Weihnachten immer wieder überall
Die Weihnachtszeit ist voller Zauber. An jedem Adventsabend eine Kerze entzünden und eine Geschichte lesen, das ist doch wunderbar. Dazu wollen die Autoren des Freien Deutschen Autorenverbandes aus dem Weihnachtsland Sachsen einladen.
Es ist nicht nur eine gute Tradition, die Geburt des Christkindes zu feiern, sich erneut an die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium zu erinnern oder vielleicht die alte Schallplatte mit der Ballade von der Weihnachtsgans Auguste aufzulegen. Weihnachten ist die Zeit des Lichtes, das der Bergmann für uns aus dem Dunkel holt. Es ist das Fest der Glanzfarben und Düfte, die in Stuben, auf Straßen und Märkten unsere Sinne erfreuen und die Herzen weit öffnen.
In diesem Buch wird auch erzählt über Einkaufsstress, Erinnerungen an Vergangenes, über ein Weihnachtfest in Damaskus, eine Silvesternacht in Nikaragua und die Polarnächte bei Tageslicht in Finnland. Ebenso über eine Kinderweihnachtsfeier im Gefängnis, über die Wohnung des Weihnachtsmannes im Internet und über Besinnliches im Bundestag. Man kann lesen von Konzertbesuchen, Fernseh-Berieselung und Zweifeln über den Effekt von Spenden. Wozu soll eine Negativ-Wunschliste gut sein? Was passiert, wenn der Nikolaus in die Radarfalle gerät?
Zauberhaftes ist tatsächlich möglich auf dem Arbeitsamt oder im Herzen des phantasievollen kleinen Ritters Puck. Welche Magie kann eine Tischdecke bergen? Sehen wir trotz Alltagsmühen die Wunder, die uns die Natur mit dem Wechsel der Jahreszeiten beschert?
Fragen über Fragen und viele Denkanstöße.
In diesem Sinne kehrt Weihnachten immer und überall wieder, meine ich, und höre noch die sonore Stimme des Opernsängers Luitpold Löwenhaupt: „Man muss doch was fürs Herze tun.“ Deshalb kann man dieses Buch immer wieder überall zur Hand nehmen. Wir wünschen Freude und Gewinn beim Lesen und Nachdenken.
Almut Fehrmann
Advent
Andreas Knapp
adventskalender
tag für tag
schließt sich leise
ein türchen deines lebens
und deine möglichkeiten
fallen unwiderruflich
ins schloss
die verriegelte tür
in der mitte aber
du selbst
öffnest du dich
vielleicht schaut dich dann
überraschend ein kind an
weihnachtsgeschäft
was hilft gegen den durst
in der wüste des überflusses
nicht konsumieren
sondern kommunizieren
nicht lebensmittel
sondern eine mitte des lebens
nicht die große auswahl
sondern selbst erwählt sein
nicht tausend liebe dinge
sondern eine unbedingte liebe
Ach du Fröhliche!
Mit dem ersten Advent beginnt bei Mann und Weib die große Jagd durch Shoppingcenter, Einrichtungshäuser, Galerien, Boutiquen und Weihnachtsmärkte. Nur um die zweifelhaften Geschenkevorstellungen der Lieben zu erfüllen, rennen sie schwerbepackt die Gänge entlang, links ertönt „Jingle Bells“ und rechts „Feliz Navidad“. Von oben kräht ein Kinderchor so etwas Ähnliches wie „Oh du Fröhliche“.
Die Blicke fliegen über Kerzenwälder, Süßwarengebirge, Alkoholmeere und Räuchermännelnationen. Bald fühlen sich die Jäger schlecht und schwindelig. Er, weil er: eine Bratwurst mit Senf, einen roten Zuckerapfel, eine Tasse heißen Met, ein Fischbrötchen, eine Tüte gebrannter Mandeln, eine kleine Schokobanane, einen Grog und eine Handvoll Krapfen zu sich genommen hat. Sie: weil sie hungrig blieb. Sei es wegen des abgelehnten Schlangestehens und dem In-der-Kälte-Gehocke oder weil sie beim Versuch, an Nahrung zu gelangen, in dem Menschengewühl einfach nicht zur Theke fand und zu kraftlos war, um weiterzukämpfen. Vielleicht konnte sie auch dank des Wein-Bratfett-Zuckerwatten-Senf-Mandel-Oliven-Geruches, der ihr so langsam die Sinne raubte, die Kehle zuschnürte und einen Würgereiz auslöste, nicht mehr an eine Essensaufnahme denken.
Doch anderntags ziehen sie wieder zerknirscht los, um den rosa Plüsch-Waschbären, das sich selbst lesende Buch und die jodelnde Klobürste zu erwischen. Aber die Sache mit der Jagd von großem Getier ist längst Geschichte und sie sind bald müde. Ihre Augen stumpf vom Suchen zwischen all den Unnützlichkeiten und vom Blenden der rosagrünen, gelblila Lichter. Die Ohren sehnen sich nach der Stille eines lautlosen Flockentanzes. Ihre Nasen möchten nur noch den Duft von Tannengrün im Morgentau schnuppern. Ihre Hände und Arme sehnen sich nach Ruhe, mögen nichts mehr befühlen, betasten oder schleppen. So taub sind auch ihre Beine und Füße, die sonst nur sacht das Gaspedal berühren und weitaus weniger Straßenpflaster unter den rauen Sohlen spüren.
Ist das Geschenke-Ergattern in der Freizeit ein Dilemma, so gibt es noch ein weiteres: Arbeitstage und Festtage. Die Arbeitsengel im Niedriglohnsektor machen schnelle Geschenke erst möglich. Von „Alles argfreundlich abverkaufen“ bis „Zärtlich zügig zusammenpacken“. So arbeiten sie im Tingel-Tangel-Weihnachtsgebimmel und kutschieren Glühweinselige per Bus und Bahn oder stehen sich in den kalten Verkaufsbuden die eiskalten Füße in den Bauch. Selbst literweise lauwarmer „Früchtetee“ wärmt ihre großen Herzen nur kurz …
Von all den anderen sichtbaren Engeln in Weiß und den unsichtbaren möchte ich gar nicht erst anfangen …
Zu Hause dann, wenn die Geschäfte geschlossen sind, geht endlich die Besinnlichkeit los: Wäsche waschen, bügeln, Wohnung putzen und dekorieren, Essen kochen, Möbel umstellen, Plätzchen backen, Tannenbaum