BERLIN. Eugen Szatmari. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eugen Szatmari
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги о Путешествиях
Год издания: 0
isbn: 9783903184817
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der Volksvertreter, dem der fragliche Platz gehört, schon im Saale war oder nicht. Liegen die Drucksachen noch hübsch ordentlich auf dem Tisch, so war der Herr Volksvertreter noch nicht da. Liegen sie aber auf dem Fußboden, so war er bereits anwesend. Ein ungeschriebenes Gesetz des Reichstags gebietet nämlich allen Abgeordneten, die Drucksachen nach erfolgter Lektüre auf den Fußboden zu werfen.

      Die Regierung

      Rechts vom Präsidenten, etwas tiefer, breiten sich die Bänke der Regierung aus. Dort sitzen die Minister und Staatssekretäre, während die Seite links von der Präsidentenestrade für die Vertreter der anderen Reichsbehörden sowie für die Reichsratsmitglieder vorbehalten ist. Bei großen Sitzungen sind alle Bänke voll, aber nur wenn der Kanzler oder einer der favorisierten Minister spricht. Sonst kann man dort lediglich die diensthabenden Regierungsvertreter sehen, die aufpassen müssen, ob nicht irgendwelche Fragen gestellt werden, die man beantworten muss. Dicht unterhalb der Rednertribüne in einem kleinen Raum mit vier Schreibmaschinen sitzen die Leute, die jedes Wort, das hier ausgesprochen wird, festhalten – die Stenographen des Parlaments.

      Es ist kein leichter Dienst, Parlamentsstenograph zu sein. Während der zehn Minuten, die jeder Stenograph aufzunehmen hat – dann überträgt er das Aufgenommene in Schreibmaschinenschrift –, ist er das Ohr von 60 Millionen Deutschen und der ganzen Welt. Er darf kein Wort dessen verlieren, was dort oben gesprochen wird (obwohl es manchmal wirklich nicht wichtig ist), und zehn Minuten lang führt seine Hand den Bleistift im wahrsten Sinne des Wortes für die Weltgeschichte. Der Stenograph ist aber nicht nur ein Beamter, der jedes gesprochene Wort treu aufnimmt, er ist für jene Abgeordnete, die ihres Stiles nicht ganz sicher sind, eine ganz besonders wichtige Persönlichkeit, denn er hat in vielen Fällen auch die schwere Aufgabe, die sogenannten »Stilblüten« zu beseitigen.

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       Heiterkeit rechts

      Wenn da jemand sagt: »Dieser Grund ist grundlos«, was schon öfters vorgekommen ist, so fragt der Stenograph nicht viel, sondern er schreibt: »Dieser Grund ist nicht stichhaltig …« und er hat sich um einen Volksvertreter verdient gemacht. Oft wissen natürlich die Abgeordneten, dass sie eine Stilblüte von sich gegeben haben – sie merken es an der Heiterkeit, die einer Stilblüte folgt – und kommen dann nach der Sitzung in das stenographische Büro hinunter, um ihre Rede zu korrigieren, was auch sehr nötig ist, denn die Wähler würden sich manchmal sehr wundern, wenn sie unkorrigiert lesen würden, was ihr Vertreter gesagt hat. Sagte doch einmal der Abgeordnete Stökker: »Als die Wellen der Revolution emporloderten …«, worauf allgemeine Heiterkeit entstand. Herr Stöcker ließ sich aber nicht beirren und ripostierte: »Sie lachen … Ja, das Lachen ist ja das Amen und Omen Ihrer ganzen Politik …«

      Parlamentarische Stilblüten

      Es gibt leider noch immer keine Sammlung der parlamentarischen Stilblüten. Nur ein paar alte Parlamentsjournalisten und der witzige Abgeordnete Dr. Moses haben einige gesammelt. So sagte einmal ein Kultusminister im preußischen Landtag: »Die Universitäten sind wie ein rohes Ei. Wenn man sie anfasst, stellen sie sich gleich auf die Hinterbeine …«

      Dagegen meinte ein Sozialist: »Meine Herren! Die Lokomotivführer stehen mit einem Fuß im Zuchthaus und mit dem anderen nagen sie am Hungertuch …«

      Und ein Deutschnationaler äußerte: »Der Völkerbund ist nur dazu da, die Giftzähne von Sowjetrussland auf die Beine zu stellen …«

      Während ein Demokrat Folgendes von sich gab: »Der Geist Helfferichs ist der nackte Pferdefuß, welcher am Mark des deutschen Volkes nagt …«

      Und ein Zentrumsmann sagte einmal: »Die Vermehrung der Bevölkerung auf dem flachen Lande vollzieht sich auf eine ganz natürliche Weise. Ich werde Ihnen gleich zeigen, wie …«

      Glücklicherweise hat er es nicht gezeigt.

      Die Pressetribüne

      Die Chefredakteure

      Ganz links oben befindet sich die Pressetribüne. Auch ihr Bild wechselt, genauso wie das Bild des Sitzungssaals. Plätschert die Debatte unten wie gewöhnlich, so halten auf der Pressetribüne nur die Stenographen der Blätter Wacht, während die Redakteure in dem Restaurant debattieren. Spricht aber der Kanzler, so ist die Tribüne so voll, dass man sich nicht bewegen kann. Dann sind all die Leute hier, die das Verbindungsglied zwischen Volksvertretung und Volk darstellen – die Chefredakteure der großen Blätter, die Leitartikler, die Parlamentskorrespondenten, von denen in anderen Ländern jeder den Marschallstab des Abgeordneten in der Aktentasche tragen würde, was aber in Deutschland nicht der Fall ist, da es hier nur verhältnismäßig selten vorkommt, dass ein Journalist als Kandidat aufgestellt wird. Eigentlich ein Kardinalfehler der deutschen Parteipolitik. Denn Theodor Wolff oder Georg Bernhard hätten ihren Platz mit viel mehr Berechtigung im Parlament als mancher, der dort unten sitzt. So sitzen sie aber hier oben, mit ihren Stäben und folgen der Schlacht, die unten tobt. Hinten in den Arbeitsräumen rasseln die Schreibmaschinen; die Vervielfältigungsapparate der parlamentarischen Nachrichtenbüros verbreiten fünfzehn Minuten später, nachdem der Redner unten geendet hat, seine Worte, die Telefone klingeln – München, Wien, Erfurt, Budapest, Paris, Königsberg, Kopenhagen und Prag melden sich, die Atmosphäre ist mit Spannung geladen – mit einer Spannung, die nicht selten viel höher ist, als jene, die unten im Saale herrscht, und am Schalter des kleinen Telegraphenamts im Reichstag liefern amerikanische Korrespondenten Kabeldepeschen von zweitausend Worten auf …

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       Chefredakteur Theodor Wolff

      Der Kuhhandel

      Aber der Reichstag hat auch andere Einrichtungen, von denen nur der wirkliche Kenner weiß. Abgesehen von den verschwiegenen Fraktionszimmern im zweiten Stock, wo der berühmte »Kuhhandel« vor sich geht und wo alle intimen parlamentarischen Entscheidungen getroffen werden, abgesehen von den Arbeitszimmern der Abgeordneten, wo man so gemütlich schlafen kann – für die Herren Volksvertreter ist auch in anderer Hinsicht wohl gesorgt.

      Der Reichstag hat seinen eigenen Friseur, er hat Badeanstalten, Turnsäle und Zanderapparate, wo man sich elastisch und schlank erhalten kann, und wenn jemand einen Blick ins Kellergeschoß wirft, kann er manchmal irgendeinen berühmten parlamentarischen Kämpen gerade dabei erwischen, wie er an der Rudermaschine arbeitet oder aber sich im Sattel eines Maschinenrosses bemüht, einige Pfunde abzugeben. Und wenn erst das Reichstagshotel gebaut werden wird, das ja ein alter Wunsch der Volksvertreter ist, dann wird es wirklich eine Lust, Abgeordneter zu sein …

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