Das geistige Erwachen des Menschen ist die Basis für Selbstfindung. Er will nicht mehr blind glauben oder gar nicht glauben, sondern er will wissen und sucht eine Antwort auf die Fragen: „Wer bin ich, woher komme ich und wohin gehe ich?" Wer fragt, bekommt auch Antwort. Das drückte Jesus Christus so aus: „Bittet, und ihr werdet empfangen, klopfet an und es wird euch aufgetan." Wer aber nicht fragt und nicht nachdenkt, kann auch keine Antwort bekommen oder gar eine Erleuchtung.
Die Frage nach dem Sinn unseres Daseins lässt sich nur in Verbindung mit dem Wissen um eine Existenz über den physischen Tod hinaus beantworten; denn ein Leben, angefüllt mit Arbeit, Mühe, Problemen, Krankheit und Schicksalsschlägen hätte wohl kaum einen Sinn, wenn danach alles zu Ende sein sollte.
Wenn wir einen Blick ins Universum tun, von dessen Ausmaß wir keine Vorstellung haben, und sich vor unseren Augen Milchstraßensysteme und Spiralnebel auftun, dann fällt es wahrhaft schwer, an Zufälligkeiten, an Vergänglichkeit und totalen Zerfall zu denken. Aus dieser Sicht muss auch der Mensch einen Platz in der Schöpfung haben und dem großen Evolutionsprozess sinnvoll eingeordnet sein, stets am kosmischen Spiel beteiligt. Dass wir von Tod und Ende sprechen, wenn wir diese physische Ebene verlassen müssen, beweist nur, wie begrenzt wir im Denken und im Wissen sind. Aber wir selbst errichten uns diese Begrenzungen durch falsches Denken.
Wie in der Puppe schon die Anlage zu einem schönen Schmetterling liegt und dieser nach der Metamorphose sich abmüht, die begrenzende Hülle zu verlassen, um in einen sonnendurchfluteten Äther zu schweben, könnte doch in unserem physischen Körper auch schon die Anlage zu einem höheren Wesen liegen, und es wäre nicht richtig, von Tod und völligem Ende zu sprechen, wenn die große Umwandlung mit dem Ablegen des physischen Körpers geschieht.
Tod ist ein Wort, das es in dieser endgültigen Auslegung nicht geben dürfte. Es erschreckt all jene Menschen, die in geistiger Unwissenheit leben. Manche schieben den aufkommenden Gedanken beiseite, weil er ihnen unangenehm ist und Angstgefühle auslöst.
Viele Menschen sind an ihren Besitz gekettet und erleben im tiefsten Innern ein Unbehagen, ja eine Auflehnung, wenn sie daran denken, dass sie sich einmal von dem lösen müssen, was sie sich so mühsam erarbeitet haben. Sie wissen nicht, wann dieses Ereignis eintritt, ob heute, morgen oder erst in einigen Jahren. Und so richten sie ihr Leben aus, als seien sie ewig auf dieser Erde. So zu leben führt zu verzerrten Gefühlen und bringt keine reine Freude. Unbewusst befinden sich diese Menschen in ständiger Spannung und Angst, die sich auf den physischen Körper und auf die Seele auswirken.
All unsere Gedanken und Gefühle drücken sich in Schwingungen, Vibrationen aus, die im Gefüge des Körpers wie eine Niederschrift zum Ausdruck kommen und damit für die Beschaffenheit unseres Zustandes ausschlaggebend sind. Diese Niederschrift wirkt wie die Arbeit eines Bildhauers, der seine Gedanken, Ideen und Vorstellungen in seinem Kunstwerk darstellt.
Ein Mensch, der nicht den rechten Bezug zum Sinn seines Lebens hat und von Weg und Ziel seiner Seele nichts weiß, kann nicht in Harmonie leben. Es gibt immer wieder Ereignisse, die ihn aus seiner scheinbaren Harmonie herausreißen. Dies könnte z. B. eine schwere Krankheit eines nahestehenden Menschen sein oder der Tod eines lieben Menschen. Dann fühlt er sich elend und nicht mehr im Gleichgewicht, sein Innenleben ist in Unordnung geraten. Er kann selbst krank werden, empfindet Ängste und gar zu oft kommen Depressionen. Eine kürzere oder längere Zeit lebt er so in Spannung und leidet. Aber auf diese Weise zu leben ist nicht erstrebenswert. Resigniert zu sagen: „So ist dieses Leben nun mal", ist zwar einfach, aber unerfreulich und lüftet nicht den Schleier der Unwissenheit. So muss es nicht sein!
Wir haben die Möglichkeit, uns Klarheit über den Sinn unseres Daseins zu verschaffen und auch darüber, nach welchen Lebensgesetzen wir uns auf diesem irdischen Plan zu richten haben. Jede Religion gibt uns dazu wertvolle Hilfen, wenn wir tief genug in sie eindringen. Hier ist nicht die Meinung einiger Priester gemeint, die wenig Trost und Licht geben können. Ein Priester kann auch nur das vermitteln, was er selbst empfindet und wozu er sich durchgerungen hat. Wer beharrlich forscht und sucht, bekommt eines Tages Antwort, und die sicherste Antwort liegt in uns selbst. Wenn es still genug in und um uns geworden ist, wenn wir es vermögen, in die eigene Tiefe, in unsere Seele einzutauchen, kommen wir zum Quell der Antworten. Weil die heutigen Menschen aber hauptsächlich nach außen leben, ist der Zugang zu unserem Göttlichen Selbst versperrt. Wie sollten wir dann einen Bezug zu unserem wahren, ewigen Sein bekommen?
Was wir Tod nennen, ist nur ein Zurückziehen Göttlicher Energie aus dem physischen Körper, der dann den Weg alles Stofflichen geht, ein Zurückziehen der Seele aus dem Körper. Er war auf diesem Plan die Hülle für unsere Seele, damit sie hier wirken konnte, um die Dinge zu lernen, die sie sich nur auf dieser Ebene aneignen kann. Wem das in einer Lebensspanne nicht geglückt ist, dem wird nach dem kosmischen Gesetz erneut eine Möglichkeit gegeben, sich weitere Kenntnisse zu erwerben. So dient der physische Tod wirklich nur unserer geistigen Entwicklung, weil er der Seele die Möglichkeit gibt weiter zu schreiten, um allmählich höhere Freiheit zu gewinnen. In dieser höheren Freiheit auf einer anderen Daseinsebene lebt sie voll bewusst weiter. Bewusstsein ist nicht nur ein Aspekt unseres physischen Körpers, sondern ebenso und primär einer unserer Seele. Beim phys. Tod zieht sich das Bewusstsein mit der Seele aus dem Körper zurück, und die Wesenheit lebt bewusster als vorher in einer Sphäre, die ihrer Beschaffenheit angepasst ist.
Jede Seele geht ihren ganz individuellen Weg der Entwicklung, den sie sich allein suchen muss. Niemand kann einem anderen eine Wegstrecke abnehmen, wohl aber eine Hilfe sein. Das Miteinandergehen hier ist ein vorübergehender Zustand. Er ist wie eine Schule, die einmal verlassen wird, wonach dann jeder Mitschüler seinen Weg ins Leben allein gehen muss. Das sollten wir uns alle klar machen und anerkennen, wenn einst der Tag kommt, da die Entwicklung auf der physischen Ebene beendet ist und die Seele auf einer anderen weitergeht, um der Vollendung entgegen zu reifen.
Wenn wir um unser Ziel wissen und erkannt haben, dass jede Seele auf dem Weg zur Vollendung ist und unsere Wege uns mit unseren Weggenossen auf höherer Daseinsebene wieder und wieder zusammenführen, weil es in der ganzen Schöpfung nur Einheit und keine Trennung, aber ständige Fortentwicklung gibt, dürfte uns der eigene physische Tod und der unserer Lieben nicht so erschrecken, da er doch nur zu einer vorübergehenden Trennung auf der irdischen Ebene führt, bis man sich auf einer höheren wieder begegnet. Das ist eine Metamorphose, die jeder durchmachen muss. Ein Festhalten an einem Zustand wäre ein Stillstand in der Entwicklung. Was wir Tod nennen, ist aus dieser Sicht eine notwendige Gelegenheit, die Seele von den Missklängen der Erde zu befreien.
Die Verkörperung auf Erden hat den Sinn, den Menschen durch Leid und Erkenntnis seiner Vollendung näher zu bringen, bis er sich seiner Gotteskindschaft wieder voll bewusst geworden ist und gelernt hat, nur dem „Ewigen Gesetz der Liebe und des Lebens" zu dienen. Dieses ist es, was ihn schließlich vom Kreislauf der Geburt, des Todes und der Wiederverkörperung erlöst und alle Fragen des menschlichen Daseins entschwinden lässt. An ihre Stelle wird die Freude sich ewig ausweitender Entwicklung treten. Schöpfung ist immerwährende Bewegung und Evolution, ein selbsttätiger Strom sich stets erweiternder Vervollkommnung.
Trauer und Gram über den Tod eines geliebten Menschen steht dem geistigen Weiterschreiten beider im Wege. In Wirklichkeit sind das Auflehnen und die Trauer ein Aufbäumen gegen die Gesetze der Evolution, damit gegen Gott und im Grunde meist Selbstmitleid.
Wenn es die wahre Liebe ist, die uns erfüllt, dann sollten wir uns nicht grämen, da der Heimgegangene doch nun an einem besseren Ort als dem bisherigen ist. Er hat dieses irdische Leben mit seiner Enge überwunden. Erfüllt uns die wahre Liebe, die Göttliche Liebe, dann wird sie nie aufhören und wird uns nach dem Gesetz zur rechten Zeit wieder