Weltreligion versus Sexualität. Gerd Wange. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerd Wange
Издательство: Автор
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Жанр произведения: Религия: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783961450435
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empfunden wird. Die Fundamentalisten haben das Sagen in dieser überholten Lebensform. Sie maßregeln das Leben mit ihrer mittelalterlichen Ideologie und versuchen denselben Lebensstil zu pflegen wie vor tausend Jahren. Die Regel zu ändern, ist für sie undenkbar.

      Jerusalem, die Heilige Stadt von Juden, Muslimen und Christen hat wenig Platz für Andersartige. Denn dort gewinnen die ultra-orthodoxen Juden immer mehr Einfluss. Der Journalist und Publizist Peter Scholl-Latour behauptet in seinem Buch „Lügen im Heiligen Land”, dass viele der säkular eingestellten Bewohner Jerusalems erwägen, in eine andere Stadt umzusiedeln, um der Intoleranz der Ultra-Orthodoxen und deren Selbstgerechtigkeit zu entgehen. Es graut vielen vor der Sabbat-Polizei (Religionswächter) den „Mutawa“ Saudi-Arabiens durchaus verwandt, die die Schließung aller Geschäfte zwischen Freitag und Samstagabend kontrollieren. „Sabbat-Schänder” werden mit Strafzettel belegt. Sie sind gegen Discos, in denen angeblich die enthemmte Lebensfreude einer neuen, vorurteilsfreien, ja hedonistischen Generation explodiert. Gegen Jüdinnen, die sich mit nacktem Busen der Sonne aussetzen, gegen Prostitution, gegen Homo-Treffs. In Tel Aviv – so heißt es bei den Eiferern der Thora – seien Sodom und Gomorrha aus ihrer Asche auferstanden. Der heidnische „Hellenismus“ der Neuzeit habe in Tel Aviv seine zentrale Bastion bezogen und kontrastiert mit der heiligen Reinheit Jerusalems. Dieses sei das neue Samaria, so klagen die Frommen. Hier steht – in historische Erbfolge – Israel gegen Juda.

      Der Zölibat, wie ihn die katholische Kirche seit der Reformkrise unter Papst Gregor VII. im 11. Jahrhundert vorsieht, existiert im Judentum nicht. Ebenfalls wurde das Mönchtum von jeher abgelehnt. Trotzdem gibt es besonders asketisch lebende Kabbalisten (mystische Traditionalisten des Judentums), für die beharrliche Enthaltsamkeit eine große Rolle spielt. Sie versuchen sexuell asketisch zu leben. Das heißt aber nicht, dass sie Sex generell meiden. Das widerspräche der Lehre der Thora. Vielmehr versuchen sie beim Sex keine erotischen Gedanken zu entwickeln, der Verkehr soll lediglich der Fortpflanzung dienen. Scheidung und Wiederheirat sind im Judentum übrigens möglich, ebenso wie die Empfängnisverhütung. Jedoch verbietet die jüdische Religion entschieden die Homosexualität.

      Das Ausleben sexueller Bedürfnisse innerhalb einer Ehe gilt aus jüdischer Sicht als wichtiger Bestandteil jenes „geheiligten Bündnisses“. Schließlich geht das Judentum davon aus, dass jeder erwachsene Mensch ein natürliches Bedürfnis nach Sexualität verspürt. Der Talmud sieht daher neben der materiellen Fürsorge für die Familie die Sexualität als grundlegende Pflicht des Ehemannes gegenüber der Ehepartnerin, ja berechtigt darüber hinaus, ehelichen Sex einzufordern. Das biblische Gebot „Seid fruchtbar und mehret Euch“ verpflichtet den Mann zur Zeugung von mindestens zwei Kindern, möglichst einem Jungen und einem Mädchen.

      Fruchtbar sein und Nachwuchs zeugen ist im Judentum keine Frage des impulsgesteuerten Triebes, sondern Gottes Auftrag. Allerdings ist der allgemeine Körperkontakt und das Ausleben der Sexualität zwischen Ehemann und Frau auf bestimmte Tage beschränkt. Das Gesetz der Familienreinheit verbietet während der Menstruationszeit den körperlichen Kontakt. Diese Zeit wird durch einen Besuch der Frau in der „Mikwa“, dem rituellen Tauchbad, beendet.

      Zahlreiche Juden interpretieren eine Vielzahl religiöser Gesetze auf ihre Art. Für sie gibt es Gebote, die in der Bibel stehen, und solche, die später geschrieben und jeweils auf eine gewisse Weise interpretiert werden. Das jüdische Gesetz hat viel Flexibilität und Raum für Kreativität, wenn die Gesellschaft danach verlangt Und nicht wenige Juden, auch die religiösesten, haben ihre Auslegung, die neu ist und mit gewissen Problemen auf gewisse Weise umgeht. So haben sie beispielsweise ihre Art, mit Gesetzen über die Homosexualität umzugehen. Es gibt eigentlich kein Gesetz dagegen, schwul zu sein, es gibt aber Vorschriften gegen spezifische Akte und Handlungen, und es gibt die Möglichkeit, das zu interpretieren.

      Wie auch in anderen Religionen hatte die Frau im Judentum von Beginn an eine untergeordnete Rolle. Das System des Judentums begünstigte die Männer gegenüber den Frauen. Sie lebten streng nach der Thora, in der steht, dass Frauen sich den Männern unterordnen, Kinder gebären und erziehen sollen. Diese Grundlage der traditionellen jüdischen Sicht zur Stellung der Frauen in Familie und Gesellschaft entspringt einer patriarchalischen Kultur biblischer und talmudischer Zeiten.

      Macht und Autorität waren männliche Monopole und während Söhne vom frühen Alter an eine (religiöse) Ausbildung erhielten, wurden Mädchen so gut wie gar nicht unterrichtet. Den Frauen blieb auch weitgehend die Beteiligung am aktiven religiösen Leben der Synagoge verwehrt. Es ist heute nicht genau bekannt, ab wann die Absonderung der Frauen von den Männern erfolgte, doch schon mittelalterliche Synagogen hatten separate Räumlichkeiten, den Frauenbereich. Der Frauenbereich wurde als weniger heilig, als der Männerbereich betrachtet. Lange Zeit wurde eine Abteilung für Frauen erst nach dem eigentlichen Bau der Synagoge in Betracht gezogen, denn verhältnismäßig wenige weibliche Gemeindemitglieder besuchten den Gottesdienst. Das jüdische Gesetz legte bei Frauen eine Sonderregelung fest, die es gestattete, Verpflichtungen des Gottesdienstes zu vernachlässigen, weil ihnen die häuslichen Pflichten oblagen. Wenn sie am Gottesdienst teilnahmen, dann hatten sie sich hinter einem Gitter oder einem Vorhang zu verstecken. Dort leitete eine Vorbeterin das Gebet, wobei es den Frauen untersagt war, von den Thorarollen zu lesen. Auch das Amt als Rabbiner oder Kantor, sowie das Lernen von Hebräisch, wurde verboten und so besaß der Frauenbereich der Synagoge weder eine heilige Lade (beherbergt die Thora Rolle) noch einen Almemor (Altar). Oftmals war es den Frauen nicht möglich, den Gottesdienst der Männer zu verstehen. Man erreichte somit, dass die Predigten allein den Männern vorbehalten waren. Der Gottesdienst wurde zu einem sogenannten „Männerklub“. Während die Männer früher also beteten und sich dem religiösen Leben hingaben, konnten die Frauen ihre Erfahrungen in Sachen Mode austauschen und gaben sich mit Inbrunst dem Klatsch hin. Erst mit den Reformern im 19. Jahrhundert gab es ein Entgegenkommen der Männer. In vielen Synagogen wurden die Gitter der Frauenbereiche niedriger gebaut oder ganz weggelassen. War der Frauen- und Männerbereich durch eine Mauer getrennt, so kam es zu einer Öffnung mittels Durchbrüchen oder zu einem vollständigen Abriss. Nach den Reformern war es der Frau auch gestattet, unbehindert und aktiv am religiösen Leben teilzunehmen. Trotz der weiterhin andauernden Geschlechtertrennung war es für die Frau nun möglich, den Mann beim Gottesdienst zu sehen und andersherum. Man erreichte eine Integration der Frau innerhalb der Synagoge.

      Die minderwertige Stellung der Frau im Judentum wird auch im Reinheitsprinzip deutlich. In der Mikwe werden Personen oder Gegenstände gewaschen, die von Unreinheiten unterschiedlicher Herkunft gereinigt werden müssen. Denn oftmals wird Unreinheit mit dem Tod verbunden. Wer also mit einem Toten in Kontakt war oder gar mit ihm unter einem Dach schlief, wurde als nicht rein bezeichnet. Ebenfalls macht die Monatsblutung die Frau in der Vorstellung des traditionellen Judentums unrein. Während der Zeit der Unreinheit, also dem Zeitraum der Monatsblutung und den darauffolgenden sieben Tagen, ist der Geschlechtsverkehr mit dem Ehepartner verboten und erst nach dem Untertauchen der Frau in der Mikwe wieder gestattet. Für die Frau gibt es also die Pflicht der Enthaltsamkeit während ihrer Periode der Unreinheit. Dieses Gesetz ist das Nidda-Gesetz, das Gesetz der Familienreinheit. Das Eintauchen in der Mikwe gilt auch vor einer Hochzeit. Am Vorabend der Hochzeit ist es eine Pflicht für die Braut, das Ritual des Untertauchens in der Mikwe auszuüben.

      Früher war der Rechtsstatus für Frauen ebenfalls nur gering. Man könnte ihn mit dem von Sklaven oder Minderjährigen vergleichen, nur dass dieser Rechtsstatus für jüdische Frauen ein Leben lang Gültigkeit hatte. So war es ihnen untersagt, vor Gericht als Zeuge aufzutreten oder gar am politischen Leben teilzunehmen. Mit diesen, doch sehr wenigen Rechten, wurden Frauen oft vom öffentlichen Leben sowie von den meisten Erwerbsberufen ausgeschlossen. Die Frau gehörte ins Haus. In diesem Bereich hatte sie einen sehr hohen Status. Hier erhielt sie die nötige Achtung und konnte ihre Freiheiten ausleben.

      Trotzdem ist nicht zu vergessen, dass der Mann dennoch eine höhere Stellung besaß. Die Frau diente dem Leben der Familie. Ihre Aufgaben waren die Kindererziehung, besonders der Mädchen und die damit verbundene Vorbereitungen auf das Leben, die Reinhaltung der Wohnung und die Nahrungszubereitung. Die Familie, welche einen sehr hohen Stellenwert im Judentum besitzt, sollte nach außen hin