Selbstredend kaufte ich mir 1991 die ‚Cursed’ auf Schallplatte (die heute signiert im Büro hängt, direkt neben dem von Away bemalten und von Voivod signierten Trommelfell) und auch ‚Odium’ fand den Weg in meine junge CD-Sammlung. Von ‚Feel Sorry For The Fanatic’ jedoch erfuhr ich zufälligerweise erst drei Jahre nach der Veröffentlichung, als ich seinerzeit bei Therion im Hagener Woodhouse-Studio war. Siggi, der Besitzer des legendären Studios, erwähnte diese Scheibe im Nebensatz. Wie alle ‚Cursed’-Fans fand ich nur schwer einen Zugang zu diesem vorerst letzten Morgoth Album. „Würde ein anderer Bandname darauf stehen, fände ich sie von vorne rein klasse.“ Ein Satz, den die Band öfters zu hören bekommen hat.
Aufgrund des Internets und den ganzen Social Media Outlets wie Facebook ist es heute bei weitem leichter, in Kontakt mit den Helden seiner Jugend zu kommen als Anfang der 90er Jahre. Im Herbst 2013 nahm ich mit Marc Grewe Kontakt auf, sendete ihm die Voivod-Biographie ‚Worlds Away’ zu und wir sprachen locker über eine mögliche Morgoth-Biographie.
Im Mai 2014 war es schließlich soweit, ein Treffen mit der Band in ihrem Proberaum in Berlin stand an. Wir besprachen die Optionen und kamen in einem Sushi-Restaurant schnell zum Entschluss, das Projekt umzusetzen. Es fehlte nur noch ein geeigneter Autor, der unsere Idee umsetzen könnte. Schon im Vorfeld bei den ersten Mails zum Buch brachte Marc Christian Krumm ins Spiel, der berteits 2 Sachbücher geschrieben hat.
Überglücklich von diesem beeindruckenden Treffen mit den ‚Helden meiner Jugend‘ vor ich wieder von Berlin nach Haufeld zurück und nahm umgehend Kontakt mit Christian auf. Nach einer kurzen Bedenkzeit sagte er zu, dass Projekt stand somit. Ich muss sagen, dass wir keinen besseren Autor für dieses Buch hätten finden können.
Kurz vor Abgabe des Manuskripts überraschte uns die Nachricht, dass Marc Grewe nicht länger ein Teil der Band sei. Der Aufschrei war groß, Fans verlangten sogar die Auflösung der Band. Nachdem der erste Teaser mit neuer Musik online gestellt wurde, verstummten jedoch die meisten Schreie. Die seitdem am häufigsten gestellte Frage lautet „Was ist passiert?“ und genau zu diesem Punkt schweigen alle Beteiligten. Wer erwartet, in diesem Buch Hintergründe oder Klatsch zu erfahren, der wird enttäuscht werden. Es war nie unsere Absicht, dies in Erfahrung zu bringen und publik zu machen. Morgoth lives – und nur das zählt.
Als Fan, der diese Band seit nunmehr über 25 Jahre lang begleitet, und als Verleger ihrer Biographie, möchte ich an dieser Stelle allen Beteiligten meinen ganz großen Dank aussprechen:
- Marc Grewe, der die Idee in den Raum geworfen hat, eine Bio zu machen,
- Sebastian und Harry, die von Anfang an diese Idee unterstützten,
- an alle ehemaligen und aktuellen Mitglieder für ihre Hilfe beim Zusammentragen der Informationen,
- Christian Krumm, der eine erstklassige Arbeit geleistet hat und sich in die Materie hinein gekniet hat, obwohl er kein „Sachbuch“ mehr machen wollte,
- Leif Jensen von Clandestine Music, dem Management der Band
- Evelyn Steinweg für das umfangreiche Bildmaterial
- Rock Hard, sowie Frank Albrecht und Rüdiger Hennecke, dass sie uns die Erlaubnis zum Abdruck der Tourtagebücher erteilt haben,
- Jagger, der ein fleißiger Rock Hard-Sammler ist und aus seinem Archiv die Tourtagebücher von 1991 ausgegraben hat
- und an alle Menschen, die uns Fotos, Eintrittskarten und diverse andere Bildmaterialien zugesendet und uns mit Informationen versorgt haben.
Haufeld, im Februar 2015
Holger Kliemannel
Intro
20.05.2011
Der 20. Mai 2011 ist für die meisten Metaller ein ganz gewöhnlicher Freitag. In Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt, Stuttgart oder München geht man in die Kneipen oder auf Konzerte; im Ruhrgebiet fiebern nicht wenige dem Pokalfinal-Derby zwischen Schalke und Duisburg am folgenden Tag entgegen. Doch auch in das AJZ Bahndamm in Wermelskirchen zieht es einige. Dort spielt neben The Very End, Debt of Nature und Reckless Manslaughter eine Band, deren Gig für viele Besucher eine Reise in ihre eigene Jugend bedeutet.
Der Bahndamm ist seit über 20 Jahren ein Tempel der Punk- und Metal-Szene: klein, stickig, genau so, wie man sich einen zünftigen Klub vorstellt. Abseits des Konzertraums führt eine Treppe hinauf in eine Küche, wo die Bands das Essen mittels einer Durchreiche in den Cateringraum gestellt bekommen. Diverse langhaarige Gestalten haben es sich hier zwischen zweistöckigen Hochbetten, Sesseln, Sofas, Gitarrentaschen, Snare-Drums, Bass-Verstärkern und Kabelkoffern bequem gemacht.
Auf den Sesseln sitzen drei Gestalten beieinander, deren Namen Marc, Harry und Sebi sind. Keiner von ihnen hätte gedacht, dass sie je wieder an so einem Ort und in genau solch einer Situation zusammen sitzen würden. Über Jahre hinweg haben sie ein mehr oder weniger normales Leben geführt. Marc ist als Erzieher berufstätig, hat aber auch als Promoter und Aufnahmeleiter für das Fernsehen gearbeitet, Sebi kümmert sich um das Marketing für eine Online-Poker-Firma und hat eine Tochter, die in Köln als Krankenschwester arbeitet. Harry hat zwei kleine Kinder und arbeitet als Bodenleger. Was machen sie also hier in diesem kleinen Ort irgendwo zwischen Leverkusen und Wuppertal? Als Teenager haben sie zusammen Musik gemacht und hatten große Pläne wie die meisten Jugendlichen. Doch einen Unterschied gab es: Sie haben sie durchgezogen bis zum bitteren, nun, sagen wir besser stillen, Ende.
„Wie lange ist das jetzt her?“
„14 Jahre. Das war in Paris im ‚La Locomotive‘.“
„Oh Mann, war das ein Scheiß.“
„Kann ich mich gar nicht so dran erinnern.“
„Doch ich schon. Ich weiß noch, wie ich ins ‚Moulin Rouge‘ gedackelt bin, um dem Roadie in den Arsch zu treten. Der hat sich da vergnügt, während wir das Equipment selbst über die Straße geschleppt haben. Das ging ja mal gar nicht.“
„Wieso? Das war doch fast immer so.“
„Immer? Ne, also bei den Touren vorher war das noch anders!“
„Wir waren eben auch verwöhnt.“
„Hat doch mit verwöhnt nichts zu tun, wenn einer seinen Job nicht macht. Wir haben doch auch unseren Job gemacht.“
„Ja, das war genau das Problem.“
„Was meinst Du?“
„Es war ein Job. Wir haben unsere Ärsche von A nach B karren lassen, um unseren Job zu machen.“
„Jetzt übertreib mal nicht. Es war doch weiß Gott nicht immer nur ein Job!“
„Nein, früher nicht. Als wir noch in Meschede geprobt haben.“
„Auch hinterher nicht. Nur zuletzt, aber da haben wir dann auch aufgehört.“
„Das war schon einmalig. Ein paar bekloppte Teenager aus dem Sauerland, die sich in den Kopf gesetzt haben, eine Death Metal Band zu gründen, obwohl sie anfangs nicht einmal Instrumente spielen konnten. Aber wir waren eben Kumpels.“
„Wir haben es durchgezogen. Vertrag bei einem Minilabel, Wochen und Monate in Bussen auf Pritschen oder in irgendwelchen Billighotels übernachtet; irrsinnig, wenn man sich das heute vorstellt.“
„Ja, das war schon krass. Unglaublich, wie das gelaufen ist. Eigentlich sollte das mal einer aufschreiben.“
„Und jetzt, seit 14 Jahren, endlich wieder auf der Bühne. Die deutsche Death Metal Legende: MORGOTH!!!!!“
Dem letzten Gedanken gehen