Umstellung der Versorgungssysteme auf Wasserstoff
Diese Aktionsfelder werden in ihrer Entwicklung, ihrem Stand und in ihren Perspektiven nachfolgend einzeln vorgestellt. In vielen Fällen ergeben sich dabei Querverbindungen.
7 Aktionsfelder
7.1 Energieeffizienz und Energiemanagement
Bei der Umwandlung von einer Energieform in die andere fallen immer Verluste an, technisch als Wirkungsgrad beschrieben. Wie hoch der Wirkungsgrad ist, hängt vom jeweiligen Prozess ab. Thermische Energie, also Wärme, ist nur eingeschränkt in andere Energieformen umwandelbar und zwischen Systemen übertragbar. Daher treten insbesondere bei der Stromerzeugung aus fossiler Energie Verluste bei der Umwandlung in die nutzbare elektrische Energie auf, die sich in geringerem Maße bei der Rückverwandlung der elektrischen Energie in die Endenergie (Exergie), z.B. mechanische Energie, wiederholen.
Beim Einsatz fossiler Brennstoffe liegen die Verluste bei ausschließlicher Stromerzeugung und -verwendung bei 60 % bis 70 %; durch Nutzung der entstehenden Wärme (Anergie) als Fernwärme können sie auf rd. 50 % gesenkt werden (Kraft-Wärme-Kopplung). Ähnlich sieht es im Verkehrssektor aus, der noch lange vom verlustreichen Verbrennungsmotor dominiert sein wird.
Verluste gibt es nicht nur bei thermischen Maschinen. Die Erzeugung elektrischer Energie über Photovoltaik und Wind sind weitere Beispiele, ebenso der Wärmesektor, wo die Verluste erheblich sind, sowohl in industriellen Prozessen wie im Heizungssektor beim privaten Verbraucher. Damit ist angedeutet, dass das Problem der Verluste nicht verschwindet, wenn die Nutzung fossiler Quellen immer weiter zurückgefahren wird.
Im Grunde ist jeder Wirtschafts- und Lebensbereich durch die Vorgänge Energieerzeugung, Energietransport, Energieumwandlung und Energiespeicherung charakterisiert und damit von Verlusten betroffen. Die Verluste zu begrenzen, möglichst zu reduzieren, „den Wirkungsgrad zu verbessern“, ist seit langem ein Traum der Ingenieure – und seit einigen Jahrzehnten auch ein Anliegen der Wirtschaft und der Politik. Hier ordnen sich auch Energiesparen, Energiemanagement und letztlich auch die neue Norm ISO 50001 ein.1
7.1.1 Historische Hintergründe
Bemerkenswerterweise hat der Verbrauch an Primärenergie in Deutschland trotz Wirtschaftswachstums seit 1990 nicht zu-, sondern etwas abgenommen. Zwischen 1990 und 2011 z.B. nahm das reale Bruttoinlandsprodukt um 34 % zu, der Energieverbrauch nahm jedoch um 9 % ab. Gründe hierfür sind der technische Fortschritt in der Energiewirtschaft, die sparsamere und rationellere Energienutzung und die Verlagerung der Produktion ins Ausland (Beispiel: die Aluminiumproduktion in energieintensiven Unternehmen).
Die Schwankungen des Energieverbrauchs in den letzten Jahren sind allerdings auch auf die veränderten Witterungsbedingungen zurückzuführen: Kalte oder warme Winterhalbjahre führen eben zu unterschiedlichen Heizkosten, die einen erheblichen Teil des Verbrauchs ausmachen.
In den 1970er Jahren etablierte sich die angesprochene „sparsame und rationellere Energienutzung“ als Ziel für Forschung und Energiewirtschaft, gefolgt von den Ölkrisen, die die Versorgungsicherheit Deutschlands bedrohten. Zeitgleich zum 4. Atomprogramm vereinigten H. EHMKE (Minister für Forschung und Technologie) und H. MATTHÖFER (dessen Nachfolger) 1974 die Positionen der nicht-nuklearen Energieforschung unter dem neuen Programmbegriff „Energieforschung“ in der Verantwortung beider Minister. Bis dahin waren die Forschungsgegenstände fast ausschließlich auf die Nutzung und den Ausbau der Kernenergie und vor allem auf das Thema Versorgungssicherheit bezogen gewesen; die nachhaltigen Auswirkungen der beiden Ölpreiskrisen hatten diese Art einer Vorsorgepolitik zunächst durchaus gerechtfertigt. Nun kamen jedoch bereits im ersten Programmentwurf die Themen zum Ziel der rationellen Energieanwendung und der Energieeinsparung hinzu.1
Energieeinsparung wurde in den folgenden, bis ins 2005 reichenden Energieforschungsprogrammen als einer der Schwerpunkte ständig mitgeführt. Im 6. Energieforschungsprogramm (2011–2015) taucht dann der Begriff „Effizienz“ auf, der in der Folge als Synonym für Energieeinsparung oder rationelle Energieverwendung stand und bis heute steht.
Parallel zu diesen Programmen entwickelte sich ab Gründungsdatum 1978 die Tätigkeit der GRE e.V. – Gesellschaft für Rationelle Energieverwendung – als gemeinnützige bundesweite Initiative. Ihre Ziele waren nach eigener Darstellung:
„Die Förderung von Energieeinsparmaßnahmen, z. B. von Maßnahmen zur Einsparung von Primärenergie, sowie von Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz,
Unterstützung von Gesetzgebung, Verwaltung und Forschung bei der Förderung rationeller Energieverwendung,
Öffentlichkeitsarbeit, Aufklärung und Beratung auf dem Gebiet der Wärmeschutztechnik und dem Einsatz energiesparender Anlagen,
Aufklärung und Beratung über mess- und regeltechnische Verfahren im Zusammenhang mit Energieeinsparung.
Herausgabe von Informationen zur Energieeinsparung über die Medien.“2
Effizienzverbesserung gehört seither neben der später einsetzenden Förderung der nachhaltigen Energieformen zu den Schwerpunkten deutscher Energie- und Förderpolitik.
Es ist heute üblich geworden, Effizienz als zusätzliche Energiequelle (korrekter: Verbrauchssenke) zu verstehen, die für erhebliche Reserven steht.
Effizienz hat zuerst eine wirtschaftliche Bedeutung: Weniger Energie zur Herstellung eines Produktes oder einer Dienstleistung aufzuwenden, bedeutet betriebswirtschaftlich, es im Preis senken zu können und somit auch den Gewinn zu erhöhen. Für die volkswirtschaftliche Seite bedeutet weniger Energie eine geringere Importabhängigkeit, speziell von Öl und Gas, neuerdings auch von Stromimporten sowie daraus folgend höhere Versorgungssicherheit.
Ein weiterer immer wichtigerer Punkt ist die positive Auswirkung für den Umweltschutz. Die Europäische Union hat sich deshalb die schon in Kap. 6.3 und Kap. 6.4 angesprochenen ambitionierten klimaschutzpolitischen Ziele gesetzt.
Primärenergieverbrauch BIP/Kopf und Energieproduktivität in Deutschland 1990–2020; Quelle: UBA, Umwelt im Unterricht
Zur Erreichung der klimaschutzpolitischen Ziele und zur Gewährleistung eines zukunftsfähigen Energiesystems setzen die Länder der Europäischen Union neben einer deutlichen Ausweitung der Nutzung erneuerbarer Energien vor allem auf eine Steigerung der Energieeffizienz in Industrie, Verkehr und privatem Verbrauch.
Gemessen werden kann dies über die Energieproduktivität, die das Bruttoinlandsprodukt in ein Verhältnis zum Energieverbrauch setzt.
Im Jahre 2015 wurde unterstellt, dass die Energieproduktivität bis zum Jahr 2020 deutlich verbessert werden könnte und insbesondere stärker steigen müsste als im Zeitraum von 1990 bis 2008, als die jahresdurchschnittlichen Steigerungsraten bei 1,8 % lagen, s. Abb. 7‑1.
Der Europäische Rat wiederum hatte bereits 2007 beschlossen, die Energieproduktivität so zu steigern, dass der in der Referenzprognose für 2020 erwartete Energieverbrauch um 20 % gesenkt werden kann.3
Einsparpotentiale an Endenergie, aufgeteilt nach Sektoren, Stand 2012; Quelle: Umweltbundesamt (Hg.), Politikszenarien für den Umweltschutz VI, Dessau-Roßlau 2012.
Weniger Energieverbrauch bedeutet auch geringere Belastung der Umwelt. Damit wird die Aussage verständlich:
Die umweltfreundlichste Energie ist die eingesparte.4
Um welche Einsparpotentiale es sich dabei quantitativ handelte, wird aus Abb. 7‑2 ersichtlich. Dass dieses Potential ab dem Jahr 2000 zunehmend entdeckt und gefördert