Einleitung
Diese Notizen sind kein Ratgeber im üblichen Sinn. Sie sind auch nicht für Menschen bestimmt, die nach der Wahrheit suchen, ohne sich selbst in Frage zu stellen. Und genauso helfen sie keinem, der sich wie ein Jäger auf die Suche nach Erkenntnis begibt und dabei jede Lektüre verschlingt, die ihm einen neuen Wissensansatz verspricht. Als geistiger Sprengsatz für alle Formen „überlieferten“ Wissens räumen diese Denkansätze mit dem Glauben auf, dass es für das Individuum auf seiner Suche ein Ziel oder eine gesicherte Erkenntnis gäbe außer der Vielfalt anerzogener Bilder und Vorgaben, die ihm seine eigenen Vorstellungen suggerieren. Schließlich sind wir nicht, was wir zu sein glauben. Jeder glaubt, er wäre das, was ihn von anderen unterscheidet – was ihm als persönliches Selbstbild von seiner Umgebung aufgedrückt worden ist. Dabei ist das, was wir in der Umwelt ausdrücken, nur ein Ausschnitt unserer selbst. Denn: Die Suche nach Wahrheit ist mit den Werkzeugen des dualen Denkens nicht zu bewältigen – das Hindernis, das uns alle Ziele verbaut, sitzt in der Dualität unseres materiellen Denkens selbst. Deshalb lautet die magische Frage, die sich uns stellt: Wie werde ich mir bewusst, was ich gezwungen bin, zu sein?
Erst wenn ich das herausgefunden habe, weiß ich, wer ich bin!
Blicken wir nach vorn: Mit fortschreitender Entwicklung und zunehmender Vernetzung unserer Kommunikationsfelder wächst die Zahl der Menschen, welche die überlieferten Werte immer stärker hinterfragen. Dabei ist es vielen nicht mehr möglich, sich ausschließlich mit den Zielen unserer Wissensgesellschaft oder dem Leben in digitalen Informationswelten zu identifizieren, und das macht sie zu Außenseitern, denn sie sind sich zu sehr darüber bewusst, wer sie sind: überindividuelle Wesen, die auch in anderen Realitäten und Dimensionen existieren. Allmählich dämmert uns die Wahrheit: Das Ich, das wir kennen, ist nur ein schmaler Ausschnitt unseres „Seins“, das wir auf der Bühne unserer Persönlichkeit zum Ausdruck bringen können. Das bedeutet, dass jeder von uns Zugang zu seinen verborgenen, tieferen Seelenschichten hat, die ihn dazu inspirieren, die Abschrankungen unserer dreidimensionalen Realität zu überwinden. Deshalb geht es hier weniger darum, unsere Haltung, wie wir die Welt wahrnehmen, aufzugeben, sondern es geht einzig darum, unsere „Lebensbühne“ zu erweitern. Und es geht darum, unsere Sicht, die Welt wahrzunehmen, auch nach innen zu richten, wenn wir wirklich verstehen wollen, wer wir sind.
Aus diesem Grund ist es auch kein Ziel, die Modelle unserer Gesellschaft anzugreifen, der Sinn liegt darin, Alternativen aufzuzeigen für Individuen, die sich mit den Zielen unserer Gesellschaft nicht identifizieren bzw. sich in die verfügbaren Rollenbilder nicht integrieren können: Menschen also, die sich nicht mit den üblichen Klischees wie Familie, Karriere oder sozialer Wohlstand zufriedengeben, sondern sich mit der Frage auseinandersetzen, was das Leben außerhalb der anerzogenen Werte sinnvoll macht. Und warum es oftmals auch gefährlich sein kann, einen solchen Standpunkt einzunehmen. Vielleicht erkennen wir dann auch die Notwendigkeit, die illusionären Bilder unserer Gesellschaft aufrechtzuerhalten, denn sonst würde alles zusammenfallen und das mündete in die ehrliche Erkenntnis: „Nur wer die Grundlagen unserer materiellen Modelle kennt, findet auch die Antworten, die ihm helfen, sich zum gegebenen Zeitpunkt aus diesem kollektiven Netzwerk wieder befreien zu können.“
Es gibt keinen anderen Weg: Zur Überwindung unserer dualen Denkstrukturen müssen wir bei ebendiesen anerlernten kollektiven Gesellschaftswerten ansetzen, denn wir brauchen ein Fundament, auf dem sich der Ausgangspunkt zu unserer Nachtmeerfahrt platzieren lässt. Von hier aus brechen wir nach innen auf, denn so, wie unsere domestizierten Sinne uns helfen, unser selbst geschaffenes Weltbild wahrnehmen zu können, so unterstützen uns unsere inneren Empfindungen, in die tieferen Bereiche unserer Sehnsüchte einzutauchen. Durch den Standpunktwechsel unseres inneren Beobachters können wir in die Tiefe pirschen, denn erst wenn wir unter unsere Bewusstseinsschwellen dringen, können wir feststellen, dass wir auf mehreren Ebenen gleichzeitig zuhause sind. Unterhalb der Träume bewegen wir uns in Erlebnisräumen, die so unermesslich anders sind, dass dieses Wissen, käme es an die Oberfläche, unsere materielle Welt gefährden würde. Deshalb ist es auch nachvollziehbar, dass es den normalen Menschen unter dem Deckel des Unbewussten verschlossen bleiben muss, solange sie sich nicht mit den Grundlagen ihrer Weltbilder auseinandersetzen können, denn alle geistigen Erkenntnisse zeigen immer nur auf die Prägewerkzeuge des Denkens zurück: „Im Wissen inszeniert sich das Denken in der menschlichen Form!“
Der abstrakte Denker gibt sich damit jedoch nicht zufrieden. Es geht ihm darum, sich mit diesem unbekannten unendlichen Wesensteil in sich wieder zu verbinden, der unabhängig von jeder sozialen Kultur durch alle Schichten seiner überpersönlichen Wesensnatur hindurchreicht. Da dieses innerste Sein seinen Selbstwert nicht aus den uns anerzogenen Bildern bezieht, verändert es sich auch nicht, wenn die Welt sich (weiter-)dreht. Es ist selbst Teil jeder Veränderung und sprengt jedes persönliche Selbstwahrnehmungsbild, denn es verkörpert eine Art überindividualisiertes, mehrdimensionales Bewusstsein. Mit einem Wort: Ewigkeit ist das Ziel! Das hat für jeden Suchenden seinen Preis: Er muss sich selbst ändern, wenn er seinen Blickwinkel verändern will, er muss sich selbst ausbreiten, um alle seine unsichtbaren Persönlichkeitsteile wieder in sich zu vereinen und mit einzubeziehen in die Realität, die er zuerst in ihrer ganzen Fülle verstehen muss, damit er sie am Ende mit gereinigtem Geist und ohne seelische Rückstände verlassen kann.
St. Gallen, am Ruhberg 20
Am Ende des Jahres 2010
Die Sieben Pforten des Geistes
1. Welt
Die Modelle der Realität
Zunächst geht es hier um die Frage, was unsere Welt für jeden Einzelnen ausmacht: Ist die Welt wirklich das, was sie für uns zu sein scheint? Oder ist sie nur das Resultat unserer kollektiven Vorstellung, die Essenz der gerade herrschenden gesellschaftlichen Meinung, die wir uns gegenseitig suggerieren und die wir mit allen anderen teilen?
Denken wir uns in unsere Kindheit zurück: Ist es nicht so, dass uns Vater und Mutter zum ersten Mal erklärten, wie die Welt war, wie wir sie wahrzunehmen hatten, und plötzlich entpuppte sich der geheimnisvoll schillernde Lichtfunke als ein ganz gewöhnlicher Glasaschenbecher, den Vater benutzte, um seine Zigarette darin auszudrücken. Die ganze magische Zauberwelt wurde in den nächsten Jahren auf ihre Funktionalität reduziert, d.h. jedes Ding verlor seinen Glanz in der märchenhaften Atmosphäre, die wir als Kinder wahrnahmen, und schrumpfte auf die Funktion, die ihnen von den Erwachsenen zugeordnet wurde. Und so wuchsen wir langsam in die normale überlieferte Welt der Menschen hinein, und je mehr wir die Älteren davon überzeugen konnten, dass wir die Welt genauso sahen wie sie, desto mehr durften wir ihren Applaus und ihre Anerkennung in Anspruch nehmen. Als wir älter wurden, übertrugen uns die Erwachsenen ihre religiösen Bilder. Man klärte uns darüber auf, wie die Welt entstanden war und was es mit den Zielen und dem Sinn des Menschseins auf sich hatte. Da unsere kindliche „Festplatte“ ja noch unberührt war, waren wir dankbar, die ersten Begriffe zu erhalten, mit denen wir die Außenwelt nach unseren anerzogenen Vorstellungen erkunden und wahrnehmen konnten. Da das überlieferte Konzept meist auch der einzige Maßstab war, wie wir die Welt da draußen erleben konnten, besaß diese Lernerfahrung oder Lektion zusätzlich den überaus nützlichen Nebeneffekt, nämlich dass sich uns die Welt immer gerade so zeigte, wie wir sie wahrzunehmen gelernt hatten. Dass es dabei gar keine Möglichkeit gab, die Welt anders zu betrachten, konnten wir zu diesem frühen Zeitpunkt ja noch nicht erahnen. Andererseits können wir aus unserer heutigen Sicht erfahren, wieso es so unheimlich schwierig ist, die familiären oder religiösen Frühabspeicherungen zu verändern, denn sie sind so tief in uns verankert, dass wir sie wie den berühmten blinden Fleck gar nicht erkennen können.
Was können wir erkennen?
Deshalb ist es auch wichtig zu beachten, dass unsere anerzogene Wahrnehmung immerhin ein Konstrukt ist,