Erstaunlicherweise und ganz anders als bei allen anderen Völker der Region, die dasselbe Schicksal erfuhren, gelingt es dieser Gruppe jedoch, ihre historische Erfahrung in ihr Symbolsystem zu integrieren und dieses damit durch die Katastrophe des Untergangs hindurch zu bewahren. Auf diese Weise wandelt sich diese Gruppe von einer politischen Gemeinschaft zu einer religiösen Gemeinde. Dieser Prozess der Transformation beginnt mit dem Exil. Das Exil endet mit der Rückkehrmöglichkeit der in Babylon lebenden Judäer unter der Herrschaft des Perserkönigs Kyros II. (2. Hälfte des 6. Jh.s v. Chr.; WEIPPERT 2010, 439). Obwohl der Jerusalemer Tempel wieder aufgebaut werden kann und bis zu seiner endgültigen Zerstörung durch die Römer 70 n. Chr. das religiöse Zentrum der judäisch/jüdischen Gemeinde bleibt, wird seine Bedeutung doch relativiert durch die Tora, die das Leben dieser Gemeinschaft nach dem Exil wesentlich regelt und die letztlich die Grundlage für ihr Gottesverhältnis bildet. Der Fokus des antiken Judentums, das nun die alttestamentlichen Texte weitergibt, liegt trotz durchaus vorhandener Bestrebungen zu einer Staatsgründung und der Einsetzung eines Königs doch auf theologisch-religiösem Gebiet. Hier bilden sich nun endgültig ein strikter Monotheismus und eine bildlose Gottesverehrung heraus. Parallel findet aber auch eine Annäherung an die nacheinander vorherrschenden Kulturen der Perser und der Griechen statt. Während erstere mit dem Zoroastrismus ebenfalls eine monotheistische und von einem abstrakten Gottesbild geprägte Religion vertraten, bereicherten letztere die Vorstellungswelt der späten Schriften des AT durch eine Reihe von Dämonen, Engeln und Zwischenwesen. Auch der Einfluss griechischer Philosophie wird in manchen alttestamentlichen Texten spürbar.
In hellenistischer Zeit entsteht in Alexandria eine griechische Übersetzung der heiligen Schriften des Judentums. Der Legende zufolge, die der Aristeasbrief überliefert, wurde diese Übersetzung von 70 Gelehrten in 70 Tagen parallel aus dem Hebräischen ins Griechische übersetzt, sie wird darum die „Septuaginta“ genannt. Am Ende dieser 70 Tage stellte sich nach der Legende heraus, dass alle 70 Übersetzungen gleich gewesen seien. Die Legende versucht der griechischen Übersetzung den Status besonderer göttlicher Inspiration zu verleihen.
Die Septuaginta enthält einige Schriften, die im Kanon der Hebräischen Bibel nicht enthalten sind, unter anderem Schriften, die von Anfang an in griechischer Sprache verfasst waren, wie z.B. die Sapientia Salomonis. Dieser weitere Kanon der Septuaginta liegt auch den späteren lateinischen Übersetzungen, besonders der Vulgata, zugrunde, die in der katholischen Kirche grundlegender Bibeltext wurde. Dies ist der Grund für den unterschiedlichen Umfang katholischer (auf dem Septuagintakanon beruhender) und evangelischer (den Kanon der Hebräischen Bibel zu Grunde legender) Bibelübersetzungen. Die Septuaginta erlangte im Judentum zunächst hohes Ansehen, doch bis zum 1. Jahrhundert n. Chr. hatte sich im Judentum der engere Textumfang des hebräischen Textes letztlich als verbindlich durchgesetzt (SCHÖPFLIN 2009). Die vielfältigen theologischen Ansichten, die im Laufe der Geschichte zwar nacheinander, in der Diskussion aber durchaus auch nebeneinander bestanden, sind in den Texten des AT gespiegelt. Deshalb zeichnet sich das AT eben nicht durch dogmatische Einlinigkeit aus, sondern viel eher durch ein breites Spektrum an Deutungen der erfahrenen Wirklichkeit.
4 Literatur
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Jutta Krispenz
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