Lena Halberg: London '05. Ernest Nyborg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernest Nyborg
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783868411317
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      »Wieso? Allein das Thema London ist schon eine tolle Story, da die Attentäter hier lebten und Briten waren. Diese neue Art von Terrorismus ist das Symbol für einen steigenden Hass gegen die Politik und die Menschen im eigenen Land. Wo hat es das vorher gegeben, außer vielleicht in Nordirland mit der IRA.«

      »Oder in Spanien mit den Basken oder gerade in der Türkei mit den Kurden – neu ist das nicht.«

      »Für uns in London schon«, verteidigte Lena ihre Idee, »und dann die gleiche Vorgehensweise zu verschiedenen Zeiten, in Ländern, die räumlich weit auseinanderliegen …«

      »Ja, gut«, warf jetzt auch Clark ein, »aber gibt es eine andere Möglichkeit? Das Muster muss ähnlich sein. Man bindet sich das Zeug um und geht wo rein, wo viele Leute sind, wie eben die U-Bahn.«

      »Und alle verwenden den gleichen Sprengstoff, der ein spezielles Know-how erfordert?«, konterte sie jetzt genervt. »Glaubst du, dieser Zusammenhang ist Zufall? Da muss doch einer dahinterstehen.«

      »Zugegeben, es wäre möglich, aber zugleich ist es auch wieder sehr unwahrscheinlich«, meinte Ruth nachdenklich.

      Clark deutete auf die Unterlagen. »Ob du da nicht voll auf die Ansicht deines amerikanischen Freundes hineinkippst? Aber bitte, ich bin in solchen Fragen kein Spezialist.«

      »Eben!« Lenas Augen funkelten. »Dann mach mir das Thema nicht mies!«

      »Das versuche ich gar nicht und an deinen Argumenten ist sicher was dran«, räumte Clark ein, setzte ein Lächeln auf und hob entschuldigend die Arme.

      »Es ist auch ausschließlich die Entscheidung von dir und Shyam, ob ihr das Thema machen wollt«, sagte Ruth spitz, »Clark und ich sind nur diejenigen, die mit euren Erfolgen dann die Statistik füttern.«

      Lena atmete tief durch. »Entschuldigt, ich verstehe eure Zweifel ja. Andererseits spüre ich, dass da etwas faul ist und es sich lohnt, dem nachzugehen. Davon will ich euch eben gerne überzeugen.«

      Sie schob alles auf einen Stapel zusammen und holte ihren Laptop.

      »Schon okay, komm Clark, wir machen bei uns drüben weiter.« Ruth stand auf und die beiden gingen hinaus.

      Eine Stunde später, Lena stöberte über ihren Computer im Server der Redaktion herum, lagen jede Menge Notizen auf dem Tisch und sie hatte die Welt rundherum vergessen.

      Das Archiv der Firma war umfangreich und bestens aufgearbeitet. Sie erinnerte sich an ihre vorherigen Jobs beim Fernsehen, wo man alte Sendungen in Bändern im Keller stapelte, die man mühsam ausheben und entstauben musste und es dann womöglich keine Abspielmöglichkeit mehr für das alte Videosystem gab. In Shyams Büro war genau das Gegenteil zu finden: Jeder Bericht und jedes Dokument wurde säuberlich digitalisiert und war über Suchbegriffe verfügbar.

      Diese Übersicht führte Lena zu einem Bericht der iranischen Nachrichtenagentur Fars über einen Anschlag in Teheran im Jahr 2012. Im Norden der Hauptstadt wurde ein Atomphysiker in seinem Auto getötet, diesmal nicht von einem Selbstmörder, sondern von einem Motorradfahrer mit einer Haftbombe. Der hatte neben dem Fahrzeug angehalten, den Sprengsatz befestigt und war danach mit Vollgas geflüchtet. Die Explosion erfolgte Sekunden später, der Wissenschaftler hatte keine Chance zu entkommen. Ob er entscheidend am iranischen Atomprogramm beteiligt gewesen war, blieb unklar, schien aber realistisch. Der stellvertretende Gouverneur Teherans beschuldigte den Mossad, hinter der Tat zu stecken. Angeblich seien Führungsoffiziere der Israelis, als Diplomaten getarnt, öfter im Land unterwegs, um unzufriedene Iraner für derartige Anschläge anzuwerben.

      Die Umstände waren vollkommen anders als in London, außer dass auch dort Inländer die Tat verübten, nur der verwendete Sprengstoff war der gleiche. Bei allen Sprengsätzen hatte es sich um eine als NHS-Gel bezeichnete Substanz gehandelt, eine neuartige Verbindung von Stoffen aus der Nano-Technologie. Lena hatte in die Suchmaske des Archivs nur den chemischen Begriff eingegeben und fand die folgende Beschreibung:

       Die stärkste der chemischen Sprengsubstanzen, die in den letzten zwanzig Jahren entdeckt wurde, eine besondere Metallverbindung, mit der vielfachen Sprengkraft von herkömmlichem TNT oder Dynamit.

       Kommt sie mit normaler Luft in Berührung, löst die Kettenreaktion eine gewaltige Explosion mit hoher Detonationsgeschwindigkeit aus. Daher kann bereits mit geringsten Mengen eine verheerende Wirkung erzielt werden. Die Verbindung ist jedoch derart empfindlich, dass ein hohes Maß an Wissen nötig ist, um sie im Gebrauch beherrschen zu können.

       Die Entdeckung machte man im Jahr 2002 am bekannten Rutfeld-Institut in Haifa. Die Forschungsergebnisse wurden im Herbst 2008 in führenden Fachjournalen veröffentlicht.

      Lena wollte schon weiterblättern, hatte aber das Gefühl, da stimmte etwas nicht. Sie las den Text mehrmals, bis sie erkannte, was sie daran stutzig machte – der Ort und die Jahreszahlen! Wenn man in Israel einen derartigen Sprengstoff entwickelt hatte, hing der Mossad mit drin und wenn die Details erst 2008 bekannt wurden, hatten nur die Leute in diesem Labor Zugang zu dem Wissen. Zumindest bei den Anschlägen vor der Veröffentlichung.

      »Wichtiger Punkt!«, murmelte Lena vor sich hin, während sie sich einige Details notierte. »Wer die Bomben gebaut hat, muss die Forschung an dem Institut in Haifa gekannt haben.«

      Für sie stand damit fest, dass dieser mysteriöse Hintermann existierte. Entweder war es einer der Forscher oder er hatte dort zu tun, möglicherweise war es auch ein ehemaliger Student, überlegte sie.

      »Interessant«, sagte sie laut, als sie sah, dass es einen halb fertigen Bericht zu dem Vorfall im Iran gab, der aber nie veröffentlicht worden war. Sie stand auf und ging hinüber in Clarks Büro.

      »Erinnerst du dich an Teheran vor vier Jahren, wo der Atomphysiker ermordet wurde?«

      »So einigermaßen.« Clark sah auf. »Was ist damit?«

      »Jemand hat eine Reportage ins Archiv eingespielt, aber die wurde weder zu Ende geschrieben noch je gebracht.«

      »So genau weiß ich das auch nicht mehr«, sagte Clark und überlegte, »Shyam war es wahrscheinlich zu spekulativ. Du kennst ihn ja, er ist in dem Punkt relativ heikel.«

      »Was ist denn daran spekulativ?« Lena wunderte sich darüber. Dann deutete sie auf die Aufstellung im Monitor. »Nebenbei erwähnt, auch über die Londoner Anschläge gibt es nichts Umfassendes. Einige kleine Berichte, ein paar Artikel, das ist alles.«

      »Aha, ist mir bisher nicht aufgefallen.«

      »Einer der größten Anschläge in Europa, das wäre doch ein toller Stoff gewesen.«

      »Toller Stoff!?« Clark verzog den Mund. »Mit dir hält das Grauen in diese Firma Einzug …«

      »Ich meine doch nur«, gab Lena lachend zurück, »dass sich die Berichterstattung darüber gut verkauft hätte, immerhin war es über Monate ein heißes Thema. Da wundert es mich eben, wenn Shyam sich das entgehen lässt.«

      »Ich bin nur ein kleines Rädchen«, Clark zuckte die Achseln, »und mache meine Statistik. Die muss ich jetzt auch weitermachen …«

      »Ja, schon gut, ich störe dich nicht weiter«, meinte Lena und ging wieder zurück in ihr Zimmer.

      Für sie war jetzt klar, dass sich ihre nächste Story um den geheimen Bombenbauer hinter dem Londoner Anschlag drehen musste. Wie könnte der Titel für die Reportage sein, dachte sie und blickte zum Fenster hinaus.

      »Hallo Clark, hallo Mutter«, sagte Shyam, als er um elf in die Redaktion kam. Dann schaute er bei Lenas Tür herein. »Du bist auch da? Ich dachte, du wolltest Urlaub nehmen?«

      »Ja, habe ich auch«, sagte Lena freudig und stand auf, »ich muss dir nur ganz dringend was sagen und komme dann hinüber zu dir, ich …«

      »Jetzt lass mich bitte erst mal ankommen.« Shyam hob beschwichtigend die Arme. »Ich bin eben aus Zürich gelandet und der Flug über den Kanal war ein Horror – Regen, Stürme, Turbulenzen! Also: Schönen Sonntag, alle weiteren