„Ja, das war sie.“ Ihre Stimme war wie Samt, weich und sanft, ihr Südstaatenakzent kaum noch hörbar. Ihre Augen wanderten überallhin, nur auf ihn fielen sie nicht.
Sie zog ihre Hand aus seiner.
„Granny Nel hat dich sehr geliebt, weißt du. Sie hat die ganze Zeit von dir gesprochen. Sie war sehr stolz auf dich.“ Er erwähnte nicht, wie sehr es ihn geschmerzt hatte, so häufig Zoes Namen hören zu müssen. Und das meist auch noch in einem Atemzug mit dem von Kyle.
Zoe blinzelte schnell und verschränkte die Arme vor dem Bauch. „Danke, dass du das sagst.“
„Brady hat mir gar nicht erzählt, dass du kommst.“
„Er wusste es noch nicht sicher.“
Cruz spürte, wie die Schuld an ihm nagte. Sie und ihr Bruder waren einst so eng miteinander gewesen. Es war Cruz‘ Schuld, dass nun ein Keil zwischen ihnen war. Seine Schuld, dass auch zwischen ihm und Brady ein Keil gewesen war. Es hatte Monate gedauert, ihre Freundschaft zu kitten, nachdem Zoe weggegangen war.
Seit der Sekunde, in der sie ihn verlassen hatte, hatte Zoe sich davor gefürchtet, Cruz wiederzusehen. Was nicht erklärte, warum sich ihr Herz bei seinem Anblick zusammenzog oder wie es kam, dass seine Berührung ihr einen Schauder über den Arm jagte.
„Wie ist es dir ergangen, Zoe?“
Sie hatte den rauen Klang seiner Stimme vergessen, vergessen, wie er ihr Innerstes zum Schwingen brachte.
„Gut. Ganz gut soweit.“ Sie wollte die bernsteinfarbenen Sprenkel in seinen braunen Augen wiedersehen, aber sie war gut darin geworden, den Blickkontakt mit Männern zu meiden. „Und du? Wie geht es dir?“
„Nicht schlecht. Nicht schlecht.“
„Das freut mich.“
Wenn es einen Preis für die langweiligste Unterhaltung des Jahres gab, waren sie die absoluten Favoriten.
„Gratuliere zu deinem ganzen Erfolg“, sagte er.
Sie fühlte sich nicht erfolgreich. Alles, was sie erreicht hatte, hatte sie einen hohen Preis gekostet. Und inzwischen war sie sich nicht mehr sicher, ob es das wert gewesen war. „Danke.“
Sie fragte sich, ob er sie je gegoogelt oder auf den Seiten der Band in den sozialen Medien über sie gelesen hatte. Gott wusste, dass sie sich dazu zwingen musste, nicht nach ihm zu suchen. Das hätte Kyle herausgefunden, und dann hätte es tierischen Ärger gegeben.
„Was hast du denn so gemacht?“, fragte sie.
„Entschuldigung, Zoe“, sagte Joe Connelly, der näher trat.
Angesichts der willkommenen Unterbrechung atmete sie die Luft aus, die sie unbewusst angehalten hatte.
„Es tut mir sehr leid, dass ich Sie unterbreche, aber ich habe einen Termin um 14 Uhr.“ Mit seinem penibel gebügelten Anzug und dem haarscharfen Scheitel sah Joe von Kopf bis Fuß aus wie der Anwalt, der er war. „Wir müssen noch einen Termin vereinbaren, um das Testament durchzusprechen.“
„Oh“, sagte Zoe. „Ich fürchte, wir fahren bereits heute ab. Ich muss zu einer Veranstaltung zurück. Ich dachte, Brady könnte sich vielleicht einfach um alles kümmern?“
Joe zog eine Grimasse und warf einen Blick auf die Uhr. „Sie sollten wirklich dabei sein. Hören Sie, ich habe um 16 Uhr noch eine Lücke im Kalender. Würde Sie das zu sehr unter Druck setzen? Ich weiß ja, dass Sie Zeit mit Ihrer Familie verbringen wollen.“
Sie hatte vorgehabt, Gracie ihrem Dad vorzustellen – nicht, dass der sie darum gebeten hätte. „Das passt mir gut. Ich sage Brady Bescheid. Danke, Joe.“
Er nahm ihre Hand. „Ihre Großmutter hat Sie sehr geliebt, Zoe. Daraus hat sie nie einen Hehl gemacht.“
Dumm nur, dass Zoe ihr diese Liebe nie wirklich gedankt hatte. Hinter ihren Augen begann es zu brennen, und ihre Kehle schnürte sich zu. „Danke.“
Mit einem letzten Nicken verabschiedete er sich.
Und erst da fiel ihr auf, dass auch Cruz gegangen war. Er war so schnell und leise verschwunden wie seine Liebe zu ihr.
KAPITEL 3
Connelly Law Offices war so heimelig, wie solch ein Ort es eben sein konnte. Der Eingangsbereich und die Flure waren in einem warmen Braungrau gestrichen, an den Wänden hingen Landschaftsbilder von Georgia, und es roch nach frisch gedruckten Dokumenten und neuem Teppichboden.
Joe führte Zoe und Gracie mit Kyle auf den Fersen in einen Raum und sagte: „Ich bin gleich bei Ihnen.“
Ein rechteckiger Konferenztisch aus Mahagoni, dessen Tischplatte einige Kampfspuren aufwies, beherrschte das Zimmer.
Zoe zog Gracie hinter sich her, um sich zu ihrem Bruder an den Tisch zu gesellen. Dabei war sie sich Kyles dominierender Gegenwart und der Anspannung, die er mit in den Raum gebracht hatte, sehr bewusst.
Bradys Blick fiel auf Kyle, registrierte vermutlich sein langes, zerzaustes Haar und den nur scheinbar achtlosen Kleidungsstil, der viel mehr Zeit in Anspruch nahm, als man meinen mochte.
Die Wangen ihres Bruders wurden steinhart. „Was macht der hier?“
Kyle legte ihr eine Hand auf den Rücken. „Jemand muss dafür sorgen, dass Zoes Interessen gewahrt werden.“
„Und ich soll jetzt glauben, dass du das bist?“ Bradys Augen huschten zu Gracie, und sein Gesicht entspannte sich.
Zoe näherte sich ihrem Bruder, der aufstand, um seine Nichte zu begrüßen. „Das ist dein Onkel Brady, Gracie.“
„Hallo, Stöpsel.“
Gracie verbarg ihr Engelsgesichtchen in Zoes Hosenbein.
„Sie ist ein bisschen schüchtern“, sagte Zoe.
„Das ist schon in Ordnung. Wir werden uns später kennenlernen.“
Brady sah Zoe an. „Sie sieht genauso aus wie du damals. Diese roten Locken und die helle Haut.“
„Erinnerst du dich, dass ich dir von Onkel Brady erzählt habe, mein Schatz? Wie wir damals Würmer ausgebuddelt haben und am Bach angeln gegangen sind?“
Gracie linste blinzelnd zu Brady hinauf.
Sein Blick wurde weich. „Hey, Stöpsel. Du bist ja echt schon ziemlich groß.“
Ehe Zoe antworten konnte, fühlte sie den Druck von Kyles Hand auf ihrer Schulter. Sie ließ sich von ihm zu der gegenüberliegenden Tischseite führen, wo sie Platz nahmen.
Die Klimaanlage sprang an, und Gracie zitterte. Zoe schlang die Arme um ihre Tochter. Sie hätte dem Mädchen eine Strickjacke mitnehmen sollen. Warum nur konnte sie nie etwas richtig machen?
Stille breitete sich aus, und während Brady und Kyle sich musterten, umfing die Anspannung sie wie Nebel in einem Flusstal im Frühling.
„Nett, dass du dich dazu entschlossen hast, zu dem Teil des Tages, bei dem es um die Erbschaft geht, dazuzustoßen, Kyle“, sagte Brady. „Wo warst du vor zwei Stunden, als Zoe am Grab geweint hat?“
Zoe zuckte zusammen. „Brady.“
Fast unmerklich versteifte sich Kyle. „Ich habe auf Gracie aufgepasst, damit Zoe in Ruhe trauern konnte. Verurteile mich nicht. Du weißt nichts über uns oder unser Leben.“
„Und wessen Schuld ist das?“
„Deine, nehme ich mal an.“
„Zoe hat