Neben den Tages- und Wochenmärkten gab es seit der Frühzeit in Luzern aber auch die grossen Messen, von denen die zweiwöchige Leodegarsmesse anfangs Oktober bis heute weiterlebt. Die «Määs» ist mit vielen Waren- und Imbissständen und ihrem Lunapark, der sich vom Bahnhof bis zum Inseli (Nr. 78) hinzieht, bei Jung und Alt sehr populär, und zieht Jahr für Jahr 300000 und mehr Besucher an.
Die Sternsinger in der Vorweihnachtszeit auf dem Kornmarkt (Nr. 3).
Die Prozession an Fronleichnam auf der Reussbrücke (Nr. 27).
Kirchliches Brauchtum
Die jahrhundertelange Prägung Luzerns durch die katholische Kirche zeigt sich bis heute auch in einigen öffentlichen Bräuchen. Im Advent am Anfang des Kirchenjahres feiert man in der Hofkirche jeweils St. Nikolaus mit einem würdevollen Auszug des Heiligen samt Gefolge, darunter auch die schwarzen «Schmutzlis». Am ersten Adventssonntag zieht von der Pfistergasse her ebenfalls ein weithin hörbarer Klausumzug in die Stadt. Er umfasst glockenschwingende «Treichler», peitschenknallende «Geisslechlöpfer» und die «Niffeleträger» von Küssnacht, die auf dem Kopf ihre grossen, reich verzierten Laternen tragen. Am vierten Adventssonntag kann man auf den Plätzen der Altstadt den Luzerner Spielleuten beim Adventssingen begegnen, zu deren Zug die Heilige Familie, die Hirten mit ihren Tieren sowie die Drei Könige gehören. In der Silvesternacht klingt das alte Jahr mit Musik von den Türmen der Hofkirche aus, und anschliessend wird in der voll besetzten Kirche Gottes Schutz und Segen erbeten. In den Tagen um Dreikönige sind Gruppen der Sternsinger unterwegs, die auf die Türbalken der besuchten Häuser mit Kreide ihr CMB hinschreiben, was auf Caspar, Melchior und Balthasar – die Namen der drei Könige, die dem Christkind in der Krippe huldigten – hinweist, aber vielleicht auch «Christus mansionem benedicat» – Christus segne dieses Haus – bedeutet. Am Karfreitag begibt sich um die Mittagszeit von der Peterskapelle hinter einem grossen Holzkreuz her eine Prozession auf einen modernen Kreuzweg. Auffahrt (Christi Himmelfahrt) ist vor allem ein Fest des ländlichen Luzern. In sechs Gemeinden, darunter Sempach, Beromünster und Ettiswil, reiten die Gläubigen mit dem Priester in einer Segensprozession durch Feld und Flur. In der Hofkirche wird dieses biblische Ereignis anschaullich gemacht, indem ein Christusbild in das Kirchengewölbe aufgezogen wird. An Fronleichnam findet auf dem Franziskanerplatz ein Gottesdienst mit anschliessender Prozession zur Hofkirche statt. Auf der Reussbrücke erteilt der Priester den Segen in alle vier Winde, während vom Gütsch her die Salven der Bruderschaft der Herrgottskanoniere über die Stadt donnern. Am Bettag im September finden in mehreren Kirchen sowie auf dem Kapellplatz ökumenische Gottesdienste statt.
Rüüdig turbulent – Fasnacht in Luzern
Wer erleben will, wie gegen Winterende urtümliche Gefühle die Menschen überkommen, muss in die Luzerner Fasnacht eintauchen. Sie ist ein stürmisch-anarchischer Ausbruch von Lebenslust, und in ihrer Spontaneität nicht zu vergleichen mit der Basler Fasnacht, die sich in ihrem strengen Ablauf daneben ausnimmt wie eine preussische Drillübung. Wenn auch seit fünfzig Jahren die «Guggenmusigen» (fasnächtlich verkleidete Musikgruppen) überhand genommen haben – am Monsterkorso zum Fasnachtsschluss sind es jeweils an die hundert –, so haben sie doch die individuellen Masken nicht verdrängt. Im Gegenteil: Wenn sie durch die Gassen schränzen und ihre kakophonischen Wellen von den alten Mauern zurückbranden, bildet das recht eigentlich den Takt, zu dem buchstäblich die halbe Stadt tanzt, singt und hüpft. Es wäre auch falsch zu sagen, man gehe an die Fasnacht: Man taucht vielmehr in sie ein und wird vom Strom einfach mitgezogen. Früher oder später landet man dann dort, wo das eigentliche Herz der Fasnacht schlägt: bei der Eggstiege am Rathaus und den Arkaden Unter der Egg. Es gibt in Luzern Leute, die während der Fasnacht tagelang selig dahintreiben in einer chaotischen Woge von Lärm, grotesken Gestalten und Kaffee-Schnaps-Düften. Die wohl poesievollsten Bilder dieser Tage sind die kleinen Gruppen und Einzelnen, die traumverloren umherziehen, und deren fantastischen Gewänder, bizarren Masken und mächtigen «Grinde» (Masken, die den ganzen Kopf bedecken) sich im Wasser der Reuss widerspiegeln. Die grossen Umzüge hingegen, die am «Schmutzigen Donnerstag» (Donnerstag vor dem Rosenmontag) und am «Güüdis-Montag» (Rosenmontag) stattfinden, sind etwas konventionell: Die Sujets der vielen Wagen werden zwar kunstvoll und mit viel Aufwand gestaltet, aber Witz und Skurrilität finden sich eher im Individuellen.
Kleine Gruppen in fantastischen Gewändern und mit mächtigen «Grinden» (Masken), die sich genüsslich inszenieren oder traumverloren umherziehen.
Die Luzerner Fasnacht beginnt am «Schmutzigen Donnerstag» in aller Frühe. Ein paar Minuten vor fünf Uhr taucht am Schweizerhofquai aus dem Dunkel der Nacht der Nauen mit dem Bruder Fritschi und den Honoratioren der Zunft zu Safran auf, der dieser Tag seit undenklichen Zeiten gehört. Der Zug bewegt sich zum Kapellplatz, wo schon Tausende in der kalten Nacht auf ihn warten. Punkt fünf Uhr ertönt dann der gewaltige Urknall, und wie unter dem Eis hervor brechen schlagartig Ausgelassenheit und Begeisterung los, die sich erst in der Morgenfrühe des Aschermittwochs wieder legen. Der Montag – der hier «Güüdis-Montag» heisst – gehört der Weyzunft, einer 1925 gegründeten Fasnachts-Gesellschaft. Am Abend des «Güüdis-Dienstags» lockt der Monsterkorso der «Guggenmusigen» dann noch einmal Zehntausende in die Stadt, wo das normale Leben für fast eine Woche aussetzte, und wo nun die kollektive Depression ausbrechen würde – gäbe es nicht die Gewissheit, dass in einem Jahr wieder Fasnacht ist.
Wer ist Bruder Fritschi?
Er ist der Held des «Schmutzigen Donnerstags». Seine Ankunft gibt das Signal zum Fasnachtsbeginn. Am Nachmittag bildet der Fritschiwagen, auf dem er sich mit der Fritschene – beide markiert von stämmigen Safranzünftlern – befindet, den Höhepunkt des langen Korsos. Ihr Wagen umrundet dreimal den Fritschibrunnen auf dem Kapellplatz. Die Safranzunft, deren Emblem er sozusagen ist, heisst auch Fritschizunft und ihr Zunftmeister Fritschivater.
Wer Bruder Fritschi aber eigentlich ist, weiss niemand. Seit er um 1450 in Luzern auftauchte, hat er vielerlei Gestalt angenommen. Im 15. und 16. Jahrhundert wurde er als Greisenpuppe aus Stroh abgebildet, die gelegentlich in andere eidgenössische Orte entführt wurde und dann jedes Mal unter tagelangen Festlichkeiten wieder zurückgeholt werden musste. Er war also eine Art freundeidgenössische Maskotte. Nicht selten wurde er aber auch als Luzerns ältester Bürger bezeichnet, der durch seinen kräftigen Hang zum schönen Geschlecht und durch seine Potenz auffiel, was eher auf einen Frühlingskult verweist. Und so erleben ihn die Luzerner auch heute noch: Als ein Sinnbild unverwüstlicher Lebenslust, das sie auffordert, auch in ernsten Zeiten die Lust am Leben nicht zu verlieren.
Musikstadt Luzern
Wenn es ein Ereignis gibt, das den Namen der Stadt Jahr für Jahr in