Ein weiteres wichtiges Ritualgerät ist der Thorshammer, der zum Weihen und Heiligen verwendet wird. Manche Leute bezweifeln, dass es in historischen Heiligtümern einen solchen Hammer gab, und ziehen das Zeichnen des Hammerzeichen (nordisch hamarsmark) mit der bloßen Hand vor. Im Eddalied Þrymskviða wird aber beschrieben, wie Thors eigener Hammer Mjöllnir der vermeintlichen Braut zur Weihe in den Schoß gelegt werden soll, sodass wohl anzunehmen ist, dass nach dem mythischen Vorbild zumindest im Hochzeitsritual auch historisch ein geweihter Hammer benutzt wurde. Es sollte ein eigens für Ritualzwecke hergestellter und durch keine profane Verwendung entweihter Hammer sein, vielleicht in Form eines der Thorshammer-Amulette, wie sie aus der Wikingerzeit erhalten sind. Ein solches Amulett kann auch als Ersatz dienen.
Da bei allen Ritualen draußen ein Feuer brennt, das den gemeinsamen Herd bildet, um den wir uns mit Göttern und Ahnen versammeln, braucht man in geschlossenen Räumen – es sei denn, man hätte tatsächlich noch einen Herd mit offenem Feuer – eine Feuerschale, Fackeln oder Kerzen, die es ersetzen. Ebenfalls nötig ist ein Gefäß mit Erde, die das Trankopfer aufnimmt, das man draußen direkt auf den Erdboden gießt. Die Erde aus dem Gefäß wird nach dem Ritual am besten dort, woher man sie genommen hat, wieder verstreut. Feuer-Ersatz, Erdschale und Trinkhorn sind die wesentlichen Geräte, die man braucht, wenn man einen Hausaltar errichten will. Er kann dazu dienen, kleine persönliche Zeremonien und familiäre Feiern abzuhalten, zu meditieren oder wiederkehrende Gebete zu sprechen, eignet sich aber nicht für große Rituale, die man im Freien durchführen sollte, und ist eigentlich auch kein germanischer Brauch. In Europa kennen wir Hausaltäre eher von den Römern, die damit ihre Haus- und Sippengeister, die Laren, verehrten.
Der Besitz ritueller Geräte ist natürlich nicht Voraussetzung, um Rituale abhalten zu können. Wer kein Horn hat, muss eben einen Becher nehmen. Es ist aber ratsam, sich nach und nach rituelle Geräte zu besorgen, die man ausschließlich der Verehrung der Götter weiht und immer wieder dafür verwendet, denn bei jedem Mal nehmen sie Heil auf und werden dadurch immer mächtiger. Solche Geräte sind heilig, da sie Heil bringen wie das Ritual selbst. Wenn wir sie an unsere Nachkommen weitergeben, werden sie eines Tages, wie es die Ritualgeräte früherer Zeiten waren, die heiligen Erbstücke der Ahnen sein.
Kultgemeinschaft und Priester
Große Rituale, die wir im Geist der êwa regelmäßig abhalten, um den Göttern für das Heil zu danken, das sie uns allen erweisen, sollte nach Möglichkeit jeder in Gemeinschaft feiern und nur in Ausnahmefällen auch einmal allein zelebrieren. Man kann eine Kultgemeinschaft nach mittelalterlichem Vorbild eine Gilde nennen. Die historischen, vor allem im nordischen und hanseatischen Bereich verbreiteten Gilden widmeten sich zwar der Verehrung christlicher Heiliger, taten dies aber mit Trinkritualen, die auf das heidnische Blót und Minni-Trinken zurückgehen und verdanken nicht zuletzt ihren Namen dem schon erwähnten Begriff gildi oder gilt/gelt für das Opfer. Der VfGH hat den Begriff der Gilde als Bezeichnung einer Form seiner Unterorganisationen wiederaufgenommen.
Die kleinste natürliche Kultgemeinschaft ist die Familie, in der bei unseren Ahnen, wie Tacitus berichtet, der Hausvater (pater familiae) die Riten leitete. Tacitus beschränkt diese Aufgabe auf die privaten, während er bei öffentlichen Riten Stammespriester (sacerdotes civitatis) erwähnt. Diese hatten auch einzelne rechtliche Aufgaben, unterschieden sich ansonsten aber, da Tacitus weitere Besonderheiten gewiss ebenfalls erwähnt hätte, nicht von den römischen Priestern, die seinen Lesern vertraut waren. Das heißt, sie waren weder religiöse Lehrer noch „Seelsorger“, spirituelle Führer oder „Eingeweihte“, sondern reine Kultpriester, deren Aufgaben sich auf den rituellen Bereich beschränkten.
Darauf weisen auch die meisten germanischen Bezeichnungen für „Priester“ hin, vor allem im Althochdeutschen: harugari und parauuari sind Männer, die am Altar (harug) bzw. im Heiligtum (paro) tätig sind, bluostrari bedeutet „Opferer“ und êwarto bzw. êwawarto und êsago sind der Wart und der Sprecher der êwa. Die letzteren Bezeichnungen sind auch im Angelsächsischen (æwawart) und Altfriesischen (âsega) überliefert und betonen mehr die rechtliche Funktion: êwarto und êsago sind verantwortlich dafür, dass die rituellen Pflichten erfüllt werden, und erklären, wie das zu geschehen hat; der friesische âsega ist überhaupt ein Rechtsgelehrter und Richter. Die Rechtsprechung gehörte auch zu den Aufgaben der isländischen Goden (nordisch goði, Mehrzahl goðar, für Frauen gyðja, Mehrzahl gyðjur), deren Amtsbezeichnung in heutigen Heidenkreisen der geläufigste Ausdruck für „Priester“ ist.
Obwohl goði wie auch die älteren Formen gudja auf Gotisch und cotinc auf Althochdeutsch „jemand, der mit den Göttern zu tun hat“ bedeutet und die Goden die Verwalter, in der Regel auch Besitzer der Heiligtümer waren und die gemeinschaftlichen Riten ihres Bezirks leiteten, können sie aber nur bedingt als Priester bezeichnet werden. Dies lässt sich daraus ableiten, dass sie, wie Bernhard Maier feststellt, „auf Island vor allem als politische Führungsschicht in Erscheinung treten und Aussagen über ihre einstigen religiösen Funktionen zumindest teilweise auf der Rückspiegelung christlicher Verhältnisse in die heidnische Vorzeit beruhen.“ Wie auch die meisten Religionsforscher vor ihm schließt Maier, dass es einen Priesterstand mit Ausbildung und Weihe, religiöser Lehrautorität oder privilegierter Mittlerfunktion zwischen Göttern und Menschen bei den Germanen nie gegeben hat.
Der VfGH lehnt es daher auch für unsere Zeit ab, eine „Priesterschaft“ oder einen Kreis von „Eingeweihten“ nach Kriterien zu schaffen, die im besten Fall spekulativ sein können. Die historisch gesicherten priesterlichen Funktionen – die Tätigkeit des Ritualleiters und die Wahrung der rituellen Gesetze, die allein Aufgabe eines Priesters im traditionellen heidnischen Sinn sind – kann jeder übernehmen, der sich dazu in der Lage sieht und das Vertrauen der Gemeinschaft hat. Das sind vor allem die Schwurmannen des VfGH, jene Mitglieder also, die sich durch einen freiwilligen Eid zur Treue gegenüber den Göttern verpflichtet haben und damit garantieren, dass sie unter ihrer Leitung angemessen verehrt werden, es können aber auch Leute sein, die diesen Eid nicht geleistet haben.
Jede Kultgemeinschaft im VfGH wählt in eigener Verantwortung ihre Kultleiter, die ausschließlich für die Organisation und Durchführung der Rituale zuständig sind und keinerlei Lehrautorität oder Mittlerrolle haben. Sie heißen Blótmänner bzw. Blótfrauen. Die Begriffe goði und gyðja, die in manchen neuheidnischen Kreisen mystifiziert werden, werden im VfGH nicht verwendet.
Gedichte und Lieder
Einen sehr wichtigen Platz in den heiligen Festen unserer Vorfahren nahmen mythische Gedichte und Lieder ein, die im Ritual als Anrufungen der Götter oder beim Festgelage zu ihrem Ruhm vorgetragen wurden. Nicht von ungefähr hängt das angelsächsische Wort für ein heidnisches Opfer, lác, mit dem mittelhochdeutschen leich (Melodie, Gesang) zusammen. Das hatte natürlich auch ästhetische Gründe, denn man wollte die Feste schön und würdig gestalten, ihnen durch Wohlklang und gewählte Worte Glanz verleihen und die Götter damit erfreuen und ehren. Alle bedeutenden Dinge wecken im Menschen das Urbedürfnis nach künstlerischer Gestaltung.
Es ist aber zugleich auch so, dass das Große und Wesenhafte selbst „gesungen werden will“, wie Walter F. Otto, der Sohn des bereits genannten Religionsforschers Rudolf Otto, über die religiöse Bedeutung der Dichtung bei den Griechen sagte, für die sie eine heilige Kunst war: „Der Geist des Gesanges gibt ihnen Kunde, von welcher Art die Götter sind. Denn er ist im Grunde ihre Stimme.“ Deshalb waren nicht Priester und Philosophen die religiösen Lehrer der Griechen, sondern die Dichter, deren besondere Sprache und Erzählweise, das ehrwürdige Wort des mythos zum Unterschied von der Alltagsprosa des logos, den Göttern nahe stand und ihren Werken Wahrheit und Gültigkeit gab. In der Dichtung sprach, wie auch Platon in seinem Dialog „Ion“ erklärt, nicht der Mensch, sondern die Gottheit, die den Dichter ähnlich erfüllt und zu ihrem Sprachrohr macht wie den Seher. Apollon, der Gott