Du kennst doch Maleachi, Jeff, oder? Das letzte Buch im Alten Testament. Es besteht mehr oder weniger aus einer einzigen langen Schimpfkanonade Gottes über die erbärmlichen Opfer, die die Priester am Altar darbrachten: stinkige alte Ziegen, flohverseuchte Tauben, halb tote Schafe und dergleichen.
„Bietet ein solches Tier doch einmal eurem Statthalter an“, sagt Gott empört. „Ich habe genug von euch, und auf eure Gaben verzichte ich!“
Wollte man das Ganze aktualisieren, so würde es sich heute vielleicht so anhören:
Gott mag keine Blumen von der Tanke.
Er interessiert sich nicht für die hastig zusammengerafften Überreste unserer Zeit, unserer Kraft, unseres Geldes oder unseres Engagements. Warum sollte er auch?
„Ihr heult und werft mir vor, dass ich eure Gebete nicht erhöre“, beschwert er sich, „aber erhört ihr denn meine Gebete? Wenn ihr nichts zu bieten habt als unnützen Müll, den ihr sowieso nicht gebrauchen könnt, dann gebt mir lieber gar nichts.“
Gebt mir lieber gar nichts. Wie findest Du das?
Eines ist mir während unserer Studienwoche klar geworden: Obwohl Gott hier kompromisslos mit seinem Volk ins Gericht geht, gibt es doch ein unvollkommenes Opfer, das er jederzeit gerne von mir annehmen wird, wann immer ich willens bin, es ihm darzubringen. Welches? Ganz einfach (so einfach wie beängstigend, könnte man sagen): mich selbst. Adrian Plass. Jeff Lucas. Jeden, der verrückt oder tapfer genug ist, sich in den Ablauf von Karfreitag, Karsamstag und Ostersonntag hineinzubegeben, der unaufhörlich ebenso schmerzhaft wie wohltuend in unseren Lebensbereich eindringt, wenn wir es zulassen.
Tut mir leid, wenn ich Dich anpredige. Das war mehr für mich selbst als für Dich bestimmt.
Aber was hat das alles mit Deiner Frage zu tun? Ich schätze, es hängt irgendwie mit dem beunruhigenden Punkt zusammen, an dem ich mich im Moment befinde. Einem Punkt, an dem ich mich mit allen möglichen Problemen wie Eitelkeit, Unabhängigkeit, Furcht vor dem Unbekannten und mit meinem fortschreitenden Alter herumschlage. Wie soll ich Dir mein Problem schildern? Na schön, ich glaube, ich kann es in vier Wörtern zusammenfassen.
Gott braucht mich nicht.
Petrus hätte bestimmt verstanden, was ich damit meine. Nach seinem Totalausfall im Innenhof des Palastes hätte er vielleicht etwa Folgendes sagen können:
Warum habe ich eigentlich geweint? Seinetwegen. Er war schuld. Blöder Jesus. Er hat mich einfach nicht haben wollen. Er hat mich nicht gebraucht. Wisst ihr, manchmal hat er mit mir geredet, als wäre ich irgend so ein finsterer, schrecklicher Geselle – ein Teufel –, der ihn von seinem herrlichen, hirnigen Weg abbringen wollte, den er ging, weil er fest davon überzeugt war, sich massakrieren lassen zu müssen.
Einmal hat er mich sogar Satan genannt. Mich! Mich! Er sollte mal darüber nachdenken, was er eigentlich will. Ich meine, ich kann ja wohl nicht gleichzeitig der Fels sein, auf den er seine Gemeinde bauen will, und Satan, oder? Sagt ihr es mir. Vielleicht kann ich das ja. Vielleicht bin ich nur zu beschränkt, um es zu kapieren.
Aber ist es denn nicht so, dass man seinen Freunden helfen sollte? Und genau das hätte ich getan. Ich will nicht behaupten, ich hätte keine Angst gehabt, aber als sie ihn in diesem Garten abholen kamen, da habe ich tatsächlich mein Schwert in die Hand genommen und bin ehrlich überzeugt, dass ich für ihn gestorben wäre, wenn es hätte sein müssen. Wisst ihr, was ich meine? Dieser Mann war es mir wert, mich für ihn in Stücke schneiden zu lassen – weil ich ihn lieb hatte. So verhält man sich nun einmal, wenn man jemanden liebt, oder? Man gibt alles, was man hat. Über die Konsequenzen denkt man gar nicht nach. Man ist einfach zur Stelle und tut, was nötig ist.
Und er? Was sagt er? „Steck dein Schwert weg. Wenn ich wollte, könnte ich meinen Vater bitten, und er würde mir zwölf Legionen Engel schicken, um mich hier herauszuholen.“ Und warum tat er es dann nicht? Warum nicht? Was war sein Problem? Wollte er unbedingt irgendeine wilde, wahnwitzige Unabhängigkeit wahren? Er braucht mich nicht! Braucht mein Schwert nicht! Braucht die Engel seines Vaters nicht. Er braucht überhaupt nichts, nur dieses – dieses grausige, fürchterliche Unheil, das offenbar unbedingt geschehen muss. Wieso, weiß nur er. Was will er denn nur? Was will er? Was will er?
Warum ich behauptet habe, dass ich ihn nicht kenne? Ach, keine Ahnung. Ich weiß es nicht. Doch, ich weiß es. Es war mir peinlich, dass die Leute denken könnten, ich hätte etwas mit diesem – diesem Loser zu tun.
Ich war verletzt. Er brauchte mich nicht. Nicht mich. Nicht mich, der ich alles für ihn getan hätte, außer – nun ja, außer ihm in ein finsteres, hoffnungsloses, sinnloses Unheil zu folgen. Ach, lieber Gott, ich wünschte, er hätte mich nicht angesehen! Seine Augen! Ach, ich liebe Dich, Jesus, und es tut mir so leid. Und ich würde alles geben – alles, um noch einmal eine Chance zu bekommen.
Aber daraus wird nichts. Ich habe es vermasselt. Daraus wird nichts ...
Im Licht dessen, was hinterher passierte, als Petrus beim Frühstück dem auferstandenen Jesus begegnete, lässt es sich auch anders ausdrücken: Jetzt, wo ich weiß, dass er mich nicht braucht, wird mir allmählich klar, wie nützlich ich eigentlich sein könnte. Wenn ich dieses Opfer auf den Altar lege, das Opfer der persönlichen Verantwortung für die Wirkung meines Schreibens und Redens und all dessen, was ich sonst noch so tue, mein Eigentumsrecht an alledem sozusagen, was bleibt mir dann noch? Du fragst mich, ob ich infolge meiner Possen und Tollheiten eine wunde Stelle empfinde? Schon, aber nicht annähernd so wund, wie ich mich fühle, wenn ich auf einer Kanzel oder Bühne stehe und ganz genau weiß, dass ich immer eine alte Rostlaube sein werde, an deren Steuer lächelnd Gott sitzt. (Hast Du in letzter Zeit mal deine Bremsen prüfen lassen, Jeff?)
Tatsächlich ging es mir erst neulich wieder so. Ich fühlte mich wie ein dreckiger alter Lappen, der seit drei Monaten hinter dem Heizkörper verschollen ist, und ich musste auf eine Kanzel steigen und vor dreihundert Leuten predigen. Die Ironie ist – ich glaube, Du kennst das –, dass es in gewisser Hinsicht leichter ist, wenn man sich wie ein unnützer Trottel vorkommt. Ich lehnte mich zurück und erzählte von Dingen, die ich über Gott gelernt habe. Konnte eigentlich gar nicht schiefgehen. Aber was war mit mir? Wo war ich? Was war ich? Ein Sprachrohr. Ein Briefträger. Ein demütiger Knecht? Ein Sprechknecht!
Weißt Du, Jeff, ich glaube, es gab Momente, in denen auch Jesus nicht weit davon entfernt war, sich so merkwürdig fehl am Platz zu fühlen. Bei ihm war es sogar noch viel schlimmer. Er war ein Mensch, der zugleich Gott war. Wie seltsam muss das gewesen sein! Wie ist er damit klargekommen? In meiner Gedichtsammlung Silences and Nonsenses (Milton Keynes: Authentic Media Limited, 2010) gibt es ein Gedicht, das genau dieser Frage nachspürt. Es heißt „Was ist mit mir?“. Hier ist es:
Ja, er wird auferstehen
Aber was ist mit mir?
Wenn auch der Tod sich krähengleich zu mir herabschwingt, mich zu packen
Und schwarze Schatten auf die Lilien dieses Tales
Und über milchig weißes Mondlicht auf den Meeren wirft
Des Sonnenaufgangs Herrlichkeit
Der Abendsonne Flammen
Pfirsich und Perlmutt am Himmel Galiläas
Die Kühle einer Frauenhand
Kinderaugen
Rohes Holz reibt sich an meiner Haut
Ein Licht im Blick von Männern, die durch ein Glaubenswunder sahen
Hörten, gingen, sprachen
Fanden, dass ihre Haut, eben noch schrundig, plötzlich heil und rein ist
Sabbatwanderungen durch ausgedehnte Weizenfelder
Das