Wie bereits angemerkt gibt es eine Abfolge durch die vier Bände, von dem „Was“ und dem „Warum“ der Achtsamkeit darüber, „wie“ wir sie in unserem Leben kultivieren können, über die Gründe, die uns dazu motivieren mögen – in anderen Worten das „Versprechen“ der Achtsamkeit –, bis zu deren Verwirklichung darin, wie wir von Moment zu Moment unser Leben leben. Ich hoffe, dass Sie darin viel Wertvolles für sich entdecken werden!
* Steven Chu, Stanford University, Physiknobelpreisträger, Mind and Life Institute, Dialogue X, Dharamsala, Indien, Oktober 2002.
* Lassen Sie sich von dem Begriff „orthogonal“ nicht einschüchtern. Er bedeutet einfach „um neunzig Grad“ im Verhältnis zu dem verwendeten Koordinatensystem. Er soll eine neue Dimension jenseits der konventionellen beschreiben, mit denen wir vertraut sind, um uns eine neue Perspektive auf das Ganze zu geben, die auf dieser größeren Dimensionalität beruht.
Erster Teil
Meditation ist nicht, was Sie denken
Die Bandbreite dessen,
was wir denken und tun,
wird von dem begrenzt,
was wir wahrzunehmen versäumen.
RONALD D. LAING
Da gibt es dieses Etwas in mir …
Ich weiß nicht, was es ist …
aber ich weiß, es ist in mir.
WALT WHITMAN
Meditation ist nichts für Feiglinge
In einer Zeit, in der die Dinge sich so schnell verändern wie heute, ist es gar nicht so leicht, von der zeitlosen Schönheit und dem Reichtum des gegenwärtigen Augenblicks zu sprechen. Doch je schneller die Umstände sich verändern, desto wichtiger ist es, dass wir gelegentlich in das Zeitlose eintreten und uns sogar darin niederlassen. Sonst könnten wir den Kontakt zu Dimensionen unseres Menschseins verlieren, die den Unterschied zwischen Glück und Elend ausmachen, zwischen Weisheit und Torheit, zwischen Wohlsein und dem kraftraubenden Tumult im Geist, im Körper und in der Welt, den ich „Un-Wohlsein“(dis-ease) nenne. Denn unsere Unzufriedenheit ist tatsächlich eine Krankheit (disease), selbst wenn sie uns nicht als solche erscheint. Manchmal bezeichnen wir diese Gefühle und Zustände, dieses Un-Wohlsein, das wir so oft empfinden, umgangssprachlich als „Stress“. Gewöhnlich sind sie unangenehm, sie belasten uns. Und sie gehen immer mit einem subtilen Gefühl des Unbefriedigtseins einher.
Im Jahr 1979 habe ich am Medical Center der University of Massachusetts in Worcester die Stress Reduction Clinic gegründet. Denke ich heute an jene Zeit zurück, dann frage ich mich allerdings: „Welcher Stress?“ So sehr hat sich die Welt inzwischen verändert, so sehr hat sich das Tempo unseres Lebens beschleunigt, und so nah sind die Wechselfälle und Gefahren des Lebens an unsere Haustür herangerückt. Wenn es damals bereits wichtig war, unsere persönliche Situation und unsere Umstände nüchtern zu betrachten und im Interesse von Gesundheit und Heilung neue und kreative Umgangswege zu finden, so ist es heute, da wir in einer Welt leben, die in zunehmendes Chaos und wachsende Geschwindigkeit hineinkatapultiert worden ist, während sie gleichzeitig wesentlich vernetzter und kleiner wurde, noch unendlich viel wichtiger und dringlicher.
In einer Zeit mit solch exponentieller Beschleunigung und zunehmender Destruktivität ist es wichtiger und dringlicher denn je, dass wir lernen, im Zeitlosen zu Hause zu sein und daraus Trost zu schöpfen und Klarsicht zu gewinnen. Das war von Beginn an das zentrale Anliegen des Curriculums unserer Stress Reduction Clinic, das inzwischen als MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction) bekannt ist. Ich spreche dabei nicht von einer fernen Zukunft, in der Sie nach jahrelangem Bemühen endlich irgendwo angelangen, den Geschmack von der zeitlosen Schönheit und der Wirkung meditativen Gewahrseins kosten, um dann fortan ein effektiveres, befriedigenderes und friedlicheres Leben führen zu können. Ich spreche davon, dass Sie in ebendiesem Augenblick zum Zeitlosen Zugang finden können – weil es sozusagen schon immer genau vor unserer Nase liegt – und dass Sie damit auch Zugang zu jenen Dimensionen des Möglichen erhalten, die uns gegenwärtig verborgen bleiben, weil wir uns weigern, präsent zu sein, weil wir so sehr verführt, konditioniert, hypnotisiert oder verschreckt sind, dass wir uns in die Zukunft oder die Vergangenheit flüchten. Wir lassen uns davontragen vom Strom der Ereignisse, von den Wetterumschwüngen unserer Reaktionen und unserer eigenen Taubheit, ständig mit dem beschäftigt, wenn nicht gar von ihm besessen, was wir oft gedankenlos als „dringend“ bezeichnen, während wir zugleich den Kontakt zu dem verlieren, was für unser Wohlergehen, für unsere geistige Gesundheit und sogar für unser Überleben wirklich wichtig, überaus wichtig, ja geradezu lebenswichtig ist. Dieses Eingenommensein von der Zukunft und der Vergangenheit ist uns dermaßen zur Gewohnheit geworden, dass wir meistens über keinerlei Gewahrsein des gegenwärtigen Moments verfügen. Die Folge davon ist, dass wir wenig oder überhaupt keine Kontrolle über die Höhen und Tiefen in unserem Leben und in unserem Geist zu besitzen meinen.
Viele Jahre lang bot unser Institut, das Zentrum für Achtsamkeit in Medizin, Gesundheitswesen und Gesellschaft (Center for Mindfulness in Medicine, Health Care, and Society [CFM]), eine Broschüre für Führungskräfte in der Wirtschaft an, in der die Achtsamkeitskurse und Schulungsprogramme beschrieben wurden. Darin hieß es zu Beginn: „Meditation ist nichts für Feiglinge, nichts für Menschen, die aus Gewohnheit die leise Stimme der Sehnsucht ihres Herzens ignorieren.“ Dieser Satz stand dort natürlich mit voller Absicht; er sollte all jene von der Teilnahme abschrecken, die noch nicht bereit sind für das Zeitlose, die es nicht verstehen würden oder die noch nicht genügend Raum in ihrem Herzen und ihrem Verstand schaffen könnten, um einer solchen Erfahrung oder einem derartigen Gedanken überhaupt eine Chance zu geben. Wären solche Menschen zu einem unserer fünftägigen Programme gekommen, dann hätten sie wahrscheinlich die ganze Zeit gegen ihren eigenen Geist angekämpft und die Meditationspraxis als unsinnig, als reine Folter, als extrem langweilig oder einfach als Zeitverschwendung erlebt. Höchstwahrscheinlich wären sie so sehr mit ihrem Widerstand und ihren Einwänden beschäftigt gewesen, dass sie niemals in den kostbaren und dabei so kurzen Momenten angekommen wären, die wir erleben können, wenn wir auf diese Weise unsere tatsächliche Erfahrung von Moment zu Moment erkunden.
Von den Menschen, die dann tatsächlich zu den Retreats auftauchten, konnten wir hingegen annehmen, dass sie entweder wegen oder trotz dieses Satzes gekommen waren. So oder so wäre bei ihnen – so war unsere strategische Überlegung – eine implizite, wenn nicht gar unerschrockene Bereitschaft vorhanden, die innere Landschaft des Geistes und des Körpers zu erkunden, jenen Bereich, den die alten chinesischen Daoisten und Chan-Meister „Nichttun“ genannt haben. Dies ist die Domäne der wahren Meditation, in der es so aussieht, als würde hier nichts oder nicht viel passieren oder getan werden, in der jedoch gleichzeitig nichts Wichtiges ungetan bleibt, sodass sich als Konsequenz auf bemerkenswerte Weise jene geheimnisvolle Energie eines offenen, wachen Nichttuns in der Welt des Tuns manifestieren kann.
Wir schwimmen Tag für Tag im Strom des Lebens, und wie es halt so ist, hören wir dabei die meiste Zeit nicht auf die geflüsterte Sehnsucht unseres eigenen Herzens, insbesondere da unsere Aufmerksamkeit in so viele verschiedene Richtungen gezogen wird und wir zunehmend abgelenkt sind. Und ich will auch keineswegs behaupten, dass Meditation immer leicht oder angenehm ist. Sie ist einfach, aber durchaus nicht immer leicht. So wird es nicht leicht sein, in einem geschäftigen Leben regelmäßig auch nur eine kurze Zeitspanne für eine formelle Meditationsübung aufzubringen, ganz zu schweigen davon, sich daran zu erinnern, dass Achtsamkeit, wie man sagen könnte, auf „informelle“ Weise in jedem der sich entfaltenden Augenblicke unseres Lebens zugänglich ist. Doch manchmal können wir das, was unser Herz