ironisch Short Stories. Mark Jischinski. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mark Jischinski
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783941935242
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was er damit sagen will. Florian ist jedenfalls rundum zufrieden.

      Wir besprechen in der Folge noch ein paar andere Kleinigkeiten partnerschaftsfördernder Art, lösen kleinere Probleme oder schweigen manche Abende einfach nur mannhaft miteinander. Doch tief in unserem Inneren wissen wir, dass wir einer entscheidenden Frage immer wieder ausweichen. Es kann gar keinen Zweifel geben: Alles wird gut werden mit diesem geradezu idealen Liebespaar. Florian und Bea bereichern sich und haben eine tolle Zeit. Sie reiben ihre haarlose Scham aneinander und Flo hat endlich einen Degen, der ohne Störung in die Scheide gleitet, wie er so schön sagt. Irgendwann werden die beiden vor den Altar treten und zig unbehaarte Kinder zeugen. Doch die Sache hat einen kleinen, nahezu unbedeutenden Haken, den wir aber auch noch lösen werden. Dieser Haken heißt Suse. Und Suse ist Florians Frau. Seit ziemlich genau fünfzehn Jahren.

      Das war ein Sonntag nach meinem Geschmack! Ich hatte lange ausgeschlafen und war danach bis kurz nach zwei bei einem wunderbaren Brunch. Wieder zu Hause angekommen, legte ich mich aufs Sofa und las etwas. Zwischendurch surfte ich, um zu schauen, ob meine Chat-Bekanntschaft »wild_vampire« wieder online war. Doch sie mied meinen Kontakt in letzter Zeit. Wahrscheinlich überlegte sie, ob mein Vorschlag des Realtreffs nicht doch unserer intimen Beziehung schaden könnte. Dabei hatte ich mir bereits einiges ausgemalt, was wir in die Tat umsetzen könnten, von all dem, worüber wir bis dahin nur geschrieben hatten. Und ein Ziel musste es auch geben, denn die Anbindung zu ihr war nicht kostenlos. Ich döste mit unzüchtigen Gedanken an meinen Vampir noch etwas vor mich hin, bis ich vom Klingeln an der Wohnungstür in die Realität zurückgeholt wurde.

      Als ich die Tür öffnete, war ich überrascht. Frau Köpfe stand da. Die Rentnerin, die über mir wohnte. Alt, stolz und irgendwie kauzig. Gefühlte hundertzwanzig Jahre alt, tatsächlich aber sportliche siebzig. Das graue Haar war immer gepflegt gebürstet und zu einem Pferdeschwanz gebunden, das Gebiss tadellos gereinigt und Oil of Olaz müsste bei ihrer Haut nicht mehr nach einem Testimonial suchen. Einziges Manko waren ihre Augen, die bei »Unser Star für Baku« gewinnen würden. Deshalb trug sie eine etwas überdimensionierte Brille, deren Gläser mich an optische Versuche im Physikunterricht erinnerten.

      Bis vor ein paar Jahren wohnten ihr Mann und ihr Sohn noch bei ihr. Doch der Sohn war mit Mitte vierzig endlich alt genug, sein warmes Nest zu verlassen und ihr Mann starb kurz darauf. Ihr schien der Verlust ihrer Männer nichts anhaben zu können. Sie strahlte immer einen gewissen Optimismus aus, der mir das Gefühl gab, dass es gar nicht so schlimm sein konnte, alt zu werden. Naturgemäß regte sich in ihrer Wohnung wenig. Ich hatte ein ruhiges Leben unter ihr und wäre in meinen Kreisen nur gestört worden, wenn ihre Kekskrümel plötzlich zu Kanonenkugeln angeschwollen wären oder aber ihre Teelöffel Glockenschläge in den Tassen vollführt hätten. Von ein paar Ermahnungen ob der von mir nicht peinlichst genau verfolgten Einhaltung der Hausordnung abgesehen, kam ich mit ihr und der Ruhe, die sie ausstrahlte, hervorragend klar. Nun stand sie vor mir. In der rechten Hand hielt sie einen Teller mit einem Stück Kuchen, in der linken ihren Wohnungsschlüssel und ein Schälchen Birnen-Kompott. In ihrem Gesicht klebte ein faltiges Lächeln, als gäbe es etwas zu feiern.

      »Hallo, Sie haben gebacken und ein Kompott gezaubert? Das ist aber schön!«, sagte ich freundlich.

      »Ja, echten Zupfkuchen. Nicht so ein Zeug aus der Pakkung, wie Sie es wahrscheinlich haben, wenn überhaupt! Hier, riechen Sie mal!«

      Frau Köpfe schob mir den Teller vor mein Gesicht und ein wunderbarer Duft stieg in meine Nase.

      »Oh, das riecht toll! Der schmeckt sicher auch so, oder?«

      Gerade als ich das gute Stück greifen wollte, zog sie es zu sich heran und blinzelte verschwörerisch. »Natürlich schmeckt der Kuchen. Und das Kompott ist ein Traum, für den man sterben möchte. Und überlegen Sie sich diesen Satz aus dem Mund einer alten Frau! Doch umsonst gibt es nichts im Leben, glauben Sie mir! Sie könnten mir im Gegenzug einen kleinen Gefallen tun.«

      Was tut man nicht alles für ein Stück Kuchen und für ein Schälchen Kompott, die an Kindheit, Heimat und Geborgenheit erinnern?

      »Womit kann ich denn dienen?«, fragte ich deshalb.

      Als wäre dies der Startschuss für einen Crosslauf, sprang sie über die Türschwelle, umkurvte gekonnt das Bücherregal im Flur und steuerte so routiniert in mein Wohnzimmer, als würde sie dies jeden Abend nach Arbeitsschluss tun. Nicht zuletzt meisterte sie alles mit Kuchen und Kompott. Wahrscheinlich war sie in ihrer Jugend die absolute Göttin im Eierlaufen. Ich folgte ihr und begann zu stottern:

      »Ähm, Frau Köpfe, was machen Sie da?«

      »Ich will es mir nur ein wenig bequem machen!«

      Sie saß in meinem Sessel und durchmaß den Raum mit kritischem Blick.

      »Sie sollten mal wieder einen Staubwedel in die Hand nehmen. Und lüften wäre auch nicht schlecht. Aber deshalb bin ich ja nicht hier.«

      Endlich stellte sie den Kuchen und das Kompott zu mir. Ich hatte mich ihr gegenübergesetzt.

      »Also, mein Sohn ist ja nun leider schon ausgezogen. Er kann mich auch nicht so einfach mal besuchen, dafür wohnt er zu weit weg. Es ist aber so, dass ich nur noch ihn habe und sonst niemanden. Wissen Sie eigentlich, dass er Programmierer bei SAP ist?«

      Mein Hirn schaltete um auf den Erinnerungsmodus und vor meinem geistigen Auge entstand das Bild eines blassen Langweilers, der bei Mama wohnte und der sich von Tiefkühlkost ernährte, seitdem er bei ihr ausgezogen war. Seine sozialen Kontakte beschränkten sich auf das Internet und der Besuch beim Friseur war die einzige Möglichkeit, in die Nähe von weiblichen Händen zu kommen.

      »Ja, ich erinnere mich an ihn! Zu schade, dass er weggezogen ist!«, log ich, während ich den ersten Bissen des Kuchens genoss. Dass die bei SAP einen solchen Vollpfosten genommen hatten, konnte ich kaum glauben.

      »Jedenfalls unterhalten wir uns jeden Tag!«, sagte sie ganz aufgeregt und selbst durch die starken Brillengläser konnte ich sehen, dass in ihren Augen mütterlicher Stolz blinkte.

      »Ach nein, Frau Köpfe! Dann haben Sie aber eine dicke Telefonrechnung!«

      »Wie kommen Sie denn darauf? Wir skypen und mailen uns. Ich habe sogar eine eigene Email-Adresse. Doris Punkt Köpfe äd Tee minus Online Punkt De Ee! Und Köpfe mit oe.« Sie sah mich an, als wäre sie Cortez und hätte mir Eingeborenen soeben glänzende Perlen geschenkt.

      »Nein!«, erhob ich erstaunt die Stimme, »was Sie nicht sagen, Frau Köpfe! So richtig mit Email und dem Internet sind Sie mit Ihrem Sohn verbunden. Das hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut!«

      »Tja, ich bin nicht so rückschrittlich, wie ich in Ihren Augen aussehe. Von wegen, die alte Schrulle glotzt nur auf die Hausordnung und liest die Apothekenrundschau! Unterschätzen Sie uns alte Menschen nicht. Nun aber zur Sache, junger Mann! Den Kuchen und das Kompott bringe ich ja nicht einfach so mit. Ich habe ein technisches Problem und mein Sohn ist leider nicht erreichbar. Könnten Sie bitte mal ein Auge auf meinen Computer werfen, damit ich wieder mit meinem Kleinen sprechen kann?«

      Gerade hatte ich das letzte Stück Kuchen eingeworfen und bereits die ersten beiden Löffel Kompott intus. Deshalb fühlte ich eine gewisse Verpflichtung Frau Köpfe und ihrem Wohlergehen gegenüber.

      »Klar doch. Ich helfe ihnen.«

      Wir gingen gemeinsam im Schneckentempo nach oben. Frau Köpfe verwies auf ihr künstliches Hüftgelenk und das Wasser in ihren Beinen. Sonst fühle sie sich aber noch fit.

      Der Computer war ein High-End-Gerät mit einem 24-Zoll-Bildschirm.

      »Alle Achtung, Frau Köpfe! Eine irre Hardware haben Sie da!«

      »Mag ja sein, aber der Computer ist auch nicht schlecht! Schauen Sie sich vor allem einmal den Fernseher an! Riesig, oder?«

      Ich sagte gar nichts und schaltete das Gerät ein. Der Computer fuhr hoch und ich versuchte, die Verbindung ins Internet herzustellen. Es ging nicht.

      »Haben