Der Duft von Pfirsichen. Denise Hunter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Denise Hunter
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Религия: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783961400836
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dem dunklen Sedan. Brady, ihr Bruder, hakte sich wortlos bei ihr unter, während sie ihrem Vater über den gepflegten Friedhof folgten, der Grannys neue irdische Ruhestätte werden würde.

      Sie atmete die Frühlingsluft tief ein und betrachtete die Berge und Tannenwälder, die sie umgaben. Copper Creek schmiegte sich in die hügeligen Ausläufer der Berge von Georgia. Manche mochten sagen, ein Besuch in dem Städtchen sei ein wie ein Ausflug in alte, einfachere Zeiten, aber für Zoe waren die Erinnerungen an zu Hause eine widersprüchliche Mischung aus Glückseligkeit und Jammer und Elend. Vor allem Jammer und Elend.

      Ihr Freund, Kyle, war mit ihrer Tochter Gracie im Hotel geblieben. Zoes lange begraben geglaubte Trauer und ihre Schuldgefühle rangen mit dem überwältigenden Gefühl der Erleichterung darüber, endlich allein zu sein. Sie beschloss, sich auf Letzteres zu konzentrieren, und füllte ihre Lungen mit dem vertrauten süßen Duft der Heimat: Es roch nach Hyazinthen, Sonnenschein und Freiheit.

      Als sie sich dem Zelt näherten, kam Zoes beste Freundin auf sie zu. Hope Daniels hatte sich kein bisschen verändert – mit ihrem dunklen, gewellten Haar und den funkelnden grünen Augen war sie immer noch eine Naturschönheit. Wenn sie lächelte, sah sie Rachel McAdams täuschend ähnlich. Aber heute war keine Spur ihres breiten Lächelns zu sehen.

      Zoe löste sich von Brady, um sie zu begrüßen, und fand sich in einer Riesenumarmung wieder, wie nur Hope sie zustande brachte. Ein Teil Liebe, zwei Teile Boa Constrictor.

      „Zoe.“

      „Hey, Hope“, quetschte Zoe heraus.

      „Es tut mir so leid, dass ich es nicht zur Trauerfeier geschafft habe.“

      „Mach dir keine Gedanken. Es tut gut, dich zu sehen.“

      Obwohl Hope das Rusty Nail eigentlich nur am Wochenende managte, hatte sie einspringen müssen, weil eine Grippewelle einen Teil der Angestellten aus dem Verkehr gezogen hatte. Ihre große Liebe galt dem Radio. Auf einem Lokalsender moderierte sie eine tägliche Talkshow namens „Living with Hope“, bei der Hörerinnen und Hörer anrufen und über ihre Probleme reden konnten. Dabei konnte sie ihren Abschluss in Psychologie gut gebrauchen, für den sie so hart gearbeitet hatte.

      „Wie geht es dir?“

      „Ganz okay, glaube ich.“

      Hope ließ sie los. Zoe schaffte es, einmal tief durchzuatmen.

      „Oh, ich habe dich so vermisst“, sagte ihre Freundin. „Fünf Jahre sind viel zu lang – und kaum ein Anruf“, schimpfte sie. „Aber macht nichts. Ich spare mir die Gardinenpredigt für einen besseren Zeitpunkt auf.“

      „Das mit deinem Feingefühl wird immer besser. Gut gemacht.“

      „Nicht wirklich. Wart‘s nur ab.“ Hopes Blick huschte zum Zelt hinüber. „Also, wo ist denn jetzt dieser süße kleine Engel, den ich endlich mal zu fassen bekommen will? Es ist wirklich ein einziges Elend, wenn man sich mit Facebook und Instagram begnügen muss.“

      „Ich habe gedacht, eine Beerdigung sei vielleicht ein bisschen verwirrend für eine Vierjährige. Außerdem wollte ich auch nicht, dass sie Dad ausgerechnet hier kennenlernt, also habe ich sie bei Kyle gelassen.“ „Ich kann nicht glauben, dass du immer noch mit dem zusammen bist.“

      Zoe legte den Kopf schief. „Und du wunderst dich, warum ich nie anrufe. Kyle war für uns da, Hope.“

      „Lass uns später darüber reden. Angemessener Zeitpunkt und so.“

      „Ich kann es kaum erwarten.“ Zoes Augen wanderten zum Zelt. „Ich finde es grässlich, dass ich nicht bei den Vorbereitungen helfen konnte. Wir konnten einfach nicht früher aus Nashville weg.“

      Hope presste die Lippen zusammen. Offenbar unterdrückte sie den Impuls, einen weiteren Gedanken zu äußern. „Nun ja … du weißt ja, wie deine Großmutter war. Sie hatte schon alles soweit geregelt, Gott sei ihrer Seele gnädig. Viel war gar nicht zu tun. Wie geht es denn Brady heute? An dem Tag, als sie gestorben ist, war er völlig fertig.“

      Zoe betrachtete ihren Bruder, der jetzt unter dem Zelteingang stand. Der schwarze Anzug passte gut zu seiner großen, stattlichen Erscheinung und den kurzen, dunklen Haaren. Er plauderte mit ihrem Vater, und sie versuchte, die beiden nicht um ihr entspanntes Verhältnis zueinander zu beneiden. Seit sie weggegangen war, hatte Zoe nur noch sporadischen Kontakt mit Brady gehabt – und mit allen anderen eigentlich auch.

      Granny. Jetzt war es zu spät. Die Schuld drückte sie schwer. Aber sie schüttelte das Gefühl ab.

      „Wie macht sich Brady seit der Scheidung?“, fragte Zoe.

      Hope zuckte die Schultern. „Wie es zu erwarten war, glaube ich. Ich weiß nicht, wie er je mit dieser Frau zurechtkommen konnte, aber den kleinen Sam liebt er auf jeden Fall sehr. Alle zwei Wochen darf er ihn am Wochenende haben, weißt du.“

      Während Zoes Abwesenheit hatte Audrey Brady verlassen und ihm zweifellos das Herz gebrochen. Noch eine Person, die sie im Stich gelassen hatte.

      „Er wollte das Sorgerecht, aber Audrey ist dagegen vorgegangen und hat gewonnen. Ich könnte schwören, dass sie das nur aus Trotz gemacht hat.“

      Nach allem, was Zoe über Audrey wusste, stimmte das womöglich. Aber sie wollte nicht mehr über ihren Bruder nachdenken. Das Thema kam einem Bereich zu nahe, den sie unbedingt vermeiden wollte.

      „Wie geht es dem Hof, jetzt, wo Granny nicht mehr da ist?“, fragte sie.

      „In den letzten paar Jahren hat sie kaum noch selbst die Aufsicht darüber geführt. Sie hat sich um die Einzelhändler gekümmert, aber davon abgesehen ist der Laden quasi wie von selbst gelaufen. Kein Wunder, bei all der Hilfe, die sie hatte.“ Hope öffnete den Mund, als wollte sie noch etwas hinzufügen, biss sich aber auf die Lippe.

      Zoe schloss die Augen und konnte die Pfirsiche beinahe riechen, so kurz vor der Ernte. Konnte die samtweiche Haut spüren und das saftige, süße Fruchtfleisch schmecken. In ihrer Kindheit hatte sie jede freie Stunde auf der Plantage verbracht. Dort war es schöner gewesen als zu Hause, besonders, nachdem ihre Mama gestorben war. Sie hätte vor ihrer Abreise gerne noch ein paar stille Stunden dort verbracht. Schade, dass Kyle es so eilig hatte, nach Nashville zurückzukehren.

      „Ich hätte nie gedacht, dass es ausgerechnet ihr Herz sein würde“, sagte Zoe.

      „Ja, das stimmt. Sie wirkte fit wie ein Turnschuh. Gerade letzte Woche noch kam ich in die Scheune, und da stand sie hoch oben auf einer Fünf-Meter-Leiter. Ich habe sie gefragt: ‚Was machst du denn da oben, Granny Nel?‘, und sie antwortete: ‚Ich wechsele eine Glühbirne.‘ ‚Komm bloß da runter‘, habe ich gesagt, ‚du bist ja vier Meter hoch über dem Boden!‘ Und sie antwortete: ‚Was die perfekte Höhe ist, um diese Glühbirne auszuwechseln.‘“

      Zoe grinste wehmütig. „Klingt ganz nach ihr.“

      Reue wütete in ihr wie eine Sturmflut im Frühling. Zoe war von zu Hause weggegangen, weil sie geglaubt hatte, sie hätte Granny und alle anderen enttäuscht. Ihr war nicht bewusst gewesen, dass ihr Weggang selbst die größte Enttäuschung überhaupt sein würde. Die Reue drohte, sie in die Tiefe zu ziehen, aber sie kämpfte darum, an der Oberfläche zu bleiben. Das tat sie häufig in letzter Zeit. Eines Tages würde sie den Kampf verlieren.

      Hope drückte Zoes Unterarm. „Hey. Jetzt reicht es aber mit den traurigen Augen. Granny Nel hätte nicht gewollt, dass du ihretwegen heulst.“

      Zoe blinzelte die Tränen weg und schaute von Hope zu den Autos, die immer noch eintrafen. Sie ließ den Blick über die Menschenmenge schweifen, während Hoffnung und Grauen in ihr um die Oberhand rangen. Schnell wandte sie sich wieder ihrer Freundin zu.

      „Du hast recht. Erzähl mal, was hier so los ist. Wie geht es dir? Was habe ich verpasst?“

      „Ach, du kennst doch Copper Creek. Hier ändert sich nicht viel. Ich mache immer noch meine Radiosendung und arbeite am Wochenende im Rusty Nail.“

      „Du bist viel zu bescheiden. Ich habe im Internet einen