Weltreligion versus Sexualität. Gerd Wange. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerd Wange
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Религия: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783961450435
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ihr Unwesen, unbehelligt oder geduldet von den offiziellen Autoritäten. Es wird berichtet von Kidnapping, Verhören und brutaler Folter – auch auf Polizeistationen unter Aufsicht des „Mukhabarat“, eines Sicherheitsdienstes der Palästinensischen Autonomiebehörde in der Westbank. Im Gazastreifen macht das Hamas-Regime keinen Hehl aus seinem Hass auf Homosexuelle. Mahmoud az-Zahar, einer der Gründer der Hamas, äußerte sich unlängst wie folgt: „Ihr im Westen lebt nicht wie menschliche Wesen. Ihr lebt nicht einmal wie Tiere. Ihr akzeptiert Homosexualität.“

      In Israel nehmen sich vor allem homosexuelle Non-Profit-Organisationen und Arbeitsgruppen dem Schicksal schwuler Palästinenser auf der Flucht an. Sie unterstützen verfolgte Homosexuelle unter anderem mit kostenlosen Rechtsberatungen. Die arabische Organisation al-Qaws wiederum organisiert einmal im Monat in einem Club im Süden Tel Avivs die „Palestinian Queer Party“, die nicht nur homosexuellen arabischen Israelis, sondern auch untergetauchten Palästinensern für eine Nacht eine fragile Geborgenheit bietet.

      Dass sich die Situation für die nach Israel geflüchteten Palästinenser in naher Zukunft verbessert, hält Anat Ben-Dor von der „Human Rights Clinic“ für unwahrscheinlich. Im Gegenteil: Die Grenze zu überqueren und sich in israelischen Städten durchzuschlagen, ist noch schwieriger geworden. Der Report der „Clinic“ spart denn auch nicht mit Kritik am israelischen Vorgehen gegen palästinensische Asylsuchende: Der kollektive Ausschluss vom Recht, in Israel Asyl zu erhalten, verstoße gegen internationale Konventionen – was umso abstoßender sei, da Israel zu den ersten Nationen gehört habe, die 1951 die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet hätten. Für Ben-Dor gibt es keinen Zweifel: Das Recht, Asyl zu beantragen, stehe Palästinensern individuell genauso zu wie Verfolgten anderer Nationalität, die aus religiösen, politischen, ethnischen Gründen oder wegen ihrer sexuellen Orientierung in Israel Zuflucht suchen.

      Der israelische Film-Regisseur Yariv Mozer hat für seinen gefeierten Dokumentarfilm „Invisible Men“ über drei Jahre den Überlebenskampf dreier junger schwuler Palästinenser begleitet, die sich nach Israel durchschlugen, um vor der Verfolgung zu Hause Schutz zu suchen. „Die Palästinenser, die nach Israel flüchten, kommen in eine für sie gänzlich unbekannte Umgebung“, sagt Mozer. Das beginne schon bei der Sprache. Unter-Zwanzigjährige aus den Palästinensergebieten sprechen fast kein Hebräisch mehr. Und einmal im Land, gestalte sich auch der Kontakt zu schwulen jüdischen Israelis äußerst schwierig. „Die Schwulenszene in Israel ist alles andere als eine Einheit. Sie ist ein Abbild unserer Gesellschaft“, sagt Mozer. So würden sich jüdische und arabische schwule Israelis oft in verschiedenen Szenen bewegen. Sie besuchen meist eigene Partys, eigene Bars. Sie bleiben unter sich. Die Lebenswirklichkeiten hinter der Mauer und dem Grenzzaun zur Westbank oder dem Gazastreifen sind für die meisten jungen Israelis mittlerweile zu einer fremden Welt geworden.

      Das gilt natürlich auch umgekehrt. Dennoch: Die Flucht nach Israel als vermeintlich sicherer Hafen gilt vielen als die letzte Hoffnung. Auch sie möchten das Leben genießen, ausgehen, lachen. Doch zwischen den Fronten des Nahostkonflikts gehören diese Männer, die Männer lieben, nirgendwo hin. Es gibt keinen Ort, nichts, das sie Heimat nennen könnten. Perverse und Verräter sind sie für die eine Seite, ein Sicherheitsrisiko für die andere.

      Für die palästinensischen Flüchtlinge entpuppt sich die ersehnte Freiheit oftmals erneut als dauernder Angstzustand. Erst einmal in Tel Aviv angekommen, tauchen sie ab in die Illegalität, hausen in Verstecken, verrichten Schwarzarbeit für Personen, denen sie glauben vertrauen zu können. Schwule Dating-Plattformen im Netz bedeuten für diese jungen Männer einen Weg aus der Hölle. Die meisten User aus Gaza, Ramallah, Bethlehem oder Nablus setzen dabei auf absolute Anonymität. Wo Profilbilder vorhanden sind, zeigen sie meist nur den Körper, die Gesichter sind unkenntlich gemacht. Oft fungieren auch Schauspieler, Models oder Pornodarsteller als Symbolbilder. Allzu persönliche Beschreibungen oder Statements in den Profilen fehlen. Es geht um anonymen Sex in Parks, im Auto, irgendwo in den Hügeln, an versteckten, illegalen Partys. Manche wählen die Fassade eines heterosexuellen Lebens, heiraten, gründen Familien, um den Schein zu wahren. Doch die Angst ist allgegenwärtig. Die Angst vor der israelischen Polizei, die sie jederzeit in die Westbank zurückschaffen kann, zurück in die Hände der Peiniger.

      Im Judentum ist ein Embryo potentielles Leben und somit ist es nicht erlaubt, einen Embryo zu töten. Treten jedoch Komplikationen auf, die das Leben der Mutter gefährden und das Entfernen des Embryos die einzige Möglichkeit ist, das Leben der Mutter zu beschützen, dann gibt es eine Verpflichtung zur Abtreibung. Bis zur Geburt wird der Embryo, beziehungsweise der Fötus, als Teil der Mutter und nicht als eigenständige Person angesehen, weshalb das Leben, die Gesundheit und das Wohlergehen der schwangeren Frau, falls es in Gefahr ist, immer Priorität vor dem Leben des ungeborenen Kindes besitzt. Der Fötus erlangt gemäß dem Talmund erst dann den Personenstatus, wenn während der Geburt der größte Teil von ihm geboren ist. Demzufolge gilt ein Schwangerschaftsabbruch nicht als Mord und wurde auch zu keiner Zeit kriminalisiert. Solange der Embryo einen Teil des Körpers der Mutter darstellt, ist bereits von einer lebendigen Einheit die Rede, doch ist diese Lebensform noch nicht mit derjenigen der Mutter, die bereits als eigenständiger Mensch gilt, gleichzusetzen. Daher hat ihr Leben Vorrang vor demjenigen des Embryos. Sobald jedoch bei der Geburt der Kopf des Embryo das Licht der Welt erblickt, wird er als gleichwertige Lebensform betrachtet. Wie in allen komplexen Bereichen der „Halacha“ (jüdisches Gesetz) muss jeder Fall individuell von einer kompetenten halachischen Autorität, die sich mit zuständigen Ärzten berät, begutachtet werden. Die meisten Fälle von erlaubter Abtreibung werden am Beginn der Schwangerschaft vorgenommen. Aufgrund talmudischer Aussagen ist dies möglich bei Fragen der seelischen Gesundheit, nach Vergewaltigung, bei einer reumütigen Ehebrecherin sowie bei einigen Krankheiten. Auch ist die Verzweiflung der Mutter über ein Kind, das sehr wahrscheinlich mit körperlichen Deformationen oder geisteskrank geboren wird, ein hinreichender Grund für eine Schwangerschaftsunterbrechung. Auch wenn Israel zweifellos weltweit zu den Ländern mit der liberalsten Abtreibungsgesetzgebung gehört, muss dennoch jede Abtreibung von einem Krankenhauskomitees genehmigt werden. Allerdings ist eine solche Genehmigung ohne Schwierigkeiten zu erhalten. Sie werden großzügig gewährt, so zum Beispiel kategorisch bei Mädchen unter 17 Jahren und Frauen über 40, bei Ehebruch, bei einer auch nur vermuteten geistigen oder körperlichen Behinderung des Kindes welchen Grades auch immer und bei Gefährdung der Gesundheit der Frau.

      Die Beschneidung (Brit mila) ist ein Gebot, dem im Judentum große Bedeutung beigemessen wird und das selbst von den meisten säkularen Juden befolgt wird, da es als ein wichtiger Bestandteil jüdischer Identität angesehen wird. Die Beschneidung gilt als eines der wichtigsten Weisungen im Judentum und hebt selbst die Gebote der höchsten jüdischen Feiertage, Schabbat und Jom Kippur (Versöhnungstag) auf, an denen bestimmte Tätigkeiten nicht ausgeführt werden dürfen. Es handelt sich hierbei um einen jüdischen Brauch, der auch im Islam Anwendung findet: die Entfernung der Vorhaut des männlichen Gliedes (Zirkumzision). Unterschiedliche Auffassungen gibt es darüber, ob die Beschneidung an einem Jungen ohne oder mit Betäubung durchgeführt werden soll. Durch die Verweigerung der Anästhesie ist die Beschneidung genau genommen ein grausamer Vorgang, die in der Praxis durch einen sogenannten „Mohel“ durchgeführt wird. Das Ritual der Beschneidung erinnert an den heiligen Bund, den Gott mit dem Stammvater Abraham geschlossen hat: „Ich werde meinen Bund errichten zwischen mir und dir und deinen Nachkommen nach dir in allen Geschlechtern als ewigen Bund“ (vgl. Buch Mosis, Kap. 17,7 ff). Durch die Beschneidung des männlichen Gliedes wird das Kind in diesen Bund aufgenommen. Sie ist auch ein Zeichen verpflichtende Gemeinschaft des einzelnen Juden mit seinem Volk. Wer daher seinen Sohn nicht beschneiden lässt und derjenige, der dies auch nach Vollendung des 13. Lebensjahres nicht nachholt, stellt sich außerhalb des Bundes zwischen Gott und dem Volk Israel.

      Zirkumzision ist umstritten. Im angelsächsischen Bereich gibt es schon länger eine gesellschaftliche Debatte zwischen Beschneidungsgegnern („Intaktivisten“-Bewegung), und Gruppen, die Beschneidung befürworten. Umstritten sind insbesondere medizinischer Nutzen und Risiken, bei Kindern