Als wir in einen steilen unbefestigten Weg im Wald abbiegen, ist es Nacht. Der Geländewagen rutscht und heult auf, als seine Räder in Schlamm und Blättern durchdrehen. Wir klettern schnell raus und versuchen, das Auto den Hügel hinaufzuschieben, aber es gelingt uns nicht. Deshalb entladen wir Decken, Ponchos, prall gefüllte Einkaufstaschen und den Metate, teilen alles unter uns auf und schleppen uns vorwärts, geleitet vom schwankenden Lichtkegel einer Taschenlampe. In der feuchtkalten Luft können wir unseren Atem sehen.
Wir kommen zu einer Lichtung, auf der ein einfaches, grob zusammengezimmertes Etwas steht. Ein Kreis von Holzpfeilern trägt ein Spitzdach aus Wellblech. Abgesehen von einer niedrigen umsäumenden Mauer ist der Raum ungeschützt Wind und Wetter ausgesetzt. In der Mitte des gestampften Lehmbodens befindet sich eine mit Asche und Holzkohlestücken gefüllte Grube. Wir stellen alles ab, was wir hochgetragen haben, und gehen dann nach draußen, um Feuerholz für die Zeremonie zu sammeln.
Niemand scheint in Eile zu sein. Die anderen plaudern, scherzen und rauchen Zigaretten. Es dauert etwa eine Stunde, bis wir genügend Äste und Baumstämme in den runden Raum gezogen und getragen haben, um damit das Feuer anzufachen. Der Mara’akame breitet eine Decke aus, setzt sich hin und beginnt, die Einkaufstaschen auszupacken. Gefiederte Utensilien kommen zum Vorschein, dann ein Hut mit Quasten, Handtrommeln, Schachteln mit billigen Kerzen, Tassen und schließlich ein sorgfältig in ein weißes Tuch gewickeltes Päckchen.
Aus dem Inhalt einer weiteren Tasche hat Andrés einen provisorischen Altar gebaut. Vor einem billigen Druck der Madonna von Guadeloupe arrangiert er Kerzen und Orangen. Er bittet jeden von uns, die Texte, die wir vorbereiten sollten, auf den Altar zu legen. An jenem Morgen hatte ich das dritte Gedicht der Vier Achter von Hand abgeschrieben. »Der Priester ohne Begrenzungen« lautet seine letzte Strophe,
beharrt nicht auf dem, was er weiß oder betrachtet hat.
Nicht leidenschaftlich, nicht leidenschaftslos,
ernennt er nichts zum Höchsten.
VIER ACHTER, 3:8
Ich hoffe, dieser Geisteshaltung weiterhin treu zu bleiben. Mit so viel Ehrfurcht, wie ich aufbringen kann, lege ich das gefaltete Blatt Papier vor die Madonna.
Don Toño bedeutet uns, zu ihm rüberzukommen. Er ist ein kleiner, stämmiger, dunkelhäutiger Mann wie viele der Bauern, die ich anderswo in Mexiko gesehen habe. Unter dem gelblichen Licht einer Paraffinlampe knotet er das in Stoff eingewickelte Päckchen auf und ein halbes Dutzend frischer Peyote-Kakteen, die er und Andrés am Vortag in der Wüste gesammelt haben, kommen zum Vorschein. Jede pralle mattgrüne Lophophora williamsii hat einen Durchmesser von ungefähr zehn Zentimetern und besteht aus sechs symmetrischen Segmenten. Der Mara’akamane schneidet sie auf und reicht die Stücke herum. Er zeigt mir, dem Neuling, wie man die ins Kaktusfleisch eingebetteten Fasern herauslöst. Nach diesem fummeligen Arbeitsgang wird jedes Stück mit einem zylindrischen Stein auf dem Metate zerrieben, an dessen Ende der Saft über einen trichterförmigen Rand in eine Schale abläuft.
Der Saft wird mit Wasser verdünnt und dann ganz unzeremoniell in einen Plastikbecher gegossen. Jeder von uns nimmt sich einen. Dem Beispiel der anderen folgend, trinke ich die Flüssigkeit in kleinen Schlucken, bis der Becher leer ist, dann fische ich mit meinen Fingern die verbliebenen Fruchtfleischfäden heraus. Alles hat einen leicht bitteren, aber nicht unangenehmen Geschmack. Ich spüre, wie sich die kalte Flüssigkeit in meinem leeren Magen sammelt.
Der Mara’akame fragt mich nach meinen Gründen für die Teilnahme an diesem Kreis. Ich sage ihm, dass ich in diesem Jahr sechzig Jahre alt geworden bin und eine Bilanz meines Lebens ziehen möchte, einen Schritt zurücktreten und betrachten, was ich in den letzten vierzig Jahren als Schüler, Praktizierender und Lehrer des Buddhismus erreicht habe. Um dies zu bewerkstelligen, habe ich mich entschlossen, meine Erfahrungen unter dem Einfluss von Psychedelika nochmals zu durchdenken. Als junger Mann hatten sie einen so prägenden Einfluss auf mich, dass ich mich dem Dharma zugewandt habe. Es ist für mich von Bedeutung, diese Substanzen im Rahmen einer religiösen Zeremonie sowie unter Anleitung eines Schamanen und in Begleitung anderer einzunehmen, und nicht einfach nur allein oder mit Freunden eine Pille einzuwerfen.
Wir versammeln uns in einem Kreis um das Feuer herum. Das wilde, knisternde Flammenspiel erzeugt noch nicht viel Wärme. Ich sitze da mit verschränkten Beinen, eingehüllt in einen roten Poncho aus dicht gewebter grober Wolle. Etwas entfernt von mir legt sich der Mara’akame auf den Boden, zieht eine blaue Heizdecke über sich und schläft ein. Nacho, der Jüngere, beginnt, einen einfachen Rhythmus auf einer Trommel zu schlagen.
Während der ersten ein oder zwei Stunden – ich habe keine Uhr und nur ein schwaches Zeitgefühl – bin ich davon überzeugt, dass nichts passiert. Ich verspüre eine leichte Magenverstimmung, die gelegentliches Aufstoßen von nach Kaktuspüree schmeckender Luft verursacht. Gewiss, ich erlebe eine gewisse Stille und Klarheit, aber nicht mehr, als wenn ich die gleiche Zeit in Meditation verbracht hätte, was genau das ist, was ich bisher getan habe. Wenn ich mich so umsehe, scheint sich von den anderen niemand Sorgen zu machen. Sie unterhalten sich leise, laufen ein bisschen umher, um ihre Beine zu strecken, klopfen eine Weile auf eine Trommel. Ich schreibe meine Besorgnis meiner Unerfahrenheit mit dieser mir neuen Medizin zu.
5
Über die Einsamkeit
Michel de Montaigne
Ausgewählte Passagen aus den Essais
Es war eine melancholische Gemütsverfassung und damit eine Gemütsverfassung, die deutlich im Widerspruch zu meiner Natur stand, hervorgerufen durch den Verdruss der Einsamkeit, der ich mich vor einigen Jahren übergeben hatte, die mir zum ersten Mal diesen Tagtraum in den Kopf setzte, mich mit dem Schreiben zu beschäftigen. ||
Inzwischen glaube ich, dass das einzige Ziel der Einsamkeit darin besteht, mit mehr Muße und Behagen allein zu leben. ||
Ich bin nicht von Natur aus dem hektischen Treiben bei Hofe abgeneigt: Ich habe einen Teil meines Lebens darin verbracht und bin es gewohnt, in solchen Menschenmassen frohgemut meinen Geschäften nachzugehen – allerdings nur gelegentlich und wenn es mir beliebt. Meine Pedanterie bindet mich indes zwangsläufig an die Einsamkeit. Zuhause, in einem geschäftigen Haushalt mit vielen Besuchern, sehe ich viele Menschen, aber selten diejenigen, mit denen ich gerne rede. ||
Indem wir uns vom Amtsgebäude und Marktplatz befreien, befreien wir uns nicht von den wesentlichen Kümmernissen unseres Lebens. Ehrgeiz, Habgier, Unentschlossenheit, Ängste und Sehnsüchte werden uns wohl kaum verlassen, nur weil wir die Adresse wechseln. Sie verfolgen uns von sich aus in Klöster und philosophische Fakultäten. Weder Wüsten noch Höhlen, noch Büßerhemden, noch Selbstkasteiung können uns von ihnen befreien. ||
Aus diesem Grund genügt es nicht, sich von den Menschen zu entfernen, genügt es nicht, woanders hinzugehen. Wir müssen uns von den Gewohnheiten des gemeinen Volkes in unserem Inneren lösen. Wir müssen unser eigenes Selbst isolieren und es wieder in unseren Besitz überführen. Wir tragen unsere Fesseln immer mit uns herum; wir sind nicht vollständig frei. Wir richten unseren Blick immer wieder zurück auf die Dinge, die wir hinter uns gelassen haben; wir fantasieren andauernd über sie. ||
Unser Leiden ergreift uns in der Seele, und die Seele kann nicht sich selbst entfliehen. Also müssen wir sie zurückholen und zu sich selbst zurückführen. Das ist wahre Einsamkeit: Man kann sie in Städten und Königshäusern genießen, jedoch günstigerweise abseits davon. ||
Die