Thor. Martin Arnold. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martin Arnold
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Религия: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783944180168
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Zauberin Gróa kommt, um den Wetzstein mit Zaubersprüchen aus Thors Schädel zu entfernen. Erfreut über den Fortschritt ihrer Arbeit, erzählt Thor Gróa, dass er jüngst ihrem Gatten Aurvandill geholfen hat, indem er ihn in einem Korb über einen großen Fluss trug; doch einer von Aurvandills Zehen erfror, und Thor brach ihn ab und warf ihn in den Himmel, wo er zu einem Stern wurde. Vor Freude, dass ihr Gatte bald daheim sein wird, vergaß Gróa ihre Zaubersprüche, so dass der Wetzstein in Thors Kopf eingeklemmt bleibt. Laut Snorri ist es deshalb tabu, Wetzsteine zu werfen, weil sich dann der Wetzstein in Thors Kopf bewegt.

      Snorris leuchtende Darstellung dieses Mythos folgt seiner offenkundigen Hauptquelle, einem Auszug von Thjodolf or Hvinis Gedicht ‚Haustlöng’ (‚Herbstlange’). Von diesem Gedicht ist bekannt, dass es in Norwegen zwischen dem späten neunten und frühen zehnten Jahrhundert verfasst wurde und deshalb eine von Snorris ältesten noch vorhandenen Quellen ist. Es behandelt Szenen auf einem Schild, der dem Dichter von seinem Mäzen Thorleif dem Weisen zum Geschenk gemacht wurde. Auf jedem Viertel dieses Schildes waren mythische Szenen abgebildet, die den Dichter inspiriert haben, darunter auch Thors Kampf mit Hrungnir. Der Mythos spielt offensichtlich eine zentrale Rolle in den Glaubensvorstellungen um Thor, und Hrungnir wird in fünf weiteren Eddaliedern erwähnt, ebenso wie in Kenningar anderer Skalden auf ihn Bezug genommen wird, wie von Bragi Boddason im frühen neunten Jahrhundert in seiner Anspielung auf Thor als ‚Hrungnirs Schädelspalter’.22 Während jedoch die Bemühungen Gróas, den Wetzstein aus Thors Kopf zu entfernen, im ‚Haustlöng’ wieder auftauchen – wo die Operation als erfolgreich geschildert wird – erscheint die Geschichte, die Thor von Aurvandills Zeh erzählt, einzig bei Snorri. Die richtige Schlußfolgerung ist wahrscheinlich, dass es sich hierbei um Snorris Ausführung handelt, die möglicherweise auf einem mittelalterlichen Volksmärchen gründend, das den Namen eines Sterns namens ‚Aurvandills Zeh’ zu erklären versucht. Das verwandte altenglische Wort earendil, das ‚Lichtstrahl’ bedeutet, unterstützt diese Möglichkeit.23

       Geirröd

      Der zweite Mythos dieser Folge handelt von Thors Kampf mit dem Riesen Geirröd: Wieder einmal wird er durch Loki in Schwierigkeiten mit den Riesen gebracht. Durch reine Waghalsigkeit ist Loki, in Gestalt eines Falken, in die Gefangenschaft des Riesen geraten, der ihn in eine Kiste gesperrt hat und dort seit drei Monaten ohne Nahrung festhält. Bei einer Art Verhör verhandelt Loki um seine Freiheit, für die er Geirröd im Gegenzug verspricht, Thor ohne seinen Kraftgürtel und ohne Mjöllnir an seinen Hof zu bringen. Wie Loki dies erreicht, wird nicht erzählt, aber auf seiner Reise mit Loki in das Land der Riesen hat Thor das Glück, bei einer hilfsbereiten Riesin namens Grid unterzukommen, der Tochter des Gottes Vidar des Schweigsamen, der selbst ein Sohn des Odin und damit ein Halbbruder Thors ist. Grid berichtet Thor von Geirröds Bosheit und leiht ihm ihren eigenen Kraftgürtel, ein Paar eiserner Handschuhe und ihren Stab Griðarvölr. Bald kommt Thor an einen großen Fluss namens Wimur. Mit Loki, der unter dem Kraftgürtel verborgen ist, und der Unterstützung von Griðarvölr gelangt er in die Mitte des Flusses und wird beinahe von der reißenden Flut mitgerissen, als er sieht, dass die Ursache für deren Ansteigen Geirröds Tochter Gjalp ist, die in den Fluss uriniert; diese Unflätigkeit wird von einigen Kritiker auch als das Ausscheiden von Menstruationsblut interpretiert. Er schleudert ihr einen großen Stein entgegen und ruft dabei: ‚Am Ausfluss soll der Strom sich stauen.’24

      Thor schafft es daraufhin, ans Ufer zu klettern, indem er einen Ebereschenbusch ergreift, welcher danach als ‚Thors Schutz’ bekannt wird. An Geirröds Hof werden Thor und Loki sodann in einem Ziegenschuppen einquartiert. Als Thor sich auf den einzigen Stuhl setzt, wird er emporgehoben und gegen das Dach gedrückt, so dass er zerquetscht zu werden droht. Doch dank Griðarvölr gelingt es ihm, den Stuhl wieder hinunter zu drücken, worauf ein schreckliches Geschrei zu hören ist. Dessen Ursprung, so entdeckt Thor, sind Gjalp und ihre Schwester Greip, die sich unter dem Stuhl befanden und deren Rücken nun zerquetscht sind. Als er Geirröds Saal betritt, schleudert der Riese ihm einen Klumpen geschmolzenen Eisens entgegen, welchen er mit einem von Grids eisernen Handschuhen auffängt und zu seinem Gastgeber zurückschleudert, der sich hinter einer eisernen Säule versteckt. Doch Thors Wurf ist so gewaltig und tödlich, dass das geschmolzene Metall die Säule, Geirröd und die Außenwand durchschlägt.

      Im späteren zehnten Jahrhundert verfasste der Skaldendichter Eilif Gudrunarson ein Preisgedicht auf Thor, das bekannt geworden ist als ‚Þórsdrápa’ (Preislieder auf Thor). Neunzehn Strophen dieses ausgesprochen schwierigen Gedichtes wurden in Snorris Edda übertragen, direkt hinter seine eigene Erzählung des Mythos von Geirröd. Wenig ist über Eilif bekannt, außer dass er dem norwegischen Herrscher Jarl Hakon Sigurdarson als Hofdichter diente und, was nicht verwundert, ein überzeugter Verehrer der altnordischen Götter war. Zwischen Snorris Darstellung und jener von Eilif gibt es eher geringe Unterschiede; die vielleicht bemerkenswerteste Abweichung besteht darin, dass es Thors Diener Thjálfi und nicht Loki ist, der Thor auf seiner Reise begleitet, und dass Thor in Eilifs Gedicht auf Mjöllnir zugreifen kann. Obwohl es kein Eddalied gibt, das die Version dieses Gedichts stützt, war es Saxo Grammaticus auch aus dänischen Überlieferungen bekannt. Saxos Gesta Danorum berichten von der Reise eines Thorkil (in der lateinischen Form ‚Thurkillus’ genannt) in das Reich des Geruth, wo er und seine Begleiter den durchbohrten, verkrümmt unter einem zersplitterten Felsen liegenden Körper eines alten Mannes und die mit Geschwülsten durchsetzten Leichen dreier Frauen mit gebrochenen Wirbelsäulen vorfinden. Schnell teilt Thorkil seinen Männern mit, dass dieses die Auswirkungen von Thors Werk sei: der alte Mann wurde von einem brennenden Eisenblock getötet und die Frauen von Thors Donnerkeil niedergestreckt. In der Nähe ist der Hort eines verfluchten Schatzes, der all jenen ein grausames Ende bereitet, die so töricht sind, ihn plündern zu wollen.25 Ein weiteres Zeugnis für die Popularität dieses Mythos bis in das Mittelalter hinein liegt in der isländischen Erzählung Þorsteins þáttr bœjarmagns (Thorstein Haus-Macht) vor, in der der wendige Thorstein den Geirröd mit einer Zaubermurmel tötet und seinen Saal niederbrennt. In dieser Version aus dem späten zehnten Jahrhundert wird der Erfolg des Helden der Unterstützung des christlichen norwegischen Königs Olaf Tryggvason (gest.1000 u. Ztr.) zugeschrieben.

       Thor und Utgardloki

      Den größten Raum unter Thors Abenteuern mit den Riesen gewährt Snorri einer Erzählung in der ‚Gylfaginning’. Gylfi fragt die ‚Götter’ nach den Grenzen von Thors Kraft aus, worauf sie sofort mit Widerwillen zu reagieren scheinen. Nichtsdestotrotz erklärt derjenige, der sich Thridi nannte – was auch ein Beiname Odins ist –, dass er nicht lügen wolle, auch wenn die Geschichte ‚nicht schön zu erzählen ist’.26 Thor und Loki sind mit Thors Wagen unterwegs und beschließen, ihr Nachtquartier im Hause eines Bauern zu nehmen. Thor bereitet ein Mahl für die Familie, indem er seine eigenen Böcke schlachtet, häutet und kocht. Er verlangt, dass die Knochen heil bleiben und anschließend auf die Bocksfelle geworfen werden müssen, doch Thjálfi, der Sohn des Bauern, hört nicht darauf und spaltet – von Thor unbemerkt – einen Knochen auf, um an das Mark zu kommen. Als der Morgen dämmert und Thor seinen Hammer erhebt, um ein heiliges Ritual durchzuführen, das seine Böcke wieder ins Leben zurückholt, stellt er fest, dass einer von ihnen lahmt. Aus Angst um das Leben seiner Familie sucht der Bauer Thor zu beruhigen, indem er ihm seinen Sohn Thjálfi und seine Tochter Röskwa als Geschenke überlässt.

      Nachdem sie ihre Reise ins Land der Riesen nun zu Fuß fortgesetzt hatten, führte der Weg die beiden Götter und die Kinder über einen großen Fluss und hinein in einen Wald. An ihrem Weg lag etwas, das aussah wie ein großes, leeres, eigenartig aussehendes Gebäude. Hier beschlossen sie zu rasten. In der Nacht gibt es einen großen Tumult, als dessen Urheber sich am nächsten Morgen ein Riese herausstellt, der so groß ist, dass Thor vor einem Angriff zurückschreckt. Der Riese stellt sich selbst als Skrymir vor. Als er Thor erkennt, fragt er diesen, was er und seine Gefährten mit seinem Handschuh vorhaben, denn es war der Daumen von Skrymirs Handschuh, in welchem sie die Nacht verbracht hatten. Thor ist damit einverstanden, dass Skrymir sie begleitet und sie ihre Vorräte zusammenlegen. Bei Einbruch der Nacht suchen sie Schutz unter einem Baum, und Thor versucht vergeblich, den Rucksack des Riesen zu öffnen, in dem sich ihr Proviant befindet. Er gerät darauf in Wut und schmettert seinen Mjöllnir dem schlafenden Riesen gegen die Stirn, der aber nur kurz erwacht und sich beklagt, dass ihm ein Blatt auf den