Ghostsitter. Tommy Krappweis. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tommy Krappweis
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Учебная литература
Год издания: 0
isbn: 9783964260581
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Kapitel 2: Verlorene Zeit

      Tom spürte, wie ihm eine seltsame Art von Enttäuschung ins Herz gekrochen kam, um sich dort häuslich einzurichten. Es fühlte sich nicht gut an. »Du … du hast die Übungen schon mal von Vlarad gesagt bekommen? Vor so langer Zeit? Und du hast niemals …«

      Plötzlich stand der Graf wieder vor Tom, musterte ihn seltsam und fuhr dazwischen: »Wo sollte sie die Übungen denn sonst herbekommen haben, wenn nicht von mir?«

      Tom war verwundert über diese Reaktion. »Na, aus deinen Notizbüchern, die du mir in die Hand gedrückt hast. Da standen die drin. Zwar ohne den finalen Zauberspruch, aber dafür müssen wir ja eh zu dir kommen.«

      Augenblicklich entspannte sich der Vampir: »Die Abschrift … Nur die Abschrift … natürlich. Ja, das ist selbstverständlich völlig in Ordnung. Entschuldige bitte, mein Junge.«

      Bevor Tom genauer nachfragen konnte, was Vlarad meinte, wandte der sich schon an Mimi: »Wie sagt man so schön: Besser spät als nie. Trotzdem ist es schade um all die verlorene Zeit, wenn ich das so sagen darf. Hättest du seinerzeit direkt mit dem Training begonnen, wärst du jetzt schon einen bedeutenden Schritt weiter. Du könntest Objekte berühren, greifen und sogar für eine begrenzte Zeit festhalten.«

      »Echt jetzt?«, entfuhr es Tom schärfer als er es beabsichtigt hatte.

      »In der Tat. Aber wie sagt man noch so schön: Können ist einfach, können wollen meist schwer«, antwortete der Vampir und nickte professoral in Richtung des Gespensts. »Wie dem auch sei, ich bin mir sicher, deine Lernkurve wird sehr bald steil nach oben zeigen, meine Liebe. Du wirst schnell erste Erfolge verzeichnen.«

      Mimi antwortete nicht, aber Tom fragte hoffnungsvoll nach: »Sehr bald? Was genau meinst du denn damit?«

      Vlarad warf einen undurchdringlichen Blick in die Runde. »Zeit ist relativ, mein Junge. Ich wünsche eine geruhsame Restnacht allerseits. Wenn ihr mich sucht, ich bin in meinem Labor.«

      Damit drehte er sich um, stakste durch den überdachten Durchgang hinüber in die Geisterbahn und schloss die Tür hinter sich.

      Tom stand mit offenem Mund da. Erst als die Schritte des Vampirs nicht mehr zu hören waren, drehte er sich auf dem Stuhl zu Mimi um. Einen Moment lang wusste er gar nicht, was er sagen sollte.

      Das Geistermädchen schwebte mitten im Raum und ließ den Kopf hängen, als hätte man sie mit dem Kragen an einem Garderobenhaken befestigt.

      Schließlich fand Tom seine Stimme wieder: »Du kanntest diese Übungen schon seit zweihundert Jahren und hast die noch nie gemacht?« Er klang so bitter und vorwurfsvoll, dass er selbst darüber erschrak.

      Mimi nickte stumm, und sofort bereute er seinen scharfen Ton. Tom stand auf und ging seufzend zu ihr hinüber.

      »Oh Mann … Bitte entschuldige, Mimi«, flüsterte er und streckte unwillkürlich die Hand nach ihr aus. Bevor er es bereuen konnte, schaute das Geistermädchen bereits traurig auf die Hand, die es ja doch nicht berühren konnte. Mimi blickte wieder auf zu Tom.

      Der kniff die Lippen zusammen, schimpfte lautlos in sich hinein und zog die Hand zurück. Genau das war ihm leider schon ein paarmal passiert, und er hatte sich eigentlich fest vorgenommen, dass es nie wieder vorkommen würde.

      »Schon okay …«, murmelte Mimi, und Tom suchte fieberhaft nach den richtigen Worten. Aber leider hatten sich alle Buchstaben gerade gegen ihn verschworen und bildeten in seinem Hirn nur lauter sinnlose Wortgebilde. Weder »Brögldompf« noch »Gniebelfips« oder »Wuggu-Wuggu« würden die Situation verbessern, da war sich Tom sicher. Also sagte er besser nichts.

      In dem Moment öffnete sich die Tür des Zirkuswagens und Onkel Welf trat herein. Er wirkte seltsam gehetzt und blickte sich unruhig im Raum um. Seine geballten Fäuste steckten in den Taschen der abgewetzten Lederjacke. In den ersten Wochen seiner Zeit als Ghostsitter wäre Tom noch alarmiert gewesen und hätte sofort gefragt, ob etwas Schlimmes passiert sei. Das war jetzt nicht mehr nötig. Tom wusste genau, warum Welf hereingekommen war und wieso er sich so seltsam verhielt.

      »Okay, Vollmond. Alles klar, bitte hereinspaziert«, sagte er. Gleichzeitig öffnete sich wie von selbst die doppelte Wand am Ende des Zirkuswagens, hinter der sich der magisch gesicherte Käfig auftat. Dass Tom das nur mit der Kraft seiner Gedanken tun konnte, war ihm schon in Fleisch und Blut übergegangen, er dachte gar nicht mehr darüber nach.

      Sofort machte Welf ein paar große Schritte quer durch den Raum und betrat den Käfig. Dort ließ er sich auf der Holzpritsche nieder und bedeutete Tom mit einem genervten Schnauben, die Gitterstäbe wieder zu schließen.

      Der folgte der Aufforderung umgehend: Mit einem weiteren Gedankenbefehl schloss Tom die Stangen vor dem Werwolf und sorgte so dafür, dass dieser nach seiner vollständigen Verwandlung niemandem ein Haar krümmen konnte.

      Tom wusste, dass sein Ziehonkel in diesen Momenten noch weniger Lust auf ein Gespräch hatte als sonst, also nickte er ihm nur schweigend zu. Der Werwolf nickte zurück, und Tom ließ die Wand vor den Käfig gleiten. Er war froh, dass sich Welf immer früh genug vor der Verwandlung in eine reißende Bestie bei ihm einfand, um sein Spielzimmer zu betreten, wie Mimi den Käfig scherzhaft nannte.

      »Also, w…«, begann er, um sich wieder dem Geistermädchen zuzuwenden, doch als er sich umsah, war von Mimi nichts mehr zu sehen.

      »Na toll«, stöhnte Tom und ließ sich matt auf sein Bett fallen. Was konnte jetzt noch passieren, um den Abend noch ein bisschen scheißiger zu machen …? Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.

      Achtung, eine Meldung an alle, hörte er da die telepathische Stimme von Vlarad in seinem Kopf. Wombie ist verschwunden.

       Kapitel 3: Odor

      Sofort sprang Tom auf und angelte unter dem Bett nach seinen Turnschuhen. Gleichzeitig öffnete er einen telepathischen Kanal zu allen anderen: Was ist passiert?

      Es war die salbungsvolle Stimme von Hop-Tep, die sich nun meldete: Ich bin im Spurenlesen weniger begabt als unser wölfischer Freund, der uns ja nun leider nicht zur Verfügung steht. Und doch möchte ich sagen –

      Entschuldige, Hop-Tep!, unterbach Tom die ägyptische Mumie so höflich wie möglich. Aber wenn es irgendwie geht – fass dich bitte kurz!

       Du sprichst knapp, aber weise, junger Freund. Nun, wenn ich die Zeichen und Geschehnisse richtig deute, haben wir wohl ein Marderproblem.

      Und was hat das mit Wombie zu tun?, fragte Tom verwirrt, während er sich hektisch die langen Schnürsenkel zuband. Unserem Zombie gehen Marder doch am Hintern vorbei, so wie alles andere. Wir könnten ihm den großen Zeh auskugeln und er würde nicht mal blinzeln.

      Da magst du recht haben, antwortete nun der Vampir telepathisch. Aber wenn ein Marder Wombies geliebten Kuschelhasen Odor entführt …

      … ändert das die Sache, auweia, beendete Tom den Satz.

      Wir sind sofort da, ertönte da auch Mimis Stimme. Wo genau seid ihr?

      Hinter der Geisterbahn, den Feldweg hinunter, direkt am Waldrand, erklärte Vlarad, und Tom machte sich sofort auf den Weg.

      Er hatte weniger als drei Minuten gebraucht, um seine Sachen zusammenzusuchen, den Zirkuswagen zu verlassen und den Feldweg zum Wald hinunterzurennen.

      Dort schwebte Mimi bereits zwischen Mumie und Vampir und starrte mit ihnen in die Dunkelheit. Sie würdigte Tom nur eines flüchtigen Blickes.

      Der seufzte. »Also,