Der Weg zur Energiewende. Fritz Dieter Erbslöh. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Fritz Dieter Erbslöh
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Математика
Год издания: 0
isbn: 9783816900382
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Akkreditierungsverfahren durchlaufen. Jedoch gibt es bekannte Agenturen wie TÜV Süd, TÜV Rheinland, DQS als Tochter der deutschen Gesellschaft für Qualität, Lloyds Register, DNV GL6 etc. und weniger bekannte. Das wirkt sich auf die Außenwirkung des Zertifikates aus – ein No-Name-Logo zählt nicht viel beim Kunden, auch wenn es die formalen Bedingungen (z.B. zur Anerkennung als stromkostenintensives Unternehmen) erfüllt.

      Die Kosten hängen i. A. von der Größe des Unternehmens ab, konkret von der Zahl der Mitarbeiter; sie unterscheiden sich außerdem von Agentur zu Agentur, wenn auch nicht stark. Um für kleine Unternehmen einen Richtwert zu geben: eine Erstzertifizierung erhält man für ca. 12.000 € plus MwSt. bei fünf Mitarbeitern in der mit dem System befassten Abteilung.7

      Die Zertifizierung wird für eine Dauer von drei Jahren erteilt. Dann muss die sog. Re-Zertifizierung beantragt werden. Auch während der jeweiligen Laufzeit bleibt das System unter Kontrolle der Agentur. Zu diesem Zweck werden jährliche sog. Überwachungsaudits angesetzt, die vor Ort stattfinden. Auch sie sind wieder mit Kosten (und Zeit) verbunden.

      Energiemanagementsysteme sind inzwischen in der deutschen Industrie durchaus verbreitet. Eine vom Verfasser m Jahre 2019 durchgeführte Umfrage in einem (sehr speziellen) Industriesektor ergab allerdings,

       dass der wesentliche Antrieb zur Einführung der Norm die Möglichkeit war, mithilfe des Zertifikats den Strombezugspreis zu senken.8

      Das Beispiel zeigt, welche Umwege eine staatliche Fördermaßnahme nehmen kann.

      7.2 Zertifikatehandel

      Der Emissions- oder Zertifikatehandel geht von der Prämisse aus, dass man die der Atmosphäre zugeführten Mengen an CO2 (und/oder anderen Schadstoffen) kontrollieren kann, wenn hierfür vom jeweiligen Verursacher eine Berechtigung verlangt wird. Im gegebenen Fall handelt es sich dabei um Emissionsrechte, die für einen Staat oder einen konkreten Emittenten und eine bestimmte Zeitperiode gelten und die in der Periode auch handelbar sind. Die Tonne CO2 bzw. eines anderen Schadstoffes bekommt auf diese Weise einen Preis, sodass ein marktwirtschaftliches Instrument der Klimavorsorge entsteht.

      Die Idee des Emissionszertifikatehandels geht ursprünglich auf das Jahr 1992 und den damaligen Senator und späteren US-Vizepräsidenten A. GORE zurück, der diesen Vorschlag im Rahmen einer Buchveröffentlichung machte.1

      Das System überzeugt im Grundsatz, hat jedoch auch seine Schwächen. Sie hängen u. a. mit dem Startpreis der Zertifikate zusammen.

      7.2.1 Funktionsweise

      Ein einzelnes Emissionsrecht berechtigt zum Ausstoß von 1t CO2 bzw. CO2-Äquivalent innerhalb der zeitlich festgelegten Verpflichtungsperiode. Das Instrument wird wirksam durch Kontrolle: Am Ende der Verpflichtungsperiode ist nachzuweisen, dass die tatsächlichen Emissionen durch Emissionsberechtigungen gedeckt sind. Bei Überschreitungen sind Strafzahlungen zu leisten. Dazu kommt es im Regelfall jedoch nicht, da die Emittenten die Möglichkeit des Zukaufs an Emissionsrechten haben, wie sie auch umgekehrt nichtgenutzte Rechte verkaufen oder als Gutschriften in die nächste Periode mitnehmen können. Es entsteht somit ein regelrechtes Handelssystem, eben der Zertifikatehandel, der nach dem einfachen Prinzip der Abb. 7‑8 funktioniert.

      Das System muss jeweils am Beginn einer Verpflichtungsperiode „gestartet” werden. Dazu muss durch eine berechtigte Stelle (Staat oder eine andere öffentliche Körperschaft) die Gesamtmenge an Emissionen für eine Periode festgelegt und in Form von Berechtigungen anteilig auf die Emittenten übertragen werden. Die Zahl der Zertifikate wird dabei aus den historischen Emissionen ermittelt und mit der klimapolitisch gewollten Reduktionsverpflichtung versehen. Die Startzertifikate werden entweder (zum Schutz der Wettbewerbsfähigkeit) gratis zugeteilt oder sie werden versteigert.

      Abb. 7‑8:

      Zum Prinzip des Zertifikatehandels; Quelle: Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) im Umweltbundesamt

      Praktische Anwendung hat der Emissionshandel in verschiedenen Formen gefunden. Historisch entstand zunächst nach 1997 ein Handel zwischen Staaten, wie im Rahmen des Kyoto-Protokolls vereinbart. Der zwischenstaatliche Emissionshandel begann allerdings erst am 1. Januar 2008. Das im Modell dem Kyoto-Muster folgende Europäische Emissionshandelssystem (EU-ETS) wurde auf Basis der am 13. Oktober 2003 verabschiedeten Richtlinie dagegen schon am 1. Januar 2005 gestartet. Im EU-Emissionshandelssystem sind die Marktteilnehmer allerdings nicht mehr die Staaten, sondern die Unternehmen bzw. die Betreiber emissionsintensiver Industrieanlagen, die über nationale Allokationspläne Emissionsberechtigungen zugewiesen bekommen.

      7.2.2 Der internationale Emissionshandel (nach Kyoto-Protokoll)

      Der Emissionshandel ist Teil der sogenannten Flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls, die im Schema der Abb. 7‑9 dargestellt sind. Der hier interessierende Emissionshandel ist in Artikel 17 des Kyoto-Protokolls geregelt. Handelsteilnehmer sind die in der Protokollanlage B genannten Industriestaaten.

      Modalitäten, Regeln und Richtlinien wurden über mehrere Jahre verhandelt und schließlich 2001 in Marrakesch (COP 7) als Marrakesh Accords verabschiedet. Der Handel selbst begann am 1. Januar 2008. Für dieses Startjahr wurden den am Kyoto-Protokoll beteiligten Staaten sogenannte „assigned amount units“ (AAUs) zugeteilt, die nach den jeweiligen Emissionen im Bezugsjahr 1990 bemessen waren. Die Zahl der jährlich neu verfügbaren AAU sollte sich mit jedem Folgejahr nach den festgelegten Reduktionszielen verringen, die für jeden Teilnehmer individuell ausgehandelt und durchaus unterschiedlich waren (Deutschland z.B. -21 %, Frankreich 0 %, Russland 0 %, Portugal +27 %). Zum Ende der ersten Kyoto-Periode (Ende 2012) sollten die Staaten jeweils eine Gesamtzahl von AAUs entsprechend ihrer aufsummierten Perioden-Emission einreichen. Nicht ausgeglichene Zertifikatsbilanzen sollten entweder zu Strafzahlungen (in Form des Zukaufs weiterer Zertifikate) oder zu Gutschriften für die Folgeperiode führen.

      Abb. 7‑9:

      Die Mechanismen des Kyoto-Protokolls, links der Emissionshandel; Quelle: UBA, Deutsche Emissionshandelsstelle

      Die Strafbewehrung war sicherlich notwendig, führte jedoch zu unliebsamen Begleiterscheinungen: Kanada hatte sich im Kyoto-Protokoll dazu verpflichtet, bis 2012 seinen Ausstoß von CO2 um 6 % im Vergleich zum Jahr 1990 zu senken. Allerdings wurde 2011 sichtbar, dass das Land dieses Ziel grob verfehlen würde: Im Jahr 2010 lag der Wert für die Treibhausgas-Emissionen Kanadas um mehr als 35 % über den Daten von 1990. Kanada verließ umgehend das Kyoto-Protokoll, um eine erwartbare Strafzahlung von mehr als 10 Mrd. Euro zu vermeiden.

      Die erste Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls startete zudem mi einem Konstruktionsfehler, der mit der Wahl des Bezugsjahres zusammenhängt. In diesem Jahr existierten noch die Sowjetunion und der Warschauer Pakt mit ihren sehr hohen Emissionen, die in der Folgezeit nach der Auflösung des „Ostblocks” massiv einbrachen. Dadurch kam es zu einem Überangebot an Zertifikaten, das sich durch die gesamte Periode hinzog mit dem Ergebnis, das am Ende ein Gesamtüberschuss aller Länder aus der ersten Kyoto-Periode in Höhe von 13.127 Mio. t CO2-Äquivalent verblieb.

      Die Handelsabsprachen zwischen den Staaten sind nicht öffentlich, jedoch stehen Schätzungen zur Verfügung: der durchschnittliche Preis lag von 2008–2011 zwischen 4 und 15 Euro pro Tonne und fiel dann im Jahr 2912 auf 2‒3 Euro pro Tonne. Das Gesamthandelsvolumen in der ersten Kyoto-Periode dürfte etwa 400 Mio. AAU betragen haben.

      Dem Kyoto-Protokoll von 1997 folgten im Jahr 2012 die Beschlüsse von Doha für eine zweite Verpflichtungsperiode mit neuen Klimazielen für die Industrieländer bis 2020. Das Ergebnis zäher Verhandlungen war allerdings ein Kompromiss: Das Kyoto-Protokoll von 1997 wurde fortgeschrieben. Das bedeutete einen Reduktionsverpflichtung von 18 % für die Gesamtheit der verbliebenen 38 Staaten bis 2020, wiederum bezogen auf das Basisjahr 1990. Kanada war nun nicht mehr dabei, auch Russland, Japan und Neuseeland verweigerten die