Bereuen. Dong Xi. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dong Xi
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783954521128
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guten Wurzeln und rotem Sämling. Noch wichtiger dazu, du bist ein junges Mädchen!“

      „Mädchen? Ist das denn kein Mensch?“

      „Schau mal! Du bist ja schon vergiftet! Ein Mädchen soll so sauber wie blankes Papier sein, nicht niederträchtig und verdorben.“

      „Ich mag es, verdorben zu sein! Ich hasse es, nicht verdorben sein zu können! Was geht dich das an?“ Ruckartig rannte Bergfluss ins Schlafzimmer und schlug die Tür hinter sich laut zu.

      Tausendjahr war so in Rage geraten, daß er einen Schüttelkrampf bekam. Höchstwahrscheinlich begegnete er als Mann der Arbeiterklasse zum ersten Mal solchen Widerworten und war völlig außer sich. Er hob seine Hände, suchte einen Halt und fand schließlich einen Bilderrahmen an der Wand. Der Rahmen fiel zu Boden. Das Glas zersplitterte in unzähligen Linien, ähnlich endlosen Sonnenstrahlen. Unter den Linien zeigte sich das Gesichtsfoto von Bergfluss.

      Die Idee von Tausendjahr, seine Schwester zu retten, ist möglicherweise in diesem Moment aufgetaucht. Er suchte für eine Diskussion Onkel Zhao auf und hatte vor, im Lager eine der Zeit entsprechende Verurteilungsversammlung ins Leben zu rufen. Er war nämlich der Ansicht, daß erst durch eine eingehende und offene Kritik über das Geschehen mit den beiden Hunden die Beschmutzung von Bergfluss gründlich zu beseitigen wäre. Onkel Zhao spuckte einmal auf den Boden: „Mein großer Schuldirektor, hast du denn nichts anders zu tun als eine Kritikversammlung zu veranstalten? Du kannst überall wo du willst die Versammlung machen, bloß nicht hier im Lager. Lass das sein! Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß!“ Tausendjahr schimpfte einige Male ununterbrochen „Restgesindel! Restgesindel!“ und wollte ab da nie wieder eine Besprechung mit seinem Vater. Als später seines Vaters Hosenboden platzte, machte er ihm keinen Hinweis. Er machte keinen Vorschlag mehr und wollte zuschauen, wie das Gesicht seines Vaters zu Boden fiel.

      In dieser Nacht schienen dem Bett meiner Familie Nägel gewachsen zu sein. Mein Vater wälzte sich hin und her, schlief für einen Moment auf dem Rücken und einen Moment auf den Armen. Dann lag er wieder auf dem Bauch, setzte sich daraufhin auf und bereitete mir „der Schlafmütze“ die ganze Zeit spitze Ohren. Wenig später schien er sich mit seinen Hämorrhoiden zu beschäftigen. Er rieb sich leise ein bisschen am Bettbrett, die Hälfte seines Pos schob er über die Kante und schließlich setzte er seinen ganzen Hintern in die Luft. Das Bettbrett erhob sich etwas und trug mich ein paar Zentimeter in die Höhe. Mit sachten Händen und schrittweise tastete er sich in Richtung meiner Mutter. Ehrlich gesagt, ich hörte ungern solche Geräusche mit. Sie ließen mich früh begreifen, was das „bunte Antlitz“ beinhaltete.

      Mein Vater sprach wie in einem Ton des Geldleihens: „Genossin Wu, ich bitte dich, nur das eine Mal. Geht das?“

      „Nein! Sage du, welchen Unterschied hat das im Vergleich zu Hunden, wenn du das tust „

      „Ich habe lange überlegt. Du drückst einfach ein Auge zu, als hättest du gar nichts gesehen. Mach´s mir einmal? Ich verspreche, nur das eine Mal!“

      „Du sollst mir lieber mit dem Messer ein Ende setzen. Ich habe zehn Jahre und einen ganzen Korb Chlorkalk gebraucht, um mich so sauber zu waschen wie weiße Sportschuhe. Sollst du noch ein klein wenig revolutionäre Freundschaft zu mir haben, so bleibe mir bitte fern. Verschütte keine Tinte auf meine weißen Schuhe!“

      Mein Vater seufzte auf, ging aus dem Haus und saß die ganze Nacht durch vor dem Lagerhaus. Das Morgenlicht fiel auf die Baumkrone, seine Augen waren gerötet wie nach einer Erfrischungssalbe.

      Er zerrieb ein paar auf seinen Beinen kriechenden Ameisen, nieste einmal ziemlich laut und vernahm die ersten Töne des „Rot-Laternen-Lautsprechers“, bei denen er feststellen konnte, daß er noch zu etwas taugte, mindestens, daß er noch Ameisen zerreiben und Lautsprecher produzieren konnte.

      Ich habe leider versäumt, zu erklären, daß mein Vater ein Arbeiter der Radiofabrik Nr. 3 war. Den im Lager aufgehängten Lautsprecher hatte er mit eigenen Händen hergestellt. Die Geräusche vom Straßenfegen und die Stimmen der Dreiradfahrer kamen herüber. Es tagte immer mehr. Die vorher wie Klötze aussehenden Baumkronen entfalteten und verwandelten sich allmählich in Zweige und Blätter. Letztlich waren sogar die Hundehaare am Baum deutlich zu sehen.

      Mein Vater dachte daran, sich einen Tag Urlaub zu nehmen, um zu Hause in Abwesenheit meiner Mutter während ihres Dienstes heimlich das Hundefleisch mit Sojasoße, viel Zuckerrohr und Anis zu kochen. Sie aber schien seine Gedanken lesen zu können, stand früh auf und packte die toten Hunde in einen Jutesack und band die Öffnung fest zu. Er fragte meine Mutter, ob es ihr eine Freude machen würde, gegen ihn zu handeln. Sie erwiderte: „Die Hunde sind für den Tiger bestimmt. Der Zoo kann uns dafür etwas Geld zahlen.“ Mit großen Augen schaute mein Vater zu, wie meine Mutter mit dem Fahrrad die Hunde abtransportierte. Die Räder wackelten hin und her, so wie der Hundesack auf dem Gepäckträger. Sie verschwand allmählich aus der Sicht meines Vaters. Er stand auf, kam zurück ins Haus zum Gesichtswaschen: „Die Hunde sind weg, ist es noch nötig, Urlaub zu nehmen?“

      Am selben Tag brachte meine Mutter einen schweren Karton mit nach Hause, als Zierapfel Fang gerade die Wäsche hereinholte. Mit dem Karton in Händen näherte sich ihr meine Mutter und erzählte ihr vom Auffressen der Hunde durch den Tiger. Zierapfel nieste kräftig: „Entschuldige, ich scheine eine Erkältung zu bekommen.“ In diesem Moment kam Onkel Zhao mit Pfeife aus der Tür. Auf ihn ging meine Mutter zu und erzählte noch einmal von dem Hundefleisch. Onkel Zhao stieß etwas Tabakqualm aus dem Mund und lief dann in großer Eile zum Geschäft, um Sojasoße zu besorgen. Die wiederholten Erzählungen meiner Mutter fanden keine Anerkennung und nicht mal eine Antwort. Sie fühlte sich im Grunde ihres Herzens sehr enttäuscht und ärgerte sich, während sie den Karton trug und so lange stehen geblieben war. Schließlich kam Tausendjahr zurück. Meine Mutter wiederholte noch einmal die Erzählung. Tausendjahr klopfte meiner Mutter auf die Schulter: „Ausgezeichnet, Genossin Wu!“ Erst jetzt spürte meine Mutter unerträgliche Schmerzen in den Armen. Wegen des großen Gewichtes erhielten ihre Handflächen rote Spuren. Mit einem von Seifen gefüllten Karton war von Spaß keine Rede.

      Glaube nicht, daß meine Mutter nach dreimaligen Erzählungen ihren Mund halten würde. Das war leider nur ein Beispiel für ihr späteres ununterbrochenes Erzählen. Das war wie eine kleine Vorspeise vor einer üppigen Mahlzeit. Wie kann man erklären, daß sie das immer wiederholen musste? Das nervte doch, nicht wahr? Ob irgendjemand Interesse hätte, das zu hören? Wahrscheinlich lachte man schon innerlich, bevor sie anfing zu erzählen. Das konnte meine Mutter überhaupt nicht begreifen. Beim Abendessen begann sie wieder zu erzählen. Sie beschrieb, wie sich der Tiger auf die Hunde stürzte, sie mit dem Maul zerriss, und wie die Hunde in den Himmel flogen, in der Luft hingen und langsam runterfielen. In allen Einzelheiten wie die Zeitlupenaufnahme eines Filmes. Als die verbundenen Hunde auf halber Höhe waren, trennten sie sich. Der eine flog nach Osten, der andere nach Westen. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie der Tiger das Hundefleisch tatsächlich gefressen hatte. Aber den Gesichtsausdruck meiner Mutter beim Erzählen kann ich nicht vergessen.

      Sie war begeistert, schwang mit Händen andauernd in der Luft und bewegte flink ihre Lippen. Ihr Gesicht war bis zu den Halswurzeln rötlich angefärbt, als hätte sie gerade Schnaps getrunken. Mein Vater fragte: „Wo ist das Geld? Warum hast du kein Fleisch gekauft, um unsere Zahnlücken zu stopfen?“ Ihr war zumute, als hätte sie ihr warmes Gesicht an einen kalten Po gehalten. Ihre Begeisterung war plötzlich verschwunden. Nach langem Schweigen verriet sie, daß das Geld für den Kauf der Seifen ausgegeben worden war. Mein Vater meinte aber: „Du hast so viele Seifen gekauft, kann man sie als Fleisch verspeisen?“

      „Guckt euch an, wie dreckig ihr seid! Dein Jackenkragen ist schmutzig, das Moskitonetz ist schmutzig, genauso wie die Bettwäschen, überall sind Schmutzflecken. Ein Karton Seifen kann vielleicht nicht alles sauber waschen. Man lebt, doch nicht nur um Fleisch zu essen. Man soll auf Hygiene achten. Eure Ohren sollen sauber sein, eure Fingernägel und Füße sind sauber zu waschen. Wenn der Körper sauber ist, ist man dann auch sauber im Herzen.“

      Täglich nach Schulbesuch seifte ich meinen Kopf kräftig ein. Mein Kopf verwandelte sich in eine Schaummasse. Ich zog ständig