wird reichsfrei. |
Um 1430: | Fertigstellung des äusseren Befestigungsrings mit Museggmauer (Nr. 38), Kapell- und Spreuerbrücke (Nr. 22 u. 23) usw. |
1415–1513: | Beteiligung luzernischer Truppen anzahlreichen Kriegen, u.a. an den Burgunderkriegen 1474–1477 und am Schwabenkrieg 1499, sowie bei der Eroberung des Aargaus 1415, des Thurgaus 1460 und der Vogteien im Tessin 1500–1513. |
1416: | Aufzeichnung aller Rechte Luzerns in seinem Herrschaftsgebiet. |
1417: | Einführung des «Bösen Pfennigs» als Weinumsatzsteuer auf dem Land. |
Um 1450: | Bau des neuen Rathauses am Kornmarkt (Nr. 4) |
1472: | Bau des Zeughauses an der Reuss |
1474: | In der «Ewigen Richtung» anerkennt Habsburg die eingetretenen territorialen Veränderungen. |
1479: | Im «Generalauskauf» erwirbt Luzern alle dem Kloster Murbach verbliebenen Rechte über die Stadt. |
Ab 1500: | Nach zahlreichen Grossbränden (1412 und 1462 in der Pfistergasse, 1422, 1444 und 1508 an der Weggisgasse) langsame, vom Rat durch mehrere Erlasse geförderte Umwandlung der hölzernen in eine steinerne Stadt. |
Vorort der katholischen Schweiz (um 1520–1798)
Die Reformation, die ab 1519 in der Schweiz zum Thema wird, hat in Luzern aus politischen und wirtschaftlichen Gründen keine Chance. Zum einen wirkt sich die starke Verbindung Luzerns zum Süden und zu den drei Urkantonen Uri, Schwyz und Unterwalden aus, und zum andern gefährdet Zwinglis Ablehnung der Solddienste die Haupteinnahmequelle der führenden Luzerner Familien.
Dazu kommt, dass Zwinglis Protestantismus mit seinem rationalen und asketischen Grundzug der einheimischen Bevölkerung fremd bleibt,