5 Der Abrahamsbund
Der Bund Gottes mit Abraham wird zweimal erwähnt: zunächst in Gen 15,18 und dann in Gen 17,2.7.9–10. In diesen Texten spielt die Verheißung der Nachkommenschaft und des Landes eine wesentliche Rolle. Der Bund hat seinen Ursprung in der freien Initiative Gottes, setzt jedoch den Glauben und das Vertrauen Abrahams voraus. Gott, von dem der Wille zum Bund ausgeht, fordert als Zeichen des Bundes seitens der Menschen die Beschneidung. Dieses Zeichen identifiziert den Empfänger des Bundes und entwickelt sich im Lauf der Zeit immer mehr zum Alleinstellungsmerkmal für die Beziehung zwischen Israel und seinem Gott. Die Verbindung von Bund und Beschneidung geht so weit, dass bərîṯ im Späthebräischen sowohl den Bund als auch die Beschneidung meinen kann. Der Bund mit Abraham bleibt auch für seine Nachkommen bestehen. So können wir Texte wie Gen 49; Ex 15; Num 23–24 und Dtn 32–33 (Bund mit Jakob bzw. Israel) als Fortsetzung des Abrahambundes auffassen. Auch das Motiv der Erwählung bleibt im Zusammenhang mit der Bundesschließung bestehen und wird innerhalb des davidischen Bundes noch einmal aufgegriffen. Lediglich in Gen 15 wird der Ritus der Bundesschließung beschrieben. Die Darstellung Gottes als rauchendem Ofen und als Feuerfackel, der zwischen den Teilen der geopferten Tiere voranschreitet, dürfte sehr alt sein, wie auch die Erwähnung dieses Rituals in Jer 34,18 zeigt. Sie erinnert an ähnliche altorientalische Vorstellungen und hat eine apotropäische Bedeutung. Die Funktion des Bundes mit dem Patriarchen bleibt auch bei späteren Bundesschließungen erhalten. So ist der Abrahambund ein wesentliches Element, das dazu führt, dass das Volk (Ex 33,1) nach der Verletzung des Sinaibundes (Ex 32) gerettet wird. Verheißung und Beschneidung werden ab diesem Zeitpunkt als die Hauptmerkmale der Erwählung des Volkes verstanden (Ex 2,24; Ps 105,8–11; Sir 44,19–22).
6 Der Sinaibund
Der Sinaibund wird zwar mit Mose als Mittler geschlossen, er richtet sich jedoch zum ersten Mal nicht mehr auf eine einzelne Gestalt aus, sondern betrifft das ganze Volk (Ex 19,5). Das Volk wird zum Eigentum Gottes, der es schützen und bewahren wird. Auf die Beschreibung der Theophanie in Ex 19 folgt im Ex 20 der Dekalog, die in zweifacher Ausfertigung erstellte Urkunde des soeben abgeschlossenen Bundes. Die darin enthaltenen Gebote und Verbote Gottes für sein Volk stellen die Summa der Verpflichtungen dar, aus denen der Bund besteht. Wesentlich für den Sinaibund sind dann die Einzelbestimmungen von Ex 21–23. Diese erinnern auf der formalen Ebene stark an die hethitischen Vasallenverträge, obwohl sie sich inhaltlich sehr stark von diesen distanzieren. In Ex 24 wird dann der eigentliche Ritus der Bundesschließung beschrieben: JHWH wird ein Opfer dargebracht, dessen → Blut auf den Altar gesprengt. Die Fortsetzung der Geschichte des Volkes wird ab diesem Zeitpunkt ausschließlich als Geschichte des Bundes mit JHWH verstanden. Die Initiative liegt auch im Fall des Sinaibundes allein bei Gott. Das Volk verpflichtet sich allerdings, seine Weisung zu befolgen und schwört somit, den Bund einzuhalten. Mit der Formel „Ich bin euer Gott und ihr seid mein Volk“ wird der Bund seitens der Gottheit besiegelt (Ex 6,7; Lev 26,12; Dtn 26,17; 29.12).
7 Der Moabbund
Die Aktualisierung des Sinaibundes geschieht regelmäßig innerhalb der jährlichen Feier des Volkes bzw. einmal gesondert im Zusammenhang mit Moses Reden im Land Moab kurz vor seinem Tod. Inhalt dieses Bundes sind die Botschaft und die Gesetzgebung, die im Deuteronomium enthalten sind. Der in Dtn 29 beschriebene Moabbund ist eine Art Bundeserneuerung, die stark vom Sinaibund abhängt. Dieser Bund bleibt zwar auch im Deuteronomium bestehen (Dtn 5,3), muss aber neu geschworen und aktualisiert werden. In Dtn 29 wird die bərîṯ in einen Ritus eingefügt. Lediglich in Dtn 29,8 wird dann der Inhalt des Bundes beschrieben und und in Dtn 29,11 mit dem Begriff ʾāiāh gekennzeichnet. Der Moabbund erweist sich somit als Verbundenheitsschwur.
Die beiden Bundesschließungen am Sinai und in Moab beschreiben nicht zwei gegensätzliche Ereignisse, sie ergänzen vielmehr einander. Der Sinaibund wird aktualisiert und nach vierzig Jahren – folgt man der biblischen Erzählung– interpretiert. Sein Inhalt wird schließlich im Deuteronomium von Mose selbst verschriftet (Dtn 30,9). Doch die Bestimmungen erklären nicht alles, sondern sind lediglich ein Zeichen bzw. ein musterhaftes Vorbild, wie das Gesetz, das als Basis und Inhalt des Bundes gilt, in Zusammenhang mit einer neuen Situation verstanden werden kann.
8 Der Sichembund
In Jos 24 wird wiederum von einer Erneuerung des Bundes berichtet. Die Initiative geht dieses Mal allein vom Volk aus, das sich im gerade eroberten Gelobten Land erstmals auf die Inhalte des Sinaibundes verpflichtet. Josua ist zwar der Vermittler, JHWH gilt allerdings sowohl als Objekt als auch als Subjekt des Bundes. Die Bestätigung und Bekräftigung des Bundes geschieht aufgrund der freien Entscheidung des Volkes.
9 Der levitische Bund
Innerhalb der priesterlich orientierten Texte verbreitet sich – wohl als Legitimierung der Nachfolge von Aaron – immer mehr die Idee einer in einem Bund mit Gott gründenden priesterlichen Autorität (Mal 2,4.8; Neh 13,29). Die Verheißung, die als Inhalt des Bundes gilt, betrifft die Nachkommenschaft. Diese beginnt mit Aaron (Num 18,19; Jer 33,20; Sir 45,7.15.25) und setzt sich mit Pinechas (Num 25,12; Sir 45,24) und Zadok (Ez 44,15–16) fort.
10 Der Davidsbund
Als Ausweitung des Sinaibundes hat ebenfalls der Verheißungsbund mit David zu gelten und ist somit parallel zum Abrahambund zu sehen. Der Davidsbund aktualisiert diesen im Hinblick auf eine politisch und sozial neue Situation. Nicht mehr Mose, sondern der König dient als Mittler zwischen Gott und dem Volk. Die Verheißung in 2 Sam 7 hat die Funktion, die Nachkommenschaft und die Erhaltung der Dynastie des Königs zu garantieren. Die Bedeutung dieses Bundes entfaltet sich vor allem im Zusammenhang mit der Vorstellung von einem eschatologischen Davidspross (Jes 11,1; 16,5; 55,3; Jer 23,5; 33,14; Ez 34,23; 37,24 usw.) und – damit verbunden – einem Messias aus dem Haus David. Diese Gestalten werden den Bund bleibend und endgültig verinnerlichen.
11 Der Joschijabund
Ein Bundesschluss ist auch Bestandteil der Erzählung von der religiösen Reform des Königs Joschija (2 Kön 22–23). Die Entdeckung des Buchs des Gesetzes (sepær hattôrāh) löst große Bestürzung beim König aus, sind im → Buch doch die Flüche enthalten, die eintreffen werden, wenn das → Gesetz – d.h. der eigentliche Inhalt des Bundes – nicht eingehalten wird (2 Kön 22,13). Daher ergreift Joschija die Initiative, versammelt das Volk, liest aus dem Buch vor und schließt einen Bund (2 Kön 23,3). Die Selbstverpflichtung des Königs und des Volkes betrifft die Einhaltung der Gesetze und hat als einziges Ziel, das Eintreffen der Flüche zu verhindern. Der Joschijabund ist kein neuer Bund. Er stellt lediglich die Aktualisierung des alten (Sinai- und Moab-)Bundes dar.
12 Der Nehemiabund
Das letzte Beispiel eines Bundesschlusses im AT wird in Neh 9–10 berichtet. Wie beim Bund des Joschija geht auch in diesem Fall die Initiative von der höchsten politischen Autorität im Land aus. Als Vorspann zum Bundesschluss beschreibt der Priester Esra in einem langen Gebet die mächtigen Handlungen Gottes für sein Volk sowie Episoden aus der Geschichte, da das Volk den Bund mit Gott nicht eingehalten hat (Neh 9,6–31). Der Beweggrund für die Erneuerung des Bundes ist die schlechte wirtschaftliche Lage des Volkes sowie die Unterdrückung durch den persischen Verwaltungsapparat in Form von Tributen und Steuern. Diese unglückliche Situation wird auf den Verstoß des Volkes gegen den Bund zurückgeführt. Dank seines Bundesschwurs erhofft sich Nehemia eine Entwicklung, die die soziale Lage des Volkes verbessert. Die Selbstverpflichtung ist einseitig, JHWH kommt als Partner des Bundes nicht vor, weshalb der Nehemiabund nicht mehr religiös bedingt zu sein scheint, sondern allein aus der Sorge über die soziale und politische Situation des Volkes resultiert und von der Hoffnung getragen ist, diese damit verbessern zu können.