Somit hat er das merkursche Quecksilber sowohl dem Magus wie der Hohepriesterin zugeteilt. Was also nun? Versuchen wir, aus Crowleys Unschärfe eine Tugend zu machen und denN sowohl aus männlicher wie aus weiblicher Sicht zu beschreiben. Man könnte sagen, wenn der Ndes Magus das Handeln in all seinen Formen darstellt, dann steht derNder Hohepriesterin für das Handeln vor dem Handeln, sozusagen als Idee des Handelns oder als zukünftige, zu beabsichtigende Tat.
Der solare Merkur(ius)
Wenn der Magus die ans Licht sprudelnde Quelle an Wissen und Erkenntnis darstellt, die sich in allem, was sie denkt und fühlt, nur immer auf sich selbst bezieht, dann verkörpert die Hohepriesterin die unterirdische, unbewusste Wasserzufuhr tief auf dem Grund der Seele. Das heißt: Der Magus kann die Hohepriesterin nur indirekt wahrnehmen, wenn er akzeptiert, dass es in der Tiefe noch jemanden anderen geben muss, zu dem er sich in Beziehung setzen kann. Wie soll es ihm aber gelingen, seinem geheimnisvollen Gegenpol, aus dem er schöpft, einen Namen zu geben, da sich die Kraft der Hohepriesterin ja nicht in die Bildhaftigkeit seiner Formzwänge integrieren lässt? So sehr sich sein Bewusstsein auch müht, allem, was er entdeckt, seinen Stempel aufzudrücken und es zu einer Errungenschaft des eigenen Weges zu erklären, indem er es benennt und damit zum aktiv erschaffenden Pol einer Dualität zu machen versucht, versagt er stets, wenn es gilt, die unbewusste Kraft zu benennen und mit der Schöpferkraft zu fließen. Er versucht sie ständig zu kontrollieren, obwohl sie es ist, die ihn dirigiert und vorwärts treibt. Deshalb erscheint ihm der lunare Merkur14 oft im Traum, damit er das solare Bewusstsein ohne Störungen des Ego befruchten kann. Somit ist die Hohepriesterin wohl am treffendsten beschrieben als die abstrakte, nicht zu personifizierende Idee des Gegenpols, das Prinzip eines Gegengewichts zu den solaren Kreationen des Magus, um den Plan von dieser unserer, aus Polaritäten geschaffenen Welt zu vervollständigen.
Deutungen
Im beruflichen Alltag ist das eine sehr kräftige und aktive Karte. Der Magus redet nicht lange herum, sondern langt auch schon einmal hin und handelt, wenn es geboten ist. Sein Spiel heißt Leben und durchsetzen und ist ein echtes Konditionstraining für seinen Willen, denn es verschafft ihm den Nervenkitzel des Lebenskampfes und gleichzeitig wird seine Durchsetzungskraft gestärkt. Dabei strebt er stets nach einem Zustand aggressiver Kräfteentladung, denn am stärksten fühlt er sich, wenn er den Stier bei den Hörnern packen kann. Dadurch werden alle Herausforderungen gemeistert und allfällige Widerstände unterdrückt, denn durch seine mit einer ungestümen und direkten Hau-drauf-Methode kombinierte geistige Wendigkeit erkennt er sofort, an welcher Stelle er noch überzeugende Argumente nachschieben muss. Im täglichen Leben zeigt diese Karte nicht nur ein blindes Vertrauen in die Richtigkeit unseres Willens, sondern oft auch das unschuldige Staunen über die Folgen der Kraft unserer eigenen Handlungen. In finanziellen Dingen ist uns das Hemd oft näher als die Hose, denn wenn wir den anderen über den Tisch ziehen, kann man nicht sagen, dass wir in allen Einzelheiten Herr über die Auswirkungen unserer Taten sind. Wenn jeder andere noch darauf wartet, dass eine neue Situation auf ihn zukommt, machen wir im Bereich unserer Frage bereits den nächsten Schritt. Doch der Schatten ist nicht weit: Wir packen zwar die Dinge meist ohne Umschweife an, aber wenn wir irgendwo feststecken und nicht mehr weiterkommen, dann verlieren wir schnell unser Interesse und wenden uns anderen Geschäften zu.
In der Liebe kommt der Magus meist schneller zur Sache, als dies im alten Knigge nachgeschlagen werden kann, denn wenn ein Magier seinen direkten, auf schnelle Eroberung ausgerichteten Charme versprüht, galoppieren die »Pferde aus dem Stall«. Mit der Triebkraft der Begeisterung vermag er jeden zu entzünden und mit sich in den Liebesolymp zu nehmen, der seine Vorstellung berührt, also das Bild, wie er sich vorstellt, dass der andere zu sein hat. Dabei wird der Partner nicht nur an die Kette seiner charismatischen Anziehung gelegt, sondern auch als Ventil für explosive Experimente benutzt. Schließlich fühlt sich das Feuer des Magus einzig seiner impulsiven Leidenschaft verpflichtet und wird dabei höchstens noch von seinem überschäumenden Optimismus übertroffen. Schwäche oder Mitleid entlocken ihm nur ein Lächeln, denn er lebt nach dem Motto: Selbst ist Mann oder Frau!
Der Magus in der Magick
– Tiefergehende Erkenntnisse –
Der 3. Aethyr
Crowley beschreibt auch den »schwarzen Magier«, den er 1909 zusammen mit Victor Neuburg in der Sahara beschwor bzw. mittels eines goldenen Topases »bereiste«. John Symonds, sein Biograf, notiert: Crowley war sein eigener Seher. Wenn es irgendwelche Engel zu betrachten gab, wollte er sie selbst sehen, und nicht via Neuburg. Als Kristallkugel benutzte er seinen goldenen Topas. Meistens hielt er ihn in seiner Hand. Nachdem er sich einen Ort gesucht hatte, wo jede Störung ausgeschlossen schien, nahm er den Stein zur Hand, rezitierte den Schlüssel und ließ den Topas eine ähnliche Rolle spielen wie den Spiegel in »Alice im Wunderland«, nachdem er sich vergewissert hatte, dass die gerufenen Geister anwesend waren. Er konnte in dem Topas nicht nur Engel sehen, sondern auch in den Stein eindringen, was Crowley wiederum so kommentiert: Ich hatte gelernt, mich nicht mehr mit den Reisen per Astralkörper herumzuärgern. Ich erkannte, dass der Raum nicht ein Ding an sich war, sondern lediglich eine brauchbare Kategorie von vielen, mit deren Hilfe wir Objekte voneinander unterscheiden. Wenn ich also sage, dass ich mich in einem Aethyr befand, meine ich damit einfach den seiner Natur angemessenen und angepassten Zustand.15
Crowley schreibt: Ich sehe die Gestalt des Magus aus dem Tarot; in seiner Rechten die Fackel mit emporlodernden Flammen; in seiner Linken ein mit Gift gefüllter Becher, ein Wasserfall in die Hölle. Und dieser Magus vertreibt, durch die Macht seiner vier Waffen, Schleier auf Schleier; tausende leuchtender Farben, den Aethyr zerreißend; es ist wie der Anblick von schartigen Sägen, oder wie abgebrochene Zähne im Antlitz eines jungen Mädchens, oder wie ein Riss, oder Wahnsinn (…) So blicke ich in den Stein und erschaute den sechsfältigen Stern; der gesamte Aethyr war wie aus lohfarbenen Wolken, wie die Flamme eines Ofens. Und dort ist eine mächtige Schar von Engeln, blau und golden, die ihn bedrängen, und sie rufen: Heilig, Heilig, Heilig bist Du, der Du unerschüttert von den Erdbeben und dem Donner bist! Das Ende aller Dinge ist auf uns herab gekommen; der Tag des Sei-Mit-Uns ist nahe! Denn er hat das Universum erschaffen, und er hat es besiegt, auf dass er seine Freude daran haben möge. Und nun, im Zentrum des Aethyrs, erblicke ich jenen Gott. Er besitzt tausend Arme, und in jeder Hand ist eine Waffe von schrecklicher Macht. Sein Antlitz ist schrecklicher als der Sturm, und aus seinen Augen brechen Blitze von unerträglichem Glanz hervor (…) Unter seinen Füßen ist das Königreich und auf seinem Haupt die Krone. Er ist Geist und Materie; er ist Friede und Macht; in ihm ist Chaos und Nacht und Pan, und durch Babalon, seine Konkubine, die ihn vom Blut der Heiligen trunken machte, das sie in ihrem goldenen Becher auffing, hat er die Jungfrau gezeugt, die er nun entjungfert. Und so steht es geschrieben: Malkuth soll erhoben und auf den Thron von Binah gesetzt werden. Und dies ist der Stein der Weisen, der als ein Siegel auf den Grabstein des Tetragrammaton gesetzt ist, und das Elixier des Lebens, destilliert aus dem Blut der Heiligen, und das rote Pulver, gemahlen aus den Knochen Choronzons.
Und kommentiert es gleich: Dies ist Mayan, der große Magier, der über Beth (Pfad 12) die Dyade erschaffen und so die Konzeption des Gegensatzes und von da des Bösen ermöglicht hat. Er muss von Chokmah, dem schöpferischen Merkur, unterschieden werden, der als Logos die Essenz Kethers