„Für sechs Euro kann doch ein Selbstständiger niemals arbeiten“, entgegnete Frank-Peter. Woitek nickte und fuhr fort: „Lolek hat wegen der Steuer und der mögliche Rückerstattung beim Alten nachgefragte, weil dieser die Steuererklärung und den gesamten Schreibkram für die beiden macht und bekam zur Antwort, dass etwa im Mai die Unterlagen (zum abheften5) kommen werden. Lolek hat aber niemals die Steuererklärung unterschrieben. Gute Freunde des Alten6 haben erzählt, dass dieser sich über die beiden Polen beschwerte. Sie arbeiten nicht mehr so wie früher“ – 12 … 14 Stunden pro Tag hat Frank-Peter selbst beobachtet – „und sie werden zunehmend aufmüpfig. Damit kann nur die Frage von Lolek nach der Steuerrückerstattung gemeint sein. Auf diese Firma zugelassen ist ein kleiner Lieferwagen, Sprit und alles, was mit diesem zusammenhängt, zahlt der Alte.“ Die Vermutung liegt natürlich sehr nahe, dass Friedrich Rübner mit diesem Konto seine Einnahmen aus dem Internet-Parketthandel verschleiert. Im Falle eines Falles wird er natürlich von allem nichts wissen und den beiden Brüdern die Arschkarte zuspielen. Sklaverei der modernen Art!
Das Holz für das Parkett wird mit organisierter Kriminalität in der Ukraine gestohlen, wusste Woitek weiter zu berichten. Bei der Einfuhr nach Polen gibt es ordentlich deklarierte Papiere. Bringt der Fahrer seinen Teil der Papiere dann zum Grenzer zurück, werden die kompletten Papiere dieser Einfuhr vernichtet und der Fahrer, sowie der Grenzer erhalten ihren Anteil am Gewinn. Einmal sollen auch radioaktiv verseuchte Bäume aus der Umgebung von Tschernobyl verarbeitet worden sein. Für dieses verstrahlte Parkett gab es in Polen keine Abnehmer. Friedrich Rübner kaufte den gesamten Posten. Wer weiß, bei wem jetzt die Filme immer schon belichtet sind, wenn sie in einen Fotoapparat einlegt werden – aber jetzt gibt es ohnehin Digitalfotoapparate.
Als ein riesiges altes Villengrundstück in Bad Kaiser, das Friedrich Rübner zu äußerst günstigen Konditionen erworben hatte, in sechs Eigentumswohnungen umgebaut werden sollte, wurde Frank-Peter gefragt, ob er sich diese Arbeit zutraue. Da er inzwischen genügend Erfahrungen gesammelt hatte, sagte er zu und hatte ab sofort eine über 100 km weitere Fahrstrecke. Das Quartier wurde in der Nähe der Baustelle in einem Pflegeheim von Friedrich Rübner, welches er verpachtet hatte, unter dem Dach aufgeschlagen. Nach einem Aufstieg über eine Aluleiter – die Klapptreppe war Jahre zuvor von besoffenen Bauleuten gekillt worden – war erst einmal in gebückter Körperhaltung so lange zu „gehen“, bis die ansteigende Dachschräge einen aufrechten Gang ermöglichte. Besonders wenn am Sonntag die Anreise mit der gefüllten Reisetasche erfolgte, war es schon ein akrobatischer Akt, die Stiege zu erklimmen.
Aufstieg ins Quartier
Schlafstätten musste man sich erst selber bauen, auf große Holzklötzer gestellte Lattenroste. Gemessen an den Polen, die bei der Parkettverlegung oft nur auf alten Matratzen schlafen, die sie auf das Parkett legen, dass sie tagsüber verlegen, und mit den Lösungsmitteldämpfen des Parkettklebers in ein Koma fallen, waren es luxuriöse Bedingungen. Werner Adler war mit kollabierendem Blutdruck für längere Zeit ausgefallen und so übernahm Sven Bachmann die Baustelle. Sven Bachmann war mit seinen Eltern Anfang der neunziger Jahre in den Westen gekommen und hatte Klempner gelernt.
Frank-Peters Quartier mit dem Selbstbaubett
Ahnung hatte er nicht, Kompetenz auch nicht, aber er wusste sich bei Friedrich Rübner in einer Weise wichtig zu machen, dass es schon regelrecht penetrant war. Friedrich Rübner hatte einen Narren in Sven Bachmann gefressen. Wie schon früher mit Werner Adler auf deren gemeinsamen Fahrten von Bad Elbis-Solbach nach Bad Kaiser, wo beide wohnten, hatte sich Sven Bachmann Werners großzügige Stundenabrechnung angewöhnt. Da er diese Unterlagen immer Friedrich Rübner persönlich gab, war es den anderen Beschäftigten auf der Baustelle auch lange Zeit nicht bekannt, wie unverfroren betrogen wurde. Natürlich macht jeder einmal einen Fehler und auch Sven Bachmann. Er vergaß seinen Stundezettel auf der Baustelle, ebenso Werner, als er nach einer Kur wieder die Führung übernahm. Werner rechnete 220 Stunden im Monat ab, war jedoch nach Frank-Peters Übersicht weniger als 150 Stunden auf der Baustelle.
Werners Adlers Stundenzettel
Die bei der Entkernung der Villa demontierten Kupferkabel machten ebenfalls diese Beiden zu barer Münze und spendierten dem Rest der Truppe einmal ein Päckchen Kaffee. Auch hier verplapperte sich Sven Bachmann und die tatsächlichen Einnahmen von mehreren hundert Euro wurden bekannt. Das Husarenstück der beiden war jedoch, dass sie auf Friedrich Rübners Kosten Dachabdeckung besorgten und einer Oma, die ein Haus gegenüber der Baustelle hatte, die Nebengebäude neu bedachten. Immer in der Mittagspause, wenn die anderen drei der Truppe rund 5 km in das von Friedrich Rübner verpachtete Pflegeheim fuhren, wo sie kostenfrei beköstigt wurden, waren die beiden fleißig. Werner Adler richtete sich in einer der Wohnungen, die aus dem Zimmerverbund der Villa gebaut wurden, eine Bastelstube und eine Pflanzaufzucht ein. Er hatte die Räumlichkeit mit Bedacht ausgesucht. Eine kleine Treppe führte in ein Obergeschoß. Mit Fenstern nach allen Seiten hatte Werner „seine“ Leute stets im Blick und sah auch rechtzeitig, wenn Friedrich Rübner aufkreuzte. Dort bastelte er Gestecke für Weihnachten oder renovierte alte Möbel. Für seine Pflanzaufzucht baute Werner extra einen Tisch und regelte die Elektroheizung auf Maximum.
Werner Adlers „Bastelecke“
… und seine Pflanzenzucht
Dafür muss kräftig geheizt werden
Alle Dinge, die auf der Baustelle falsch liefen, waren zum Glück nicht Frank-Peter zuzuordnen, er war ernsthafter und bemühte sich, Qualitätsarbeit zu leisten. Sven Bachmann hat sich vom Fachhändler sauteure „reflektierende“ Folie aufschwatzen