Wir sind an ein hohes Maß negativer Gefühle und Missstimmungen so gewöhnt, dass uns das normal vorkommt – wie wir es als normal empfinden, unselbstständig, unkreativ und fremdbestimmt unsere wahren Kräfte schwinden zu lassen und unsere Herzensanliegen zu verschweigen.
Neuronale Muster unterdrücken Gefühle und Körperausdruck
Worauf wir als Kinder und junge Menschen von unserem Umfeld programmiert wurden, ist schließlich zum festen Bestandteil unseres eigenen Denkens und Glaubens geworden. Wir denken selbst, dass es besser ist, Gefühle zu verbergen, misstrauisch gegenüber jedem und allem zu sein, Vorsicht walten zu lassen, statt etwas zu riskieren. Wir sind fest davon überzeugt, dass Entscheidungen vor allem aus dem Denken und Überlegen heraus gefällt werden sollten und nicht aus dem Bauch.
Wir unterdrücken unsere spontanen Gefühlseingebungen und körperlichen Ausdrucksformen. Wir sagen oft noch Ja, wo wir längst schon Nein schreien sollten. Wir bewegen uns ohne Esprit und unsere Hände hängen lasch an unseren Seiten herab oder verkriechen sich in die Hosentaschen.
Es ist nicht nur unsere Gesundheit, die unter dem falschen Umgang mit Gefühlen leidet, unser gesamtes Leben ist davon betroffen: Erfolg, Konzentration, Lernen, Ausstrahlung, Leistungskapazität, Lebensenergie – all diese Faktoren sind unmittelbar mit unserem Fühlen verbunden.
Ob Sie erfolgreich sind oder gerade von einer Krankheit genesen, den ganzen Erfolg und die ganze Gesundheit werden Sie erst erlangen, wenn Ihr Gehirn gelernt hat, auch Ihren Gefühlen zu folgen.
Vom Gefühlstabu zur Gefühlskrankheit
Gefühle sind das Stiefkind der Leistungsgesellschaft. Mancherorts beginnt langsam ein Umdenken, doch zumeist werden Emotionen nach wie vor zur Tabuzone erklärt, in die sich keiner zu weit hineinwagen darf.
Im Schulsystem beginnt das Umdenken langsam Früchte zu tragen. Doch es mangelt nach wie vor an der entsprechenden Ausbildung der Lehrkräfte – wie in der Berufswelt an der emotionalen Schulung vieler Führungskräfte.
Die Erkenntnisse der Molekularbiologie belegen jedoch eindeutig: Gefühle sind auf physiologischer Ebene die zentralen Botenstoffe und Hormone. Sie beeinflussen somit sämtliche Körper-, Geistes- und Mentalfunktionen.
Erkrankungen können unterschiedlichste, häufig auch genetische Ursachen haben. Viele sind jedoch Spätfolgen früh erworbener Verhaltensweisen und die meisten stehen in Zusammenhang mit den erlernten Abläufen unserer biochemischen Gefühlswelt.
Die renommierte amerikanische Neurowissenschaftlerin und Pharmakologin Candace B. Pert verweist in ihrem Buch „Moleküle der Gefühle“ darauf, dass Körper, Gefühl und Geist zusammen ein großes ganzheitliches Gehirn bilden – ein psychosomatisches Netzwerk. Drücken wir unsere Gefühle nicht aus, wird der biochemische Fluss im Körper unterbrochen. Und weil das die Informationsweitergabe blockiert, werden wir krank: 80 Prozent aller Krankheiten scheinen, so Candace Pert, durch unterdrückte Gefühle zu entstehen und auch die restlichen 20 Prozent scheinen etwas damit zu tun zu haben.
Die bahnbrechenden Entdeckungen der Molekularbiologie
Seit vier Jahrzehnten gibt es im Bereich der Molekularbiologie einen bedeutsamen interdisziplinären Zweig: die Psychoneuroimmunologie. Dieses Forschungsgebiet untersucht die Zusammenhänge zwischen Psyche, Gehirn, Hormon- und Immunsystem. In den vergangenen Jahren kamen Nobelpreisträger für Medizin aus den Reihen jener Wissenschaftler, die sich mit dieser Materie befassen.
Die im Folgenden beschriebenen Erkenntnisse sind stark vereinfachte Darstellungen der hochkomplexen biochemischen Prozesse. Sie sollen vor allem ein bildhaftes Verständnis für die Gefühle in unserem Körper vermitteln und zeigen, wie diese mit Krankheiten in Zusammenhang stehen.
Die Biochemie des Gefühls
Unser Körper besteht aus rund 70 Billionen Zellen. Der gesamte Organismus ist aus diesen Zellen aufgebaut. Ob es uns gut oder schlecht geht, ob wir gesund bleiben oder erkranken – all das hängt vom Zustand und der Funktionsfähigkeit der Zellen ab.
Unsere Lebenskraft und Gesundheit, unser Aussehen und Antrieb, die Fähigkeit, sich zu konzentrieren, zu lernen, sich zu bewegen oder auszudrücken, und noch vieles mehr – all das wird von der Leistungskapazität der Zellen bestimmt. Diese sind unsere elementaren Bausteine. Mit ihnen steht oder fällt alles.
Um uns die Biochemie der Gefühle anschaulich vor Augen zu führen, bedienen wir uns eines einfachen Vergleichs (auf diesen Vergleich kommen wir in diesem Buch noch mehrmals zurück): Stellen Sie sich jede Zelle des Körpers als riesige Chemiefabrik vor. Mehrere Millionen Türen führen von der Außenhülle, den Außenwänden der Fabrik, in das Innere. Hinter jeder dieser Türen beginnt ein Weg, der zur Schaltzentrale, dem Zellkern, führt.
Den ganzen langen Tag über und auch in der Nacht tauchen vor den Türen Botschafter auf. Jeder dieser Botschafter trägt einen Schlüssel bei sich, der eine der Türen aufsperrt. Die Botschafter stecken die Schlüssel ins Schloss, treten ein und machen sich durch die Gänge der Fabrik auf den Weg zur Schaltzentrale. Dort angekommen, überbringen sie ihre Botschaft: Sie teilen der Zentrale mit, was diese zu produzieren hat.
Bringen die Botschafter gute Nachrichten, dann produziert die Chemiefabrik Zelle Gesundheit, Lebendigkeit, Lebensfreude. Bringen sie negative Botschaften, erfüllt die Fabrik ebenso pflichtbewusst ihre Aufgabe und produziert Krankheit, Trägheit, Leere.
Bitte halten Sie sich diese Darstellung gut vor Augen. Die Chemiefabrik ist eine unserer Zellen. Die Türen in die Fabrik sind die sogenannten Rezeptoren auf der Zellmembran. Die Botschafter sind unsere Gefühle in Form von Molekülen, Hormonen, Peptiden und Neurotransmittern.
Jedes Gefühlsmolekül hat einen Schlüssel für einen der Rezeptoren. Sobald es den passenden Rezeptor gefunden hat, betritt es die Zelle und überbringt dem Zellkern seine Botschaft.
Wie bereits oben erwähnt, enthält dieser Vergleich die Basiserklärung für alle weiteren Ausführungen. Vor allem aber lässt sich davon jeder bedeutsame Hintergrund für unseren Gefühlshaushalt ableiten.
Gefühlsmoleküle überbringen der Zelle Botschaften
Endorphine, die allgemein bekannten Glücksmoleküle, sind zum Beispiel solche Gefühlsbotschafter, die besonders gute Informationen für Zelle und Zellkern bereithalten: Sie initiieren unser Glücksgefühl und reduzieren das Schmerzempfinden. Ein anderer Botschafter ist Serotonin, das für Lebensfreude und Motivation zuständig ist. Wann immer uns Wohlgefühle durchfluten, sind diese beiden Hormone im Spiel.
Andere Gefühlshormone sind Cortisol, das sogenannte Stresshormon, Adrenalin, der Angst- und Kampfstoff, oder Dopamin, das in jeder Belohnungssituation zum Einsatz kommt u. v. m.
Der Postverkehr zwischen den Zellen erfolgt durch bestimmte Botenstoffe, Hormone und Neurotransmitter. Diese treffen auf die Rezeptoren der Zellmembran. Die Rezeptoren sind die bereits erwähnten Millionen von Türen in die Zelle. Um den richtigen Rezeptor zu finden, schwingt jeder Botenstoff in einer speziellen Frequenz. Diese Vibration ist sozusagen der Schlüsselcode, um in die Zelle eindringen zu können. Wir nehmen diese Vibration der Botenstoffe und Rezeptoren oft als Kribbeln wahr. Im Magen-Darm-Bereich finden sich beispielsweise gehäuft Zellen, die in Aufregungszuständen Milliarden schwingender Gefühlshormone über die Rezeptoren der Zellmembranen aufnehmen. Genau dort spüren wir dann die berühmten Schmetterlinge im Bauch.
Das Geist-Gefühl-Körper-Netzwerk
Je nach Gefühlslage werden in unseren Drüsen verschiedene Gefühlsmoleküle mit entsprechenden Botschaften produziert. Jedes dieser Moleküle besteht biochemisch aus einem speziellen Hormoncocktail. Sobald