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Издательство: Автор
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Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783957770714
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Herz.

      Ständig musste sie fliehen, nirgends konnte sie länger als ein paar Tage Unterschlupf finden. Sicher, sie hätte das Terminal abschalten können oder es ganz loswerden. Teure Tarnsoftware besorgen, um ungesehen im Internet unterwegs zu sein. Aber zu nichts davon war sie in der Lage. Das billige Gerät, für das sie auf dem Schwarzmarkt den Großteil ihres Geldes ausgegeben hatte, war träge und auffällig. Trotzdem brauchte sie es – es war das, was ihr einen Weg hier raus ebnen konnte. Sie tat es für die kleine Future, die in ihrem Bauch heranwuchs. Butterfly hatte das System verstanden. Das System, mit dem die meisten der Sucher ins Internet gingen, wurde überwacht. Und wenn tatsächlich jemand etwas Bemerkenswertes fand, kamen sie und holten es sich. Meist überlebten die Sucher dieses Treffen nicht. Deshalb musste sie flink sein, kleine Funde sofort zu Geld machen, ständig unterwegs sein. Flucht in ihr neues Leben. Im Moment bestand es nur aus Bahnstationen, Plastikschalensitzen und Essen aus Automaten. Genaugenommen war sie obdachlos, aber sie hatte ein Ziel. Einen Ort zu finden, an dem sie ihre Tochter zur Welt bringen konnte. An dem die kleine Future aufwachsen und gedeihen konnte. An dem sie es besser hätte als ihre Mutter. Eine Hoffnung, so alt wie die Menschheit. Ein paar Monate hatte sie noch Zeit. Diese Zeit galt es zu nutzen. Schnell loggte sie sich wieder ein.

      E N D E

      Der Pfad des Schafs

      Level 3

      Ein Labyrinth aus Dächern und Balken. Treppen aus Holz und Stein führen auf zugige Türme und in feuchte Keller. Knöcheltiefer Schlamm wechselt sich ab mit edlen Teppichen, die jeden Schritt verschlucken.

      Der Krieger stolpert zum ersten Mal, verfängt sich in dornigem Gestrüpp. Bedrohliches Knurren aus den Schatten, dann hat er sich befreit, wirbelt die Klingen, verjagt die Dämonen und schreitet voran. Tiefer hinein ins Dunkel, zum Herzen der Stadt.

      Das einzige Licht in der winzigen Wohnung ging von dem Bildschirm aus, auf dem flackernde Videofragmente tanzten. In der Fensterscheibe spiegelten sich die Umrisse von mehreren Männern. Butterfly wich zurück, als sie die Schläger im Wohnzimmer erblickte. Doch zu spät, einer hatte sie bemerkt, griff sie am Arm und zerrte sie hinein.

      Auf dem Boden lag Zed, im fast dunklen Raum kaum zu erkennen, sein Gesicht erschien grau im Licht des Screens. Alles wirkte uralt, dunkle Flecken bedeckten Zeds Gesicht an den falschen Stellen. Jemand schaltete eine Lampe an, die Flecken färbten sich rot, alles gewann an Farbe. Zed zitterte, seine Augen flackerten unruhig. Butterfly konnte die Pisse riechen, die seine Hose durchnässte. Sie selbst spürte kaum Angst, sie war wie betäubt. Ihr Blick huschte zum Versteck in der Küche – niemand hatte es bislang entdeckt.

      Zwei der Männer schrien auf Zed ein, nannten irgendwelche Geldbeträge, schlugen ihn. Kraftlos hob er die Arme, versuchte, die Angriffe abzuwehren. Immer wieder fiel sein Kopf von einer Seite zu anderen. Der Kerl, der Butterfly mit eisernem Griff festhielt, fing jetzt an, an ihr rumzufummeln, während er mit breitem Grinsen die Prügelei anstarrte. Der war sicher auf Sniff. Zed hoffentlich auch, das würde zumindest seine Schmerzen lindern.

      Es ging immer weiter, sie ließen nicht von ihm ab. Mit der Faust ins Gesicht, dass Blut aus der Nase schoss, mit den Füßen in den Bauch. Bis Butterfly es nicht mehr aushielt.

      »Hört auf!«, schrie sie. Tu es nicht, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf. Doch Butterfly riss sich von dem Kerl los, der sie betatschte, und ging in die Küche. Tränen strömten jetzt unkontrolliert über ihr Gesicht. Sie zerrte an der Wandverkleidung, brach sie ab. Zwei Finger bluteten, als sie das Geld aus dem Fach zog und es den Schlägern vor die Füße warf. »Nehmt das und dann verpisst euch!« Schrie sie. Halb vor Zorn, halb vor Fassungslosigkeit über das, was sie gerade getan hatte.

      Einer der Männer bückte sich und hob das Geld auf, ließ es im Inneren seiner Jacke verschwinden. Dann nickte er dem anderen kurz zu, musterte Butterfly noch einmal mit einem abschätzigen Blick. Endlich setzten sie sich in Bewegung und verließen die Wohnung.

      Butterfly hockte sich neben Zed und weinte, boxte ihn, sprang auf, suchte Verbandszeug, nahm sein Terminal und warf es aus dem Fenster, verband ihn, weinte wieder, bis sie schließlich entkräftet auf dem Teppich neben ihm einschlief.

      Level 4

      Ein Teich unter steinernem Himmel, Moos leuchtet, das Wasser liegt still da. Acht Brücken, die hinüberführen, auf die Insel im Inneren. Einige zerfallen. Auf der Insel ein Wald, schlanke Stämme, dicht an dicht, die Äste eng miteinander verschlungen. Blasses Licht dringt aus dem Inneren des Waldes, kühl und starr.

      Der Krieger zögert, bevor er vorsichtig die Brücke vor sich überquert. Steinbrocken fallen heraus und versinken im Wasser. Der Wald zeichnet verwirrende Muster mit seinen Schatten auf den Boden. Der Krieger lässt die Klingen wieder an ihren Platz auf seinem Rücken gleiten und tritt zwischen die Bäume, dem Licht entgegen.

      Die Trennung von Zed fiel ihr plötzlich nicht mehr schwer. Ein paar Sachen packen und dann los. Die Angst, dass er sie suchen, finden und zurückschleppen würde, war weg. Eine neue, noch kleinere Wohnung, ein neues Versteck hinter den Küchenfliesen.

      Mit den Suchern, die ihr Glück in den Trümmern des alten Netzes suchten, wollte sie nichts mehr zu tun haben. Immer mehr von ihnen starben dabei. Danny war nur einer von vielen gewesen. Schnell hatten sich Banden gebildet, die ein Überwachungsnetz eingerichtet hatten. Hacker, die aufspürten, wenn jemandem tatsächlich einmal etwas Wertvolles in die Hände fiel. Und Schläger, die es ihm schnell wieder abnahmen. Doch Butterfly kannte all das nur noch vom Hörensagen. Sie hielt den Kopf unten, suchte sich einen neuen Job und trainierte ihre Geduld. Niemand würde sie mehr schlagen, das hatte sie sich geschworen. Sie fügte sich in ihren Platz in der Welt, wartete ab und sparte eisern. Die kleine Future sollte es einmal besser haben als ihre Mutter. Dafür kämpfte sie, und dieser Kampf ging leise vonstatten. Schritt für Schritt.

      E N D E

      Friedensleere

      Jan-Tobias Kitzel

      Frank unterdrückte ein Gähnen und streckte sich. Die Metallstreben des Stuhls drückten in seine Seite. Klar, warum sollte er auch eine bequeme Sitzmöglichkeit gestellt bekommen? Schließlich wurde von ihm erwartet, die meiste Zeit die Gänge entlangzustreifen. Fürs Sitzen wurde er nicht bezahlt.

      Eine Wartungsdrohne flog wenige Zentimeter über Franks Kopf hinweg und verschwand im Halbdunkel der riesigen Lagerhalle. Das elektrische Surren tausender Drohnen war neben dem beständigen Trommelfeuer des Regens auf dem Metalldach das einzige Geräusch, das Franks Nachtwache begleitete. Er nahm die Füße vom abgewetzten Tisch und legte stattdessen das zerfledderte Taschenbuch dort ab. Wie gerne hätte er sich eine neue Folge »Paradise 24« reingezogen. Aber die Überwachungstechnik bekam mit, wenn er in die VR ging. Für altmodische Bücher auf Papier hingegen war sie blind. Frank rieb sich schmunzelnd den schmerzenden Rücken. Dieser Job machte ihn zu einem der wenigen Menschen auf Erden, der noch Bücher auf echtem Papier las.

      Langsam stand er auf, nahm noch einen Schluck Kaffee aus seinem Thermobecher, stellte ihn wieder auf den Tisch zu unzähligen Kaffeeflecken, die aus dem uralten Möbel ein modernes Kunstwerk machten. Dann zog er die Taschenlampe aus dem Gürtel und ging langsam den Hauptgang der Lagerhalle entlang. Zwei Putzdrohnen saugten fast lautlos Staub von einer der Aufbewahrungseinheiten. Ohne ihre emsige Arbeit wäre hier alles voller Dreck gewesen.

      Er wusste noch, wie es hier vor dem Gesetz ausgesehen hatte, bevor die Regierung so gut wie jedes freie Depot für ihre Zwecke übernommen hatte. Er war schon früher Wachmann in dieser Einrichtung gewesen. Eine schöne Zeit. Die ganze Schicht über hatte er seine Serien in der VR erleben können. Für die hier damals gelagerten Trockennahrungsmittel in riesigen Kanistern hatte sich kaum einer interessiert. Ab und zu mal ein paar Lausbuben, die einen auf Mutprobe machen wollten. Und einmal am Tag Lieferung und Abholung. Das war es schon gewesen. Aber jetzt war richtig Betrieb! Frank schnaufte wehmütig und lief den Gang weiter herunter.

      Der Strahl der Taschenlampe fiel auf die Aufbewahrungseinheiten.