Im Gegensatz dazu konnte man noch im Sommer des Jahres 1948 in Leipzig ganz offiziell im Zeitschriftenhandel den Westberliner „Telegraf“ kaufen. An einem Stand vor dem Alten Rathaus in Leipzig hatte ich für 50 Pfennige die Broschüre „Offen gesagt“ des ehemaligen US-Außenministers John F. Byrnes erworben. Darin wurden den Sowjets sehr offen ihre Sünden vorgehalten. Dieser Freizügigkeit war nach der Währungsreform und mit der Berlinblockade ein Ende gesetzt worden. Dass es trotzdem noch Schlupflöcher gab, sollten wir bald erfahren. Der Postverkehr funktionierte noch, und meinen Vater erreichten nun regelmäßig Paketsendungen aus Westberlin, deren Inhalt aus besonders für diesen Zweck in Kleindruck und Miniformat hergestellten Westberliner Tageszeitungen bestand.
Nach welchen Gesichtspunkten gerade mein Vater als Empfänger dieser höchst brisanten Sendungen ausgewählt wurde und von wem, vermochten wir nicht zu ergründen.
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WÄHRUNGSREFORM
Der Währungsreform in den drei westlichen Besatzungszonen, am 20. Juni 1948, folgte wenige Tage später, am 23. Juni, der Geldumtausch in der sowjetischen Besatzungszone. Das waren wesentliche Voraussetzungen für die ein Jahr später erfolgten Gründungen der beiden deutschen Staaten3 und damit bedeutsame Stationen auf dem Wege zur Teilung Deutschlands. Weil auch heute, zehn Jahre nach der Wiedervereinigung4, der Begriff „Währungsreform“ bei einigen Bürgern der alten Bundesrepublik reflexartig die Vorstellung auslöst, dass sie allein mit 40 DM beginnen mussten, während die im Osten …, will ich hier einfügen, was die meisten Menschen nicht mehr wissen, wie das damals im Osten war.
Während am Tage der westlichen Währungsreform das neue, in den Vereinigten Staaten gedruckte Geld (und so sah es auch aus) bereits zur Verfügung stand und ausgegeben werden konnte, wurden in der SBZ zunächst die alten Reichsmarkscheine beibehalten, durch eine aufgeklebte Marke aufgewertet und so zur neuen DM-Ost umfunktioniert. Jedem Bürger standen 70 Mark der neuen Währung zu, alles Übrige wurde 1:10 abgewertet. Sparguthaben aus der Zeit ab Mai 1945 bis zu einer Höhe von 100 Reichsmark wurden im Verhältnis 1:1 umgewertet, darüber hinausgehende Beträge bis zu 1000 Reichsmark im Verhältnis 1:5 und dann weiter 1:10. Auf diese Weise wurden aus einem Guthaben von 1131,58 Reichsmark, das sich nach 1945 auf meinem Sparkonto angesammelt hatte, 293,00 DM-Ost. Das war der Gegenwert für zwei Jahre Arbeit auf dem Bau. Das Umtauschverhältnis war für die Ostdeutschen zweifellos günstiger als für die Westdeutschen. Aber, was bei dieser Bewertung nicht berücksichtigt ist:
Den Bewohnern der SBZ hatte man gleich 1945 ihre Sparkonten gesperrt. Für sie traf nicht zu, was Autor Hans Riehl in seinem Buch „Requiem für eine Währung“ schreibt:
„Gerade in den Nachkriegsjahren mußten viele Menschen auf Erspartes zurückgreifen. Um einigermaßen über die Runden zu kommen, mußte oft der letzte Pfennig ausgegeben werden – beim Hamstern, und wenn es sein mußte, auch einmal auf dem Schwarzmarkt.“5
Die Ostdeutschen hatten nichts Erspartes mehr, auf das sie zurückgreifen konnten.
Das Sparbuch von Hans Hüfner
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